Hamburg. Auch ein Freund des Verstorbenen, der ebenfalls in einem der beiden Taxis saß, schildert, wie es ihm nach dem Unfall erging.
Als sein bester Freund John B. gestorben ist und die Trauerfeier für den 22-Jährigen abgehalten wurde, konnte Sebastian Z. nicht dabei sein. „Da war noch nicht einmal klar, ob ich überhaupt überlebe“, sagt der Hamburger. Denn die beiden jungen Männer haben gemeinsam in einem Taxi gesessen - und dem Tod ins Auge gesehen. Mit extrem überhöhter Geschwindigkeit war ein anderer Wagen frontal auf das Auto zugerast und mit zerstörerischer Wucht mit ihrem Fahrzeug kollidiert. John B. starb noch an der Unfallstelle. Sebastian Z. überlebte mit viel Glück.
Jetzt sitzt der 26-Jährige als Zeuge im Prozess gegen den Mann, der das tödliche Verkehrsunglück vom 4. Mai am Ballindamm verursacht hat, und erzählt von Schmerzen und Verlust. Und er erzählt von John B., mit dem er in einer Wohngemeinschaft gelebt und mit dem er in einer Bar zusammengearbeitet hat. John B., sagt der 26-Jährige, sei ein „sozialer Magnet gewesen. Er hat es geschafft, den sozialen Klebstoff herzustellen zwischen Menschen, die sonst nie zusammengekommen wären.“ Der Mutter von John gehe es „furchtbar. Ihr wurde alles entrissen, was sie geliebt hat, was ihr Leben schön gemacht hat“, erzählt der Zeuge. „John war einfach ein guter Mensch.“
An den Unfall hat er keinerlei Erinnerung
Sebastian Z. selbst hat fast vier Monate in Krankenhäusern verbringen müssen. Unter anderem hatte er lebensbedrohliche Kopfverletzungen und etliche Knochenbrüche erlitten. An den Unfall hat er keinerlei Erinnerung. „Mir ging es schlecht“, sagt der 26-Jährige. Nach einem Hirntrauma habe er erhebliche neurologische Probleme gehabt, teilweise „wirre Geschichten“ erzählt. Allerdings habe es sich „körperlich zu meinem Glück enorm schnell nach vorne entwickelt“. Ihm werde aber gesagt, „dass ich weniger froh und glücklich bin“.
Der Angeklagte Ricardas D. bekommt all dies übersetzt. Dem jungen Litauer ist keine Regung anzumerken, mit unbewegtem Gesicht sitzt der 25-Jährige da, den Kopf gesenkt, starr. Ricardas D. wird unter anderem Mord vorgeworfen, weil der mit rund 1,2 Promille alkoholisierte Mann, der keinen Führerschein hat, laut Staatsanwaltschaft „rücksichtslos gefahren“ sei und den Tod anderer „billigend in Kauf genommen“ habe. Ricardas D. hatte über seinen Verteidiger am ersten Verhandlungstag erklärt, er sei „unglaublich erschrocken“ gewesen, als er erfuhr, dass durch sein Verhalten ein Mensch zu Tode kam und zwei weitere schwer verletzt wurden.
Alpträume quälten den Taxifahrer
Taxifahrer Mehmet Y. hatte Glück, dass er den schweren Verkehrsunfall überlebte. „Mit einem mal, nach zehn oder zwölf Sekunden, war schon die Fahrt zu Ende“, schildert der 57-Jährige. Er könne sich noch „an ein leicht verschwommenes Standbild erinnern“. Darin sieht er, wie ein Wagen auf seinen zurast. Wenig später kam er kurz zu sich und spürte, dass er im Fahrzeug eingeklemmt war. „Ich war hilflos.“ Und er bekam mit, wie jemand über einen seiner Fahrgäste gesagt habe: „Der ist exitus.“ Danach habe er vier bis fünf Tage starke Alpträume gehabt. „Ich habe von Massen von Toten geträumt, von Leichen.“ Heute gehe es ihm besser. Mehmet Y. hofft, spätestens im Februar wieder Taxifahren zu können.
Doch bis dahin war es ein langer Weg. Fast vier Wochen war der 57-Jährige im Krankenhaus. Finanziell habe er dadurch, dass er über Monate nicht arbeiten kann, etwa 60.000 Euro Verlust gemacht. Dass er so schwer verletzt war, habe auch seiner Familie stark zugesetzt, erzählt Mehmet Y. „Das war schlimm für alle.“ Der Prozess wird fortgesetzt.