Hamburg. Fahrlehrer Erkan Açik sorgt für die Ausbildung der Busfahrer. Ein anspruchsvoller Job – vom Ticketverkauf bis zum Rückwärtsfahren.

Eingebaut ist alles, was er braucht. Rechts der Knopf mit dem „R“ wie Rückwärtsgang, schön mittig das Lenkrad, links und rechts zwei Spiegel und für die bessere Rundumsicht noch fünf Kameras. Theoretisch könnte es jetzt losgehen: Schulterblick, Gas und ab. Praktisch darf Erkan Açik nicht rückwärts fahren. Er will ja keinen Smart ausparken, sondern einen 21 Meter langen Bus mit 360 PS rückwärts bewegen. Und dafür braucht er zwingend einen zweiten, bestenfalls als Einweiser geschulten Mann. Strenge Hochbahnvorschrift, die kaum ein Hamburger kennt.

Bus fahren kann jeder? Stimmt schon. Grundsätzlich. Richtig ist aber auch: Es will gelernt sein. Und hat seine Tücken. Aktuell sucht die Hochbahn 200 neue Busfahrer für das kommende Jahr. Aber weil Busfahren eben nicht nur das Kutschieren von Fahrgästen ist, sondern in Großstädten im Allgemeinen und Hamburg im Besonderen einige Herausforderungen mit sich bringt, ist es nur fast die einfachste Sache der Welt. Rückwärts fahren ist da noch das kleinste Problem. Viel größere Hürden sind enge Kurven, übel zugeparkte Wohnviertelstraßen, stetig dichter Verkehr oder dauerkommunizierende Fahrgäste.

Seit 15 Jahren bei der Hochbahn

Erkan Açik fährt seit 15 Jahren Bus bei der Hochbahn. Ein zugewandter 46 Jahre alter Mann mit Qualitäten hinter und neben dem Lenkrad. Inzwischen sitzt er meistens daneben, wenn er als Fahrlehrer die Neu- und Quereinsteiger anleitet. Die Physiker und die Beamten, die Maurer und die Bäcker, all jene, die ihr altes Berufsleben aufgegeben haben, um ein neues im Bus zu beginnen. „Wir haben hier so gut wie alle Typen“, sagt Açik. Unter den 2000 Hamburger Busfahrern und Busfahrerinnen seien nahezu alle Berufsgruppen vertreten. Und Açik kennt sie alle. Na ja, beinahe. „Die meisten haben bei mir gelernt.“

200 Busfahrer für Hamburg gesucht

Wenn einer die Kniffe im Hamburger Busgeschäft kennt, dann Açik – und die anderen Fahrlehrer der Hochbahn. Im Prinzip sei es auch gar nicht so kompliziert. Schon gar nicht für Talente, die Açik bei den ersten Runden ausmacht. Er erkennt schon an der Sitzhaltung, wer zum Busfahren geboren ist. „Entweder man will es, dann kann man es auch. Oder es dauert halt länger. Aber auch dann lernt man es.“ Wer erst die Furcht vor 2,5 Meter Breite und der Länge und dem Gewicht eines Finwals überwunden hat, fährt am Ende auch nur Auto – nur ein sehr viel größeres, breiteres und gläsernes. „Die Sicht ist jedenfalls besser als im Lkw“, frohlockt Açik. Dann treibt er den motorisierten Wal im Slalom über den Betriebshof Langenfelde. Eine praxisnahe Übung, wie sich später zeigen wird.

Mehr als 137.000 Kilometer

Jeden Tag legen die mehr als 100 Buslinien mehr als 137.000 Kilometer auf Hamburgs Straßen zurück. Die Fahrer müssen alle Fahrzeugtypen beherrschen, vom kleinen Stadtbus bis zum XXL-Modell. Größte Umgewöhnung für Einsteiger neben der schieren Größe: der ungewohnt späte Lenkradeinschlag. Wo normale Autofahrer schon Schweiß auf der Stirn hätten, weil die Bordsteinkante gefährlich nah kommt, fängt Busfahrer Erkan Açik erst an zu kurbeln. Vorderräder hinter dem Sitz machen es möglich, sind aber auch Übungssache. „Wir schwenken hinten bis zu 1,5 Meter aus, vorn müssen wir die breiten Rückspiegel im Blick haben, das ist wichtig beim Einlenken“, sagt er. Gerade bei Hamburgs Spezialität, den 25 Meter langen Doppelgelenkbussen, den längsten „Niederflurbussen“ der Welt. Die werden zwar bald ausrangiert, dafür ist das 21 Meter lange Nachfolgemodell, in dem er heute unterwegs ist, nur unwesentlich weniger sperrig.

