Hamburg. Die Planungen für das Korallusviertel mit 500 Wohnungen in Wilhelmsburg stocken. Das soll sich jedoch nun ändern.

Das Areal ist komplett eingewachsen. Ein Bauzaun sichert das Grundstück vor ungebetenen Gästen. Seit rund zehn Jahren gibt es Planungen für eine Bebauung der rund 21.000 Quadratmeter großen Fläche an der Thielestraße, unweit vom S-Bahnhof Wilhelmsburg. Hier soll das neue Korallusviertel entstehen – eines der wichtigsten Bauvorhaben in Wilhelmsburg. Doch: „Hier passiert einfach nichts“, sagt Mittes Grünen-Fraktionschef Michael Osterburg. „Der Projektentwickler hat sich seit Monaten nicht bei uns gemeldet. Der städtebauliche Vertrag ist immer noch nicht unterzeichnet.“

Das Gelände wechselte mehrfach den Eigentümer. Zuletzt hatte es eine Tochter der Gerch Development GmbH erworben. Das Unternehmen wurde mehrheitlich von der SSN Group im April vergangenen Jahres übernommen. „Es müssen noch Änderungen an dem Bebauungsplan vorgenommen werden, doch dafür hat die SSN Group noch immer nicht die erforderlichen Unterlagen eingereicht und sich mit der Bezirkspolitik abgestimmt“, sagt Tobias Piekatz. Es mache den Anschein, so der SPD-Stadtentwicklungsexperte, als wenn hier darauf spekuliert werde, die Bebauung möglichst lange hinauszuzögern, weil die Investoren hoffen, so den Grundstückspreis in die Höhe zu treiben.

Projektleiter um Schadensbegrenzung bemüht

Die Bezirkspolitiker, auch Jörn Frommann von der CDU ist dabei, lassen den Blick über das Gelände schweifen. Im Hintergrund stehen in den 70er-Jahren erbaute Hochhäuser. Echte Bausünden. „Mit dem neuen Korallusviertel soll auch die Attraktivität gesteigert werden, deshalb drängen wir ja so darauf, dass hier endlich etwas passiert. Wir sind hier in einem sozialen Brennpunkt von Wilhelmsburg“, sagt Frommann, Sprecher seiner Fraktion im Regionalausschuss Wilhelmsburg/Veddel.

Holsten-Quartier

Die Politiker machen ihrem Ärger Luft und treffen hier auf der Brach­fläche zum ersten Mal auf die Verantwortlichen der SSN Group aus Düsseldorf, die ihren Hauptsitz in der Schweiz hat. Projektleiter Matthias Singer und Deutschlandchef Jürgen Overath sind extra aus dem Rheinland angereist. Die beiden sind um Schadensbegrenzung bemüht: „Wir mussten uns nach der Übernahme der Gerch Development GmbH erst einmal einen Überblick über die Projekte verschaffen, dazu gehört auch das neue Korallusviertel.

Finale Verhandlungen mit einer Bank

Wir wollen hier bis zu 500 Wohnungen bauen.“ 20 Prozent davon öffentlich gefördert, jeweils 40 Prozent frei finanzierte Mietwohnungen und Eigentumswohnungen. Natürlich sei geplant, nun zügig mit der Bezirks­politik ins Gespräch zu kommen. Vor Kurzem habe man dem Bezirk auch schon umfangreiche Planungsunter­lagen zukommen lassen, da man gemeinschaftlich in enger Abstimmung mit dem Bezirk die Planung verabschieden möchte.

Allerdings räumt Overath auch ein: „Wir sind noch in finalen Verhandlungen mit einer Bank, die den Bau des neuen Wohnquartiers finanziert.“ Aber Michael Osterburg will Taten sehen: „Es spricht nicht gerade für die SSN Group, dass die Finanzierung des Projekts noch überhaupt nicht steht. Wir werden uns dieses wenig professionelle Geschäftsgebaren nicht mehr lange mit ansehen.“

Die Bezirkspolitiker
Jörn Frommann
(CDU, v. l.), Michael
Osterburg (Grüne)
und Tobias Piekatz
(SPD) mit den
Projektentwicklern
Jürgen Overath und
Matthias Singer vor
dem Korallusviertel
Die Bezirkspolitiker Jörn Frommann (CDU, v. l.), Michael Osterburg (Grüne) und Tobias Piekatz (SPD) mit den Projektentwicklern Jürgen Overath und Matthias Singer vor dem Korallusviertel © HA | Roland Magunia

In einem ersten Schritt wird die rot-grüne Koalition jetzt das Bauvorhaben auf die Wohnungsbaukonfliktliste der Senatskommission setzen lassen. „Dort wird dann beraten, was wir tun können, um die Projektentwicklung zu beschleunigen“, sagt Piekatz. Allerdings geht Grünen-Politiker Osterburg noch einen Schritt weiter: „Wir können den Bebauungsplan auch stoppen, dann bleibt es eine grüne Wiese und ist für den Projektentwickler fast nichts mehr wert.“

Größeres Projekt

Die SSN Group hat in Hamburg noch ein weitaus größeres Projekt mit einem Investitionsvolumen von bis zu einer Milliarde Euro zu realisieren. Auch dieses Vorhaben hat das Unternehmen von der Gerch Development GmbH übernommen. Die Rede ist vom Holsten-Quartier auf dem Brauerei­gelände in Altona. Hier sollen rund 2000 Wohnungen entstehen. Die ersten Gebäude sollen 2021 bezogen werden.

Aber zurück nach Wilhelmsburg. Selbst wenn die SSN Group einen Finanzier für das neue Korallusviertel finden sollte, gibt es noch Konfliktpotenzial. Ursprünglich sollten rund 31.000 Quadratmeter Bruttogeschossfläche auf dem Gelände entstehen, später dann 41.000 Quadratmeter: „Unsere Planungen sehen 49.000 Quadratmeter Bruttogeschossfläche und rund 500 Wohnungen vor“, sagte SSN-Deutschlandchef Overath. Aber darauf will sich Grünen-Fraktionschef Osterburg nicht einlassen: Mehr als 450 Wohnungen seien an dem Standort nicht realisierbar, sonst würde die Bebauung zu eng. Dem stimmen auch die Vertreter von CDU und SPD zu.