Hamburg . Weniger osteuropäische Obdachlose in Hamburger Unterkünften. Sozialbehörde sieht darin Erfolg ihrer Beratungsarbeit.

Das Winternotprogramm für Obdachlose in Hamburg hat freie Kapazitäten. Während die begehrten Betten in den vergangenen Jahren rar waren, heißt es nun in der Sozialbehörde: „In den beiden staatlichen Standorten gibt es freie Plätze.“ Die Behörde bezieht sich auf aktuelle Informationen des Trägers „Fördern & Wohnen“. Er betreibt die beiden Unterkünfte an der Münzstraße und am Schaarsteinweg.

Von den 940 im Winternotprogramm zusätzlich bereitgestellten Plätzen sollen rund 150 frei sein. Zum Jahresende 2016 lag die Auslastung bei 80 Prozent. Ein Grund für den Rückgang: Nach den Feiertagen sinkt das Interesse der Obdachlosen, einen Schlafplatz in Anspruch zu nehmen. Die Sozialbehörde geht zudem davon aus, dass diese Entwicklung vor allem der gewünschte Effekt einer intensiveren staatlichen Beratungsarbeit ist.

Sozialsenatorin Melanie Leonhard (SPD) hatte im Herbst angekündigt, nicht nur 940 zusätzliche Plätze für obdachlose Menschen zur Verfügung zu stellen. Zusätzlich investierte die Stadt mehr als bisher in die Sozialberatung – mit dem Ziel, Wege aus der Obdachlosigkeit zu finden und Missbrauch zu verhindern.

205 Obdachlose sind in ihr Land zurückgekehrt

Im Gegensatz zu anderen Programmen in Deutschland ist das Hamburger Winternotprogramm daher mit einer Sozial- und Verweisberatung verknüpft. Inzwischen haben rund 380 Menschen das Winternotprogramm wieder verlassen. Dazu zählen 205 Personen, die nach der Beratung ihre Rückreise ins Heimatland angetreten haben.

Immerhin stammen rund 60 Prozent der Übernachtenden aus ost- und südosteuropäischen Staaten, 55 Prozent davon aus Polen, Rumänien und Bulgarien, 30 Prozent aus afrikanischen Ländern. Nur neun Prozent der Teilnehmer des Winternotprogramms kommen aus Deutschland. Die 205 Osteuropäer hätten keine Ansprüche auf Sozialleistungen und eine staatliche Unterbringung gehabt, sagte Behördensprecher Marcel Schweitzer. Mehr noch: 35 weitere Personen haben sich wegen eines eigenen Verdienstes inzwischen in ein Hostel eingemietet. 139 Asylbewerber wurden an die Zentrale Erstaufnahme verwiesen.

Hamburger Winternotprogramm besonders gut

Weil das Hamburger Winternotprogramm als das beste in ganz Deutschland gilt, reisen immer mehr Obdachlose in die Hansestadt, um hier zu „überwintern“. Das Winternotprogramm wird auch von Menschen genutzt, die in Hamburg einer Beschäftigung nachgehen und im Heimatland oder in anderen deutschen Städten über eigenen Wohnraum verfügen. Um den Fortbestand des Projekts als niedrigschwelliges Übernachtungsangebot zu erhalten, hatte die Sozialbehörde mit ihren Partnern die Beratungsarbeit intensiviert. Die Stadt will damit härter gegen Bettler aus Osteuropa, insbesondere Rumänen, vorgehen und den Missbrauch des Winternotprogramms stoppen.

Zu den Partnern zählen auch Kirchengemeinden und Diakonie. Rund 130 Schlafplätze in Wohncontainern sind über das gesamte Stadtgebiet in Kirchengemeinden, bei der Hochschule für Angewandte Wissenschaften und bei der Evangelischen Hochschule für Soziale Arbeit und Diakonie am Rauhen Haus verteilt. Wie in der Rahlstedter evangelischen Martinsgemeinde werden die Übernachtenden von ehrenamtlichen Helfern betreut. Die Plätze in den Kirchengemeinden werden von der Sozialbehörde finanziell anteilig gefördert.

Die Teilnehmer des Winternotprogramms sind auf dem Gelände der Kirchengemeinden in gut ausgestatteten Wohncontainern untergebracht. Während es in den staatlichen Angeboten jetzt zu freien Kapazitäten kommt, gibt es bei Kirche und Diakonie jedoch eine volle Auslastung von 100 Prozent. Daran habe sich nichts geändert, sagt Diakoniesprecher Steffen Becker. „Wir gehen nicht davon aus, dass sich die Zahl der Obdachlosen in Hamburg verringert hat.“

Lebenserwartung liegt bei 46,5 Jahren

Erst vor Kurzem hatte die Diakonie das Vorgehen der Sozialbehörde kritisiert. Die Stadt dürfe nicht riskieren, dass es auch nur einen Kältetoten gibt – aus welchem Land auch immer, sagte Diakoniechef Dirk Ahrens. Aus der Adresse im Ausweis zu schließen, der Mensch sei nicht obdachlos, sei „fahrlässig“, ergänzte Dirk Hauer, Diakonie-experte für Existenzsicherung.

Wer auf der Straße lebt, ist vielfältigen Risiken ausgesetzt. Obdachlose leiden im Durchschnitt an vier Erkrankungen; ihre Lebenserwartung liegt bei 46,5 Jahren. Haupttodesursachen sind mit 24,6 Prozent Drogen und Alkohol, gefolgt von Herz- und Gefäßerkrankungen (16,9 Prozent) und Infektionen (14,5 Prozent).