Hamburg. Das ändert sich 2018 in den Bezirken. Neue Nivea-Zentrale, Ausbau der Radwege und Bau von Wohnungen geplant.
Mag sein, dass Eimsbüttel – wie einige unken – lebensgefühlstechnisch der Prenzlauer Berg Hamburgs ist. Wo die Leute schwarz denken und grün wählen, wo man sich teure Mieten und „alles Bio“ erst einmal leisten können muss, wo alternativ auch konservativ ist. Dass der kleinste und am dichtesten besiedelte Bezirk der Stadt deshalb in spießiger Selbstzufriedenheit erstarrt, ist bei ungebrochener Beliebtheit allerdings unwahrscheinlich. Hier muss aus wenig Raum viel gemacht werden, Einfallsreichtum bei Platzknappheit ist das Mantra. An Visionen und Projekten mangelt es 2018 jedenfalls nicht. Die wichtigsten Themen.
Teil 1 der Serie: So wächst Wandsbek
STADTPLANUNG
Der Bezirk hat einen Plan, und zwar bis ins Jahr 2040. Zukunftsmusik und vorerst vage, aber als grobe Fahrtrichtung verbindlich. In diesem Jahr soll die Bezirksversammlung das mit Bürgerbeteiligung erarbeitete Konzept „Eimsbüttel 2040“ beschließen. Die Verwaltung will damit Entwicklungsschwerpunkte setzen, etwa bei qualitätsvollen Grünflächen, lebendigen Stadtteilkernen, neuen Schnellbahnen oder lebenswerten Hauptverkehrsstraßen. Bezirksamtsleiter Kay Gätgens (SPD) sieht das Konzept als Chance zur Selbstbestimmung: „Damit wollen wir der Entwicklung nicht hinterherlaufen, sondern Wachstum aktiv gestalten.“
Stichwort: wachsen. Bei neuem Wohnraum wird keine Zeit verloren. Nach 2000 genehmigten Wohnungen im Jahr 2017 soll auch im neuen Jahr das per Vertrag geforderte Ziel von 1050 Wohneinheiten erreicht oder gar übertroffen werden. Einen Beitrag dazu leistet Eidelstedt. Im neuen Quartier am Hörgensweg (1) sind 800 Wohneinheiten (auch für Flüchtlinge) mit Nähe zur AKN-Haltestelle geplant. 350 Wohnungen werden noch in diesem Jahr fertig. Später soll das Umfeld mit Kita und sozialen Angeboten ergänzt werden.
Ein neues Stadtteilzentrum wird in Stellingen angestrebt – mit Wohnungsbau, Stadtteilhaus, Einzelhandel sowie Dienstleistungen, Wochenmarkt und Parkanlagen. Nach Jahren der Planung ist es am Sportplatzring in Stellingen (2) nun losgegangen. Die Vereine TSV Stellingen und West-Eimsbüttel sind an die Vogt-Kölln-Straße gezogen, haben die alte Kampfbahn frei gemacht. Dort wird jetzt gebaut – im ersten Schritt zwei Mehrfamilienhäuser und eine Kindertagesstätte.
Am Rentzel Center (3) soll auch etwas passieren. Geplant ist ein Neubauquartier mit Einzelhandel, Büros und Wohnen (106 Studentenappartements, 71 Wohnungen). Und noch ein Center wird neu gestaltet: Nachdem der großflächige Umbau des Einkaufszentrums Eidelstedt Center (4) vor Jahren am Bürgerwillen gescheitert war, soll von Januar an behutsam erneuert werden. Für 18 Monate zieht ein Teil der Geschäfte in provisorische Räume.
Auch die Kirche baut. In Niendorf, an der Max-Zelck-Straße 1 (5), wird aus einem Verwaltungsgebäude das moderne Kirchenkreiszentrum Hamburg-West/Südholstein. An die Stelle des ehemaligen Hauses der Kirche werden Leitung und Verwaltung des Kirchenkreises ziehen. Bisher sind die Mitarbeiter auf fünf Standorte in Altona, Blankenese, Lurup, Niendorf und Pinneberg verteilt. Das Gebäude soll 200 Mitarbeitern moderne Büros und ein Restaurant bieten, auch Räume für Seminare und Synodensitzungen sind geplant. Baubeginn war im April 2017, bis Ende 2018 soll es bezugsfertig sein.
Auf dem NDR-Gelände in Lokstedt (6) passiert ebenfalls Neues. Am Hugh-Greene-Weg 1 baut sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk ein frisches Büro- und Redaktionsgebäude, das „Nachrichtenhaus NDR“, das die Belegschaft von ARD aktuell beherbergen soll. Herzstück des Neubaus: der mehrgeschossige Newsroom. Er soll alle redaktionellen Bereiche der „Tagesschau“ vernetzen. Baustart war im November.
