Hamburg. 80 Hinweise auf mutmaßliche Straftäter seien bislang eingegangen. Die Linke übt scharfe Kritik an der historischen Aktion der Polizei.

Die Polizei hat am Dienstagnachmittag versichert, dass ihre historische Aktion schon jetzt erfolgreich ist: Nach der Veröffentlichung von 104 Fotos zu mutmaßlichen Randalierern und Plünderern bei den G-20-Krawallen im Juni gingen bereits 80 Hinweise ein – zudem stellte sich ein 29-jähriger Mann aus Nordrhein-Westfalen den Beamten, der nach eigenen Angaben an der Plünderung eines Supermarkts im Schanzenviertel beteiligt war. Am Mittwoch veröffentlichte die Polizei Bilder von drei weiteren Tatverdächtigen. Kritik an der Öffentlichkeitsfahndung wies Polizeisprecher Timo Zill zurück: „Wir halten uns an die rechtlichen Möglichkeiten.“

Die Resonanz außerhalb des Polizeipräsidiums war nicht durchweg positiv. Die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion in der Bürgerschaft, Christiane Schneider, hatte bereits unmittelbar nach Veröffentlichung der Bilder von einem „stigmatisierenden“ Schritt der Polizei gesprochen – sogar als „Menschenjagd“ betitelte sie die groß angelegte Öffentlichkeitsfahndung in der Folge.

CDU wirft Linke "unerträgliche Entgleisung" vor

Die Äußerungen riefen insbesondere bei der CDU sofort Empörung hervor. Die Kritik sei eine „unerträgliche Entgleisung“, sagte der innenpolitische Sprecher der Fraktion, Dennis Gladiator – und legte Schneider indirekt einen Rücktritt nahe: „Ob ein derart gestörtes Verhältnis zum Rechtsstaat mit ihrem Abgeordnetenmandat vereinbar ist, muss Frau Schneider selbst beurteilen. Mit dem Amt der Vizepräsidentin eines Landesparlaments ist dies jedenfalls nicht vereinbar“, so Gladiator.

Leitartikel: Wenn der Staat versagt

Die Polizei hatte mit der Veröffentlichung der Fotos aus den Krawalltagen – sortiert in insgesamt fünf Themenkomplexe, darunter Flaschenwürfe und Plünderungen – bundesweit ein gemischtes Echo hervorgerufen. Am Dienstag ging der Moderator und umstrittene Satiriker Jan Böhmermann die Polizei per Twitter direkt an: „Hoffentlich täuscht der Eindruck, dass die unseriöse #G20FAHNDUNG der @PolizeiHamburg politisch statt strafrechtlich motiviert ist.“

Der CDU-Landesgruppenchef im Deutschen Bundestag, Alexander Dobrindt, stellte sich hinter die Aktion. Das sei „die richtige Antwort auf die brutalen Gewalttäter“, sagte er. „Wer die Öffentlichkeitsfahndung für verfehlt hält, stellt offensichtlich den Täterschutz vor den Opferschutz.“

Polizei: Richterlicher Beschluss für jedes Foto

Auch der CDU-Bundestagsabgeordnete Armin Schuster verteidigte die Maßnahme der Ermittler. Die Strafprozessordnung erlaube eine Öffentlichkeitsfahndung, wenn zuvor alle Schritte zur Identifizierung einer Person erfolglos blieben und wenn es um Straftaten von erheblicher Bedeutung gehe. Dies habe die Staatsanwaltschaft sorgfältig abgewogen, Richter hätten der Maßnahme zugestimmt.

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G20: Schwarzer Block im Bereich der Elbchaussee

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    Die Pressestelle der Polizei betonte, dass jedem einzelnen veröffentlichten Bild ein richterlicher Beschluss zugrunde liege. Um die Fotos im Rahmen einer Öffentlichkeitsfahndung veröffentlichen zu dürfen, muss ein Richter das Vorliegen einer „erheblichen Straftat“ bejahen – zudem muss die Polizei nachweisen, dass es keine anderen Ermittlungsansätze gibt.

    Befürworter der Öffentlichkeitsfahndung verweisen auf das enorme öffentliche Interesse und die erheblichen Zerstörungen beim G20-Gipfel, etwa am Morgen des 7. Juli an der Elbchaussee und am Abend desselben Tages im Schanzenviertel. „Es ist wahrlich nicht die Polizei, die sich bei den gewalttätigen Ausschreitungen kriminalisiert hat, sondern es sind die gewalttätigen Chaoten, die sich selbst mit ihren widerlichen Taten kriminalisiert haben“, so der CDU-Innenexperte Dennis Gladiator.

    Viele Gelegenheitstäter unter den Randalierern

    Die Soko „Schwarzer Block“ hatte nach den Krawallen im Juli eine gigantische Sammlung an Beweismaterial zusammengetragen: Insgesamt 13 Terabyte an Daten, darunter 25.000 Video- und Bildaufnahmen. Mehr als 3000 Verfahren wegen Landfriedensbruchs, Brandstiftung, Körperverletzung und weiterer Delikte wurden bereits eröffnet.

    Die nun veröffentlichten Fotos zeigen auffällig viele schlecht oder kaum Vermummte, die sich möglicherweise spontan an der Randale beteiligten. Einen großen Teil der Täter vermuten die Ermittler im restlichen Bundesgebiet und dem Ausland.

    Die Polizei ist von der Notwendigkeit der Öffentlichkeitsfahndung überzeugt. Wie Sprecher Timo Zill ankündigte, könnten im kommenden Jahr weitere Fotos von mutmaßlichen Tätern veröffentlicht werden. Die Beamten der Soko richten sich auf langwierige Ermittlungen ein, um auch professioneller vorgehende Täter aus dem Ausland noch ausfindig zu machen.

    Große Hoffnungen setzt die Polizeiführung auf den Einsatz einer Gesichtserkennungssoftware, die weitere Tatverdächtige identifizieren soll. Ab Januar soll das Instrument verstärkt zum Einsatz kommen.

    Parallel zu der Suche nach den Randalierern ermittelt das Dezernat Interne Ermittlungen in 115 Fällen gegen Polizisten, denen Übergriffe auf Demonstranten vorgeworfen werden.

    Weitere Videos der Polizei zur G20-Fahndung:

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    Straftaten des Schwarzen Blocks bei "G20 NotWelcome!"

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      G20: Plünderungen von Geschäften auf der Sternschanze

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        G20: Straftaten im Bereich der Straße Rondenbarg

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          Stein- und Flaschenwürfe bei Anti-G20-Protesten

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