Hamburg. Stützung der maroden Kaimauern könnte laut einem vertraulichen Gutachten bis zu 130 Millionen Euro kosten. Kritik von der Linken.

Der Verfall der Kaimauern und Uferanlagen wird zunehmend zu einem Sicherheitsrisiko. Immer häufiger kommt es zu Absperrungen wegen nicht mehr tragfähiger Mauern. Anfang Dezember hatte es einen tragischen Vorfall am Hans-Leip-Ufer in Teufelsbrück gegeben, wo ein 50-Jähriger zusammengebrochen war. Die an dem gefährdeten Abschnitt aufgestellten Poller behinderten die Rettungskräfte. Der Mann starb später im Krankenhaus.

Besonders gravierend sind die Schäden an den Kaimauern in der Speicherstadt. 2,6 Kilometer Kaimauern sind hier so stark beschädigt, dass sie dringend saniert werden müssen. Andernfalls drohen die historischen Gebäude abzusacken. Die Kosten dürften, wie sich jetzt herausstellt, weit höher liegen als bisher angenommen. In einer Senatsdrucksache zur Entwicklung der Speicherstadt von Ende 2012 ging der Senat noch von 29,3 Millionen Euro für die Sanierung aus.

Kosten könnten drastisch steigen

Vertrauliche Planungsunterlagen, die dem Abendblatt vorliegen, zeichnen mittlerweile ein anderes Bild. Laut einer Präsentation, die die Unternehmensberatung Ramboll bei einem „Jour fixe“ aller beteiligten Behörden mit der Realisierungsgesellschaft (ReGe) und der Hamburg Port Authority (HPA) vorstellte, könnten die wahren Kosten auf mehr als das Vierfache steigen. 129 Millionen Euro würde die von vielen Beteiligten bevorzugte, aber auch teuerste Lösung kosten. Dabei würde die Fleetsohle in einigen Bereichen um rund einen halben Meter angehoben, an einigen Stellen sollen die Mauern durch „Mikropfähle, Winkelstützwände und landseitige Spundwände“ stabilisiert werden.

Andere in dem Gutachten vorgestellte Sanierungskonzepte sind weniger kostenträchtig, die günstigste Variante würde aber immer noch mit 75 Millionen Euro zu Buche schlagen. Die Höhe der Kosten hängt auch davon ab, wie viel Wert bei der Sanierung auf Aspekte des Denkmalschutzes gelegt werden.

Kaimauern sind zum Teil älter als 100 Jahre

Die Kaimauern in der Speicherstadt sind zum Teil älter als 100 Jahre. Bisher wurden Schäden nur punktuell ausgebessert. Seit Sommer 2016 soll eine behördenübergreifende Arbeitsgruppe unter Führung des Landesbetriebs Immobilienmanagement und Grundvermögen (LIG) das Problem systematisch angehen – und die grundlegende Sanierung in die Wege leiten. „Dieser Aufgabe stellt sich der Senat ebenso wie bei der Sanierung von Straßen und Brücken, von Schulen und anderen öffentlichen Gebäuden, die in den vergangenen Jahrzehnten nicht sachgerecht erfolgt ist“, sagte der zuständige Finanzsenator Peter Tschentscher (SPD).

Aus seiner Behörde heißt es: „Die Entscheidung, welche Sanierungsmaßnahmen jeweils zum Einsatz kommen, ist von den baulichen Gegebenheiten abhängig. Die Kosten einer systematischen Sanierung der inneren Speicherstadt stehen noch nicht fest, können aber eine Höhe von über 100 Millionen Euro erreichen.“ Ziel sei es, „dass in den nächsten 50 bis 80 Jahren keine größeren Instandhaltungsmaßnahmen mehr erforderlich werden“. Beginnen sollen die Sanierungsarbeiten im Jahr 2019. Die Bauzeit solle etwa fünf Jahre betragen.

Senat soll einen Überblick bekommen

„Darüber hinaus soll das Projekt ein zukunftsfähiges Konzept zur verkehrlichen Erschließung entwickeln, das der veränderten Nutzung der Speicherstadt Rechnung trägt“, so die Finanzbehörde. „Die ursprüngliche Hafennutzung gibt es nicht mehr, heute sind dort vor allem Büros, Gastronomie, Kultur- und Freizeiteinrichtungen angesiedelt.“

Die Projektgruppe, in der neben Senatskanzlei, Wirtschafts- und Kulturbehörde auch das Bezirksamt Mitte, HHLA, ReGe und Unternehmensberater vertreten sind, soll außerdem ein „Register der Uferbefestigungen außerhalb des Hafengebiets“ erstellen – damit der Senat einen Überblick über weitere notwendige Sanierungen bekommt.

Linke fordert Sanierung im gesamten Hafen

Für den Linken-Bürgerschaftsabgeordneten Norbert Hackbusch tut der Senat seit Jahren zu wenig bei der Sanierung der Kaimauern. Das Ganze zeige „exemplarisch, dass das große Versprechen von Bürgermeister Scholz, die Sanierungsarbeiten in der Stadt angegangen zu sein, nicht stimmt“, so Hackbusch. „Die Kaimauern in der Speicherstadt sind nur die Spitze des Eisbergs. Die unterspülten Kaimauern im Bereich des Altonaer Fischmarkts, des Zollkanals, des Steendieks in Finkenwerder und anderswo zeigen ein dramatisches Sanierungsdefizit, das durch die verschleppte Sanierung besonders teuer wird.“

Heute debattiert die Bürgerschaft einen Antrag der Linken zum Thema. Darin fordern sie die Erstellung einer „systematischen Zustandsbeschreibung“ für die Kaimauern der Speicherstadt und im Hafen. Zudem solle der Senat einen „Finanzierungsplan für sämtliche Sanierungsmaßnahmen“ vorlegen.

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