In diesen 400.000 bis 500.000 Euro teuren Modellen hat man es als Busfahrer recht gemütlich. Alles lässt sich auf die persönlichen Höhen- und Breitenvorlieben einstellen. Damit man das Pult mit den vielen Knöpfen für Feststellbremse, Türen, Kameras oder Fahrkartencomputer gut im Blick hat. Sechs Tage wird bei der Hochbahn am Stück im Schichtbetrieb gearbeitet, „der erste Fahrer verlässt um 3.33 Uhr den Hof“, sagt Açik. Dafür gibt es im Anschluss aber auch drei Tage frei. „Trotzdem muss man das wollen.“

Meist sind etwa 70 Fahrstunden nötig

Drei Monate dauert die Ausbildung, für Inhaber des Lkw-Führerscheins sogar nur zwei, meist sind etwa 70 Fahrstunden nötig, bis die Prüfung abgelegt werden kann. Wie beim normalen Führerschein müssen mit dem Bus auch Stadt-, Überland-, Autobahn- und Nachtfahrten absolviert werden. 90 Prozent der angehenden Busfahrer bestehen beim ersten Mal. Auch, weil Fahrlehrer Açik mit ihnen in Ottensen oder Winterhude testet. Denn: „Wer es in Altona schafft, schafft es überall.“

Ein guter Busfahrer muss aber mehr können, als unfallfrei durch Kurven zu lenken oder die ganzen Knöpfe in der richtigen Abfolge zu bedienen. Die eigentliche Probe sei, den Bus auch voll beladen im Griff zu haben. Bis zu 130 Menschen passen in das derzeit größte Modell, da wird es gern unübersichtlich. Denn Fahrgäste wollen meist nicht nur Tickets kaufen oder Fahrscheine vorzeigen, sondern auch Aufmerksamkeit, und zwar die von der guten Sorte. Gebot Nummer eins lautet in der Hochbahnfahrschule deshalb: nicht zu ruppig, nicht zu langsam, sondern immer schön geschmeidig. „Fahrgastfreundliches Fahren“, nennt es Açik.

Fahrerische Herausforderungen

Die fiesen Ecken der Stadt, dort, wo Radfahrstreifen kaum Platz lassen oder geparkte Autos die Fahrbahn künstlich verengen, wo Kurvenwinkel spitz und andere Verkehrsteilnehmer stumpf sind, liegen die fahrerischen Herausforderungen. Geübtes Slalomfahren ist da hilfreich. Die Linie 109 etwa sei anspruchsvoll. „Mittelweg, Alsterdorfer Straße – wenn da munter in zweiter Reihe geparkt wird, wird es eng.“ Ein rabiater Fahrstil hilft da nicht weiter. Da ist Umsicht gefragt. Und Geduld. Denn trotz Busbeschleunigungsprogramm verbringt auch der beste Busfahrer mal Zeit im Stau, wird zum Bussteher.

Nur noch selten kommt Açik dazu, seine Lieblingslinie, die 39, selbst zu steuern. Dabei mag er den fast zweistündigen Ritt durch die Stadt von Teufelsbrück über den Flughafen bis zum Wandsbeker Markt. „Die Linie 5 finde ich auch immer interessant“, sagt Açik. Wegen der vielen Leute. Aber auch da ist Açik nur noch zu Ausbildungszwecken unterwegs. Denn hauptsächlich widmet er sich der Fahrerzukunft. Damit sie die Herausforderungen des Großstadtbusfahrens meistert. Und weiß, dass man einen zweiten Mann anrufen muss, falls man mal rückwärts fahren will. „Das Ende des Busses“, sagt Açik, „sieht man vom Fahrersitz nämlich nicht.“