Aktuell streiten benachbarte Kleingärtner mit Hamburgs einzigem DAX-Konzern, weil ihre Parzellen von der Stadt verkauft wurden. Aber unbeirrt davon, errichtet die Beiersdorf AG an der Troplowitzstraße (7) ihre neue, 230 Millionen Euro teure Unternehmenszentrale. Von 2021 an sollen mindestens 3000 Beschäftigte des Nivea-Herstellers im gläsernen Neubau Platz finden. Vorstandschef Stefan Heidenreich sprach beim Schwur auf die Standorttreue im Herzen Eimsbüttels von einer „Jahrhundertentscheidung“.
Ein lange geplantes, von Bürgermeister Olaf Scholz grundsteingelegtes Projekt nähert sich 2018 der Zielgeraden: die Meistermeile Handwerkerhof Offakamp (8) – Norddeutschlands erster innerstädtischer, mehrstöckiger Handwerkerhof nach Münchner Erfolgsmodell. Das „gestapelte“ Handwerk hat vier Etagen zu fairen Mieten. Es soll Handwerks- und Produktionsbetriebe angesichts rarer Flächen und steigender Mieten in Eimsbüttel halten. Ende 2018 ist die Fertigstellung des Pilotgebäudes geplant. Mietereinzug: 2019.
Was lange währt, wird eventuell, möglicherweise, vielleicht dieses Jahr eröffnet: Nach einigen Terminverschiebungen will Investor Klaus-Michael Kühne die ersten zahlenden Gäste in seinem Hotel Fontenay (9) empfangen. 131 Zimmer, 17 Residenzen und Gastronomie sollen ihrer Bestimmung übergeben werden. Der Bezirk ist gespannt.
Nicht zu vergessen: Die Universität (10) baut an der Bundesstraße weiter für die Zukunft. Das Gebäude rund um das Geomatikum dürfte in diesem Jahr noch sichtbareres Zeugnis vom Plan ablegen, dass der naturwissenschaftliche Campus künftig in Rotherbaum zu Hause ist. Das Haus bekommt 22.000 Quadratmeter Nutzfläche für Geowissenschaften und Klimaforschung. Kosten: 177 Millionen Euro.
VERKEHR
Der Bezirk knüpft große Hoffnungen an den Ausbau der S-Bahn (11) und der U 5. Die Bürgerschaft hat eine Linie von Steilshoop bis zum Osdorfer Born beschlossen. Dass die Trasse durch den Bezirk geht, steht so gut wie fest. Vor allem in Lokstedt setzen die Menschen große Hoffnungen in den Anschluss ans U-Bahn-Netz. Kay Gätgens: „Wenn wir das Wachstum der Stadt bewältigen wollen, brauchen wir gute Mobilitätsangebote, dabei ist das enge Schnellbahnnetz ein wichtiger strategischer Baustein. Für Eimsbüttel setzen wir auf den Ausbau von U 5 und S 21.“ Für die S-Bahn soll die AKN-Strecke Eidelstedt bis Kaltenkirchen elektrifiziert und zur S-Bahn werden. Planfeststellungsbeschluss in Hamburg war 2017, Schleswig-Holstein will sich im kommenden Jahr festlegen. Die Inbetriebnahme könnte 2021 sein. Zudem soll 2018 ein Mobilitätskonzept für Eidelstedt vorliegen. Und: Die Auto-leihe für eine ganze Nachbarschaft, das Projekt first.mover, soll im eng bebauten Kern Eimsbüttels an den Start gehen.
Weiterhin wird am Radverkehr (12/13) und dessen Ausbau getüftelt. Die Umsetzung des Bündnisses für den Radverkehr schreitet auf der Veloroute 2 voran – mit dem Ausbau der Bismarckstraße, Reichsbahnstraße, Tornquiststraße, Högenstraße und dem Weidenstieg. Die Veloroute 3 wird auf der Stresemannallee und an der Schlüterstraße geebnet. Für Radfahrer gebaut wird zudem an der Schlankreye, der Troplowitzstraße und am Heußweg. Kosten: 12 Millionen Euro.
Auch Autofahrer gehen nicht leer aus. Größere Straßensanierungen (14/15/16) sind am Baumacker (Pinneberger Chaussee bis Heidacker) für 2,1 Millionen Euro geplant, an der Bismarckstraße geht der Ausbau zwischen Weidenstieg und Goebenstraße für 1,8 Millionen Euro weiter. Die Döhrntwiete und Döhrnstraße werden für 1,4 Millionen Euro saniert.
UMWELT
Eimsbüttel ist keine Insel. Lokstedt erst recht nicht. Und doch versucht der Bezirk im Kleinen, Klimaziele zu erreichen – mit Bürgern und fachkundiger Unterstützung der Universität sowie der Umweltbehörde. Seit 2017 wird am „klimafreundlichen Stadtteil“ gearbeitet. Thema 2018: „Mobilität“. Greifbarer sind die Umbauten am prägenden Grün. Der Isebek-Grünzug (17) und der Grünzug Lokstedt (18) werden in diesem Jahr fertig – nach zwei Millionen Euro teuren Arbeiten. Noch bis März 2018 dauert die naturnahe Umgestaltung der Tarpenbek (19) und zwar zwischen der Brücke Rahmoor und Rahwegteich.
SOZIALES
Und nun zum Sport: Neue Sportanlagen gibt es im ersten Halbjahr am Steinwiesenweg (20) mit Soccercourts, Beachvolleyballfeldern und Bewegungs- und Fitnessinsel. Kosten: 380.000 Euro. In Niendorf wird die NTSV-Sportanlage Bondenwald (21) um ein neues Vereins- und Umkleidehaus ergänzt, auch eine Gymnastikhalle entsteht. Dazu trägt der Bezirk 460.000 Euro bei. Fertig ist bereits die Sportanlage Gustav-Falke-Straße (22) von ETV und Alsterbrüder e. V. In den kommenden beiden Jahren stehen noch die Neubauten für Umkleidegebäude an. Neben dem Platz an der Gustav-Falke-Straße wurden 2017 auch die Sportanlage Vogt-Kölln-Straße (23) (TSV Stellingen/West-Eimsbüttel) mit einem Gebäude und zwei Kunstrasenfeldern sowie die Sportanlage Furtweg (24) mit einem Vereinsgebäude für den SV Eidelstedt und zwei Kunstrasenfelder fertig.
15 Unterkünfte für Flüchtlinge (25–30) gibt es aktuell im Bezirk. Ziel ist, auch 2018 die Qualität der Unterbringung zu verbessern. Nach der Schließung von Erstaufnahmen befinden sich sechs Folgeunterkünfte mit 1500 Plätzen im Bezirk in der Umsetzung. Die Standorte sind an der Holsteiner Chaussee, Hagendeel, der Großen Bahnstraße, der Kieler Straße, dem Duven-acker und dem Hörgensweg.
Der Schutz vor Verdrängung (31) und luxuriöser Aufwertung soll Bewohnern in Eimsbüttel, in Hoheluft-West und in Stellingen-Süd zukommen – mit der lange geplanten, oft beschlossenen und nun umzusetzenden sozialen Erhaltungsverordnung von 2018 an. Eine Repräsentativerhebung ergab, dass das gesamte Gebiet unter Schutz gestellt werden muss. Mit 36.000 Haushalten und 63.000 Bewohnern wird es die größte Erhaltungsverordnung der Stadt sein.
Massive Stärkung soll das Eidelstedter Zentrum (32) erhalten. Mit dem sperrig klingenden Rahmenprogramm Integrierte Stadtteilentwicklung (RISE) werden bis 2023 etwa zehn Millionen Euro investiert. Wohnumfeld, Gesundheitsförderung, Freizeit und Integration sind die Eckpunkte, wichtiges Schlüsselprojekt dabei: Das Bürgerhaus wird mit einem Anbau erweitert, baulich umgestaltet und inhaltlich neu ausgerichtet. Stadtteilkulturzentrum und Elternschule erhalten Gesellschaft von Bücherhalle und Café. Das Projekt wurde in nationale Projekte des Städtebaus aufgenommen und mit 1,9 Millionen Euro vom Bund unterstützt. Im Anschluss wird Eidelstedts zentraler Marktplatz überholt.
Mit dem Bezirk Harburg wird Eimsbüttel zum Pilotbezirk für die 2018 erstmals stattfindenden „Hamburger Hausbesuche“. Dabei sollen ältere Menschen ab 80 Jahren von Fachkräften in einem persönlichen Gespräch über Unterstützungsmöglichkeiten und soziale Angebote aufgeklärt werden. Auch Meinungen zur Gestaltung ihres Wohnumfelds sollen eingeholt werden. Kay Gätgens: „Wichtig ist, Bauen und Soziales zusammen zu planen und umzusetzen. Es reicht nicht, nur Wohnungen zu bauen. Wir müssen auch den sozialen Zusammenhalt pflegen und stärken.“
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