Hamburg. Der mehrfach ausgezeichnete Internetsender setzt auf Radio in seiner Ursprungsform. Ein Interview mit Gründer Ruben Jonas Schnell.

Autorenradio, bei dem die Moderatoren ihre eigene Musik auflegen, ehrenamtlich und werbefrei: Mit diesem Konzept ging der Hamburg-Berliner Internet-Radiosender ByteFM im Januar 2008 auf Sendung – und feiert einen Grimme Online Award (2009) und diverse Auszeichnungen später den zehnten Geburtstag. Wir trafen den Gründer Ruben Jonas Schnell (49) im Hamburger Studio im Medienbunker an der Feldstraße zum Gespräch.

Herr Schnell, ist Internet-Radio immer noch ein Medium der Zukunft oder bereits ein Medium der Vergangenheit?

Ruben Jonas Schnell: Der Vergangenheit? Ich hätte jetzt mit Zukunft oder Gegenwart gerechnet. Was wäre denn die Gegenwart, wenn nicht Internet-Radio? UKW-Radio vielleicht?

Die Konkurrenz untereinander im Internet-Radio ist größer geworden, dazu sind Musik-Streamingdienste gekommen, die abgesehen von Moderationen vergleichbare Möglichkeiten bieten wie Radiosender.

Ich nutze auch Streamingdienste für meine musikjournalistische Arbeit, das ist eine tolle Sache. Ich sehe das aber nicht als Ablösung oder Konkurrenz von ByteFM. Moderiertes Programm, das Autorenradio, hat gerade im Überangebot von Musik seine Berechtigung.

Zwei Monate, bevor ByteFM auf Sendung ging, kamen in Deutschland die ersten iPhones in den Handel. Wenn ich Musik hören möchte, warum brauche ich dann noch Radio?

Weil Ihre Sammlung Sie langweilt. Weil Sie Neues, Ungeahntes entdecken wollen. Und durch die technischen Möglichkeiten ist nun auch Radio immer und überall verfügbar. Das kommt uns eher zugute.

Jetzt gibt es 100 Moderatoren und auch Klassik

Sie haben mittlerweile täglich mehr als 50.000 Hörer, ist das viel oder nicht so viel nach Radio-Maßstäben?

Je nach Relation. Das ist ein volles Stadion, also viel. Für einen auf Werbekunden angewiesenen Mainstream-Radiosender wäre das allerdings wenig. Über 100.000 würde ich mich natürlich sehr freuen.

Hat sich das Programm in den zehn Jahren in den Schwerpunkten verändert?

Am Anfang hatten wir 40 ehrenamtliche Moderatoren, mittlerweile haben wir 100. Es gibt jetzt auch Klassik durch Kooperationen mit dem Ensemble Resonanz und mit der Elbphilharmonie. Und ich hoffe, dass wir insgesamt professioneller geworden sind.

Mainstreamsender stellen ihr Programm sorgfältig den Marktanalysen entsprechend zusammen. Welche Formen von Hörer-Rückmeldungen beeinflussen ByteFM?

Wir bekommen viele Mails und Kommentare von unseren Hörern und machen Umfragen über die Webseite und Soziale Netzwerke. Und auch unsere Moderatoren prüfen ihre Relevanz.

Können die Moderatoren ihr Programm völlig unbeeinflusst abfahren? Oder gibt es Grenzen? Zwölf-Ton-Musik?

Die Moderatoren sind völlig frei, sollten aber schon an den Hörer denken. Wenn jemand in einer 60s-Beat-Musiksendung Zwölf-Ton-Musik einbaut, dann sollte er auch erklären, warum.

ModBots sind keine Alternative

Wie kam es im Jahr 2013 zum zweiten
ByteFM-Studio in Berlin-Mitte?

Berlin und Hamburg sind die wichtigsten deutschen Musikstädte, und mit dem kleinen Berliner Studio haben wir die Möglichkeit, Bands, Musiker, Künstler und unsere Berliner Moderatoren vor Ort in unser Programm zu heben.

Was könnte der nächste technische Sprung für das Medium Radio sein? ModBots vielleicht? Künstliche Intelligenz als Moderator? Für Wetterberichte und Ähnliches funktioniert das ja schon.

Wenn die zu einem Beatles-Song nur Wikipedia ablesen, wird das nicht funktionieren. Aber wenn der ModBot witzig ist, smart und sich mit Musik auskennt, dann wäre das für mich zwar eher ein dystopisches als ein utopisches Szenario, aber denkbar. Nur wird das Programm-Machen dann keinen Spaß mehr bringen.

ByteFM im Internet: www.byte.fm; UKW: in Hamburg tägl. von 19.00-22.00 Uhr auf 91,7 MHz, in Berlin tägl. von 10.00-12.00 und 21.00-22.00 Uhr auf 91,0 MHz