Hamburg. Defizit der Kirche könnte 2021 bei 353 Millionen Euro liegen. Unternehmensberater empfiehlt, katholische Schulen zu schließen.
Das Erzbistum Hamburg steckt in einer schweren Finanzkrise. Bereits vor einem Jahr hatte das Abendblatt berichtet, dass es eine Deckungslücke von fast 30 Millionen Euro in den kommenden drei Jahren geben werde.
Jetzt aber ist alles noch viel schlimmer. „Die wirtschaftliche Situation ist schlechter als bisher angenommen“, sagte Erzbistumssprecher Manfred Nielen am Dienstag. Die Überschuldung liege derzeit bei knapp 80 Millionen Euro. Und sie werde auf rund 353 Millionen Euro im Jahr 2021 steigen, wenn es so weiterläuft wie bisher. Deshalb werde im Erzbistum Hamburg (zu dem neben der Stadt auch das Bundesland Schleswig-Holstein und ein ein Teil Mecklenburg-Vorpommerns gehört) mit Nachdruck an Entscheidungen gearbeitet, kündigte Generalvikar Ansgar Thim an.
Unternehmensberater haben Erzbistum untersucht
Am Tag zuvor hatte das Erzbistum mit dem Gestus einer offensiven Informationspolitik die wesentlichen Erkenntnisse der Unternehmensberatung Ernst & Young veröffentlicht. Die Finanzexperten hatten die Verwaltungsstukturen, die Ausgaben und Einnahmen drei Monate lang unter die Lupe genommen. Das Urteil fiel negativ aus: Selbst mit den bereits ergriffenen und geplanten Maßnahmen könnten die Schulden nur um 32 Millionen Euro reduziert werden. Dazu gehören beispielsweise die Zusammenlegung der bestehenden drei Caritasverbände, die Erhöhung des Schulgeldes an den katholischen Schulen sowie ein sozial verträglicher Stellenabbau im Generalvikariat.
Die Finanzprobleme wurden dem 1995 neu gründeten Erzbistum Hamburg offenbar bereits in die Wiege gelegt. Die Unternehmensberater stellten fest, dass es schon mit der Gründung Altlasten übernommen habe, die danach nicht abgebaut worden seien. „Das Erzbistum hat auch ohne Betrachtung der Altlasten über seine Verhältnisse gelebt“, betonen die Finanzexperten. „Zumindest wurde eine nachhaltige Aufstellung (u. a. Immobilien) dem Erhalt und dem Ausbau des Status quo untergeordnet.“ So gibt es nun einen Investitionsstau bei vielen der rund 1000 Kirchen und Gebäuden, darunter auch bei den weithin beliebten katholischen Schulen. Die Kosten werden auf 157 Millionen Euro geschätzt.
Prognose der Finanzprüfer ist düster
Dazu kommen die hohen und weiter steigenden Pensionsverpflichtungen für Mitarbeiter in den katholischen Schulen. Die notwendige Übernahme des Katholischen Schulverbands im Januar 2017 habe wegen „ungedeckter Pensionsverpflichtungen“ zu einer erheblichen zusätzlichen Belastung geführt. All das, resümiert der Finanzbericht, habe zu „unerkannten Fehlentwicklungen“ geführt.
Die Prognose der Finanzprüfer: Durch die aktuell anhaltende Niedrigzinsphase werden die Pensionsverpflichtungen von 2016 bis 2021 um 170 Millionen Euro ansteigen. Außerdem dürfte das Kirchensteueraufkommen durch die demografische Entwicklung schrumpfen. Die Experten rechnen dabei mit einem Rückgang von 26 Prozent bis zum Jahr 2050. Das seien rund 23 Millionen Euro.
Als Wege aus der Krise schlägt die Unternehmensberatung vor, in den Pfarreien weitere Gebäude aufzugeben sowie Schulen und soziale Einrichtungen zu schließen. In den Kitas, die größtenteils dezentral von den Pfarreien betrieben werden, müsse über eine Neuausrichtung der Betreiberstruktur nachgedacht werden.
„Lebendige Kirche mit weniger Geld“
Trotz der drastischen Bestandsaufnahme zieht die Diözese mit der Vorlage des Berichts ein optimistisches Fazit: „Bei einem gemeinschaftlichen Handeln kann die wirtschaftliche Überschuldung überwunden werden.“ Erzbischof Stefan Heße sieht das Ziel darin, „mit weniger Geld eine lebendige Kirche zu sein“.
Das Erzbistum