Hamburg. Cellist Daniel Müller-Schott muss Konzert der Dresdner Philharmonie retten. Schumanns Beziehung zum Rheinland im Zentrum.

Nette Idee von der Reihe Pro Arte, das Konzert der Dresdner Philharmonie in der Elbphilharmonie ausgerechnet mit Hinweis auf die sogenannte fünfte Jahreszeit anzumoderieren. Nur: die fünfte bitte was? Das ist doch nicht das Rheinland hier! Und Hamburg und der Karneval, das ist eine ganz traurige Geschichte.

Aber auch ohne den Zusammenhang mit lokalem Brauchtum wirkte die Dramaturgie erst einmal erfreulich konzis. Schumanns Beziehung zum Rheinland stand im Zentrum des Programms. An den Anfang hatte der Chefdirigent Michael Sanderling Auszüge aus „Carnaval“ gestellt. Die überaus geistreichen Miniaturen sind original für Klavier. Sanderling dirigierte eine Bearbeitung von Alexander Glasunow mit ordentlich Triangel-Geklingel und Ufftata und einer harfenumsäuselten Klarinettenmelodie, wie sie Schumann allenfalls als Parodie in den Sinn gekommen wäre. Was ja zu Karneval nicht ganz fernliegt.

Es fehlte an artikulatorischem Biss

Vielleicht hat Glasunow, der alte Klang-Junkie, aber auch etwas zu tief in den Schmalztopf gegriffen. Oder sollte Schumann etwa nicht so ganz Sanderlings Ding sein? Dieser Eindruck beschlich den Hörer zunehmend bei der „Rheinischen“ Sinfonie. So waldromantisch die Hörner klangen, so bewegt und lebendig die Bässe agierten, insgesamt fehlte es an dynamischen Kontrasten und artikulatorischem Biss.

Bei Schumanns Kompositionsweise ist das tödlich, na ja, fast: Immer lässt er Motive durch die Mittelstimmen wuseln, verschiebt mal kurz eine Betonung oder verhäkelt eine Gegenbewegung mit der anderen. Wenn man das nicht mit feinem Besteck herauspräpariert, kommt Brei heraus. Kam es leider auch an diesem Abend, von diversen rhythmisch unscharfen Passagen zu schweigen. Zumal von Sanderling einfach nichts Bezwingendes ausging. Ein freundlicher Gentleman dirigierte da.

Kammermusikalische Avancen

Der Lichtblick an diesem lauwarmen Abend war der Cellist Daniel Müller-Schott. Der absolvierte das Schumann-Konzert, für den Solisten ein knapp halbstündiger Dauereinsatz, mit glutvollem Ton und vollkommen unbeeindruckt von den haarsträubenden Läufen und Intervallsprüngen seines Parts. In den ersten Minuten wirkte er noch, als müsste er das ganze Orchester auf seinen Schultern schleppen wie Atlas die Welt. Aber die Musiker ließen sich zunehmend auf seine kammermusikalischen Avancen ein. Hinreißend das Duo mit dem Solocellisten des Orchesters im langsamen Satz, jede kleine Wendung phrasierten sie gemeinsam.

Die Zugabe hatten die Künstler schon gleich mit aufs Programm gesetzt: Dvoráks schmissige Konzertouvertüre „Karneval“. Der Applaus blieb trotzdem seltsam verhalten. Und das lag, so viel sei zu ihrer Ehrenrettung gesagt, nicht am speziellen Verhältnis der Hamburger zum Karneval.