Hamburg. Zahl ist stark gestiegen: vor allem osteuropäische Obdachlose meist mit Vierbeinern unterwegs. Bei Bezirksamt häufen sich Beschwerden.

Es ist noch dunkel, wenn sich die Männer morgens unter der Fußgängerbrücke zwischen Dammtorbahnhof und Cinemaxx versammeln. Sie sprechen laut miteinander und kommen, so lässt es der Klang ihrer Sprache vermuten, aus Osteuropa. Ein paar Hunde sind dabei und erledigen ihr Geschäft auf dem kleinen Stück Gras unter der Brücke, bevor Menschen und Tiere Richtung Stephansplatz und Innenstadt ziehen. Die Hunde sind meist klein und zierlich und tragen Hundemäntel, die sie vor der Kälte schützen sollen.

Bei leichtem Schneeregen und Temperaturen kurz über dem Gefrierpunkt sitzen sie später an Ladenecken oder unter Regenschirmen Stunde für Stunde am Straßenrand. Alle paar Dutzend Meter hält ein Mann ein süßes Hündchen im Arm. Viele haben ein ähnlich gestaltetes Pappschild vor sich, auf dem sie um Hilfe bitten.

Geld statt Futterspenden

Deutsch verstehen sie offenbar nicht, die Frage nach ihrer Herkunft aber schon: „Slowakei“, sagt ein mittelalter Mann mit Dreitagebart, der einen schwarz-weiß gefleckten Hund mit spitzer Schnauze in einer Fleecedecke im Arm hat. Etwas weiter sitzt ein hellbrauner Hund im Hundeoverall neben einem Mann, der, wie er sagt, ebenfalls aus der Slowakei kommt. Vor dem Tier steht ein metallener Napf mit Trockenfutter – denn natürlich soll der Hund den Passanten Geld aus der Tasche ziehen und sie nicht etwa animieren, Futter zu spenden.

Dass osteuropäische Bettler Hunde für ihr Geschäft einsetzen, ist nicht neu. Doch in diesem Jahr scheinen es besonders viele zu sein. „In der Tat gibt es in der Innenstadt zurzeit mehr Bettler mit Hunden und auch mehr Beschwerden aus der Bevölkerung als sonst, insbesondere am Dammtorbahnhof“, heißt es aus dem Bezirksamt Hamburg-Mitte. Die Männer aus den osteuropäischen EU-Ländern dürften sich im Rahmen der Reisefreiheit legal hier aufhalten. Das werde stichprobenweise, besonders in der Weihnachtszeit, überprüft – was auch den Hunden zugutekomme.

Angewiesen auf Hinweise

„Durch unsere Kontrollen in den letzten Jahren haben wir erreicht, dass die überwiegende Anzahl der Hunde gechipt und ordnungsgemäß gegen Tollwut geimpft sind. Es finden sich auch kaum noch sehr junge Welpen, die für die Bettelei ,benutzt‘ werden“, sagt Sorina Weiland, Sprecherin des Bezirksamts. Den Hunden stehe in der Regel Wasser und Futter zur Verfügung, sie würden spazieren geführt und könnten auf Decken liegen. Ob manchen von ihnen Betäubungsmittel verabreicht werden, wie im vergangenen Jahr in München geschehen, ist nicht bekannt. „Bisher konnten unsere Veterinäre keine Sedierung von Hunden nachweisen“, so Sorina Weiland.

Da die Behörden aber nur Verdachtsfällen nachgingen, wären sie auf konkrete Hinweise aus der Bevölkerung angewiesen. Ob da ein Obdachloser seinen geliebten Hund dabeihat oder ein Bettler einen Hund für sein Geschäft missbraucht, ist nicht einfach zu erkennen. Sven Fraaß vom Hamburger Tierschutzverein verrät, auf welche Anhaltspunkte man achten sollte: Wie benimmt sich der Hund? Liegt er apathisch herum, oder ist er entspannt? Wirkt er deplatziert? Wie scheint das Verhältnis zwischen Hund und Besitzer? Gibt es eine Distanz, oder scheint sie innig zu sein? „Ist der After verklebt, starrt der Hund mit leerem Blick in die Gegend, ist das kein gutes Zeichen“, so Fraaß. Wer meine, einem Hund gehe es schlecht, solle die Polizei verständigen.

Osteuropäer lehnen ärztliche Versorgung ihrer Hunde oft ab

Grundsätzlich sind Tierschützer dagegen, wenn Hunde zum Betteln benutzt werden und stundenlang in der Kälte ausharren müssen. „Das hat in den vergangenen Jahren zugenommen, und es steckt viel Tierleid dahinter“, so Fraaß. Häufig würden die Hunde sogar von der Behörde beschlagnahmt und landeten im Tierheim. „Viele sind unterernährt, schwach und sehr jung.“

Während die „einheimischen“ Obdachlosen ihre Hunde sehr gut behandeln, beobachtet Roland Wartenberg, Geschäftsführer des DRK Wandsbek, dass unter den Osteuropäern manche sehr grob mit den Tieren umgehen – besonders unter Alkoholeinfluss. Er weiß, wovon er redet, denn er und seine Mitarbeiter sind an mindestens zwei Abenden pro Woche in der Mönckebergstraße, um dort Obdachlose zu versorgen.

Einmal im Monat ist eine Tierärztin dabei, die Hunde bei Bedarf untersucht. „Sind sie so krank, dass sie zur Behandlung in ihre Praxis müssen, übernehmen wir die Kosten“, sagt Wartenberg. Hundehalter aus Osteuropa lehnten eine stationäre Behandlung oft ab. „Viele wollen offenbar keine Kon­trolle, denn natürlich werden alle Hunde auf Chips überprüft.“

Sind die Hunde angemietet?

Weil die Konkurrenz auf der Straße groß ist – aber vielleicht auch ihrer Tierliebe wegen – beobachten viele „Hinz& Kunzt“-Verkäufer die osteuropäischen Hunde-Bettler skeptisch. Einer von ihnen will von Kollegen, die am Hauptbahnhof schlafen, gehört haben, dass die Hunde morgens mit einem Auto geliefert würden. „Das sind nicht deren Hunde, die sind angemietet“, meint er. Dort, wo er stehe, trauten sich diese Männer aber nicht hin, „die wissen ganz genau, dass ich das nicht dulde“. Einmal hätten sie sogar einem Mann seinen Hund weggenommen, weil er ihn geschlagen und schlecht behandelt habe.