Hamburg. Am heutigen Verhandlungstag wollen die Richter mehr über die Entwicklung von Ahmad A. in Deutschland erfahren.

Nach der Bluttat eines abgelehnten Asylbewerbers in einem Hamburger Supermarkt im Sommer 2017 wollen die Richter am Montag mehr über die Entwicklung des Angeklagten in Deutschland erfahren. Nach Angaben eines Gerichtssprechers soll Ahmad A. wechselnd extrem am Glauben und am westlichen Leben orientierte Phasen gehabt haben.

Die Bundesanwaltschaft ist überzeugt, dass die Tat islamistisch motiviert war. Als Zeugen vor dem Staatsschutzsenat des Hanseatischen Oberlandesgerichts aussagen sollen Mitbewohner, eine Mitarbeiterin aus der Flüchtlingsunterkunft des 26-Jährigen sowie eine Sprachlehrerin.

Nett und hilfsbereit, aber auch "sehr wechselhaft"

Ein Bekannter beschrieb Ahmad A. am Montag vor Gericht als netten und hilfsbereiten Menschen. „Ich kann bis jetzt nicht verstehen, wie er das machen konnte“, sagte der 42 Jahre alte Zeuge zu dem Verbrechen, bei dem am 28. Juli an der Einkaufsstraße „Fuhle“ im Stadtteil Barmbek ein Mann erstochen wurde und sechs weitere Menschen verletzt wurden.

Der Angeklagte und der Zeuge waren Bewohner einer Flüchtlingsunterkunft in Hamburg. „Er war sehr wechselhaft“, sagte der Ex-Mitbewohner. Mal habe er sein Geld für Drogen ausgegeben, dann wieder ein weißes Gewand getragen und sich ganz dem Glauben zugewandt. Manchmal habe er von der Freiheit im Westen geschwärmt, dann wieder schlecht über Europa gesprochen. „Ich glaube, er war psychisch am Boden, weil er keine Perspektive hatte.“

Laut Gutachten ist der Angeklagte voll schuldfähig

Die Bundesanwaltschaft wirft dem Angeklagten Mord sowie versuchten Mord und gefährliche Körperverletzung in sechs Fällen vor. Es sei dem ausreisepflichtigen Palästinenser darauf angekommen, möglichst viele deutsche Staatsangehörige christlichen Glaubens zu töten. ahinter habe seine Überzeugung gestanden, dass Muslime weltweit unterdrückt würden. Bestärkt worden sei der Palästinenser noch durch den damals eskalierenden Konflikt zwischen muslimischen Gläubigen und israelischen Sicherheitskräften um den Tempelberg in Jerusalem.

Der junge Mann ist einem vorläufigen Gutachten zufolge voll schuldfähig. Beim Auftakt des Verfahrens hatte Ahmad A. gestanden, am 28. Juli in einer Edeka-Filiale im Stadtteil Barmbek ganz unvermittelt auf einen aus Neubrandenburg stammenden 50-Jährigen eingestochen zu haben. Der Mann starb noch am Tatort. Sechs weitere Menschen verletzte der Angreifer. Sie hatten am zweiten Prozesstag von den Folgen der Attacke erzählt.

Keine Anhaltspunkte für IS-Mitgliedschaft

Der Entschluss zur Tat habe Ahmad A. als „Beitrag für den weltweiten Dschihad“ gesehen, hatte die Vertreterin der Bundesanwaltschaft, Yasemin Tüz, bei der Verlesung der Anklage erklärt. Für eine IS-Mitgliedschaft beim Islamischen Staat, der sich nicht zu der Messerattacke bekannte, haben die Ermittler aber keine Anhaltspunkte. Es gab laut Tüz vorher Hinweise auf ein „phasenweise auffälliges Verhalten“ des Angeklagten, doch das habe sich immer wieder normalisiert.

Bei einem Besuch eines Flüchtlingscafés im November 2006 soll Ahmad A. in einem weißen Gewand eine von Anwesenden als bedrohlich empfundene Rede gehalten haben, in der er erklärte, Muslime dürften nicht untätig bleiben. Das war aus Sicht der Anklage aber noch kein Aufruf zur Gewalt, wie der Gerichtssprecher sagte.

Zu den Warnungen, die es vor der Tat gab, hatte Innensenator Andy Grote (SPD) im August im Innenausschuss der Hamburgischen Bürgerschaft erklärt, die Behörden seien teilweise nicht schnell und nicht gründlich genug mit Hinweisen auf die psychische Instabilität des Täters und seine Hinwendung zum radikalen Islam umgegangen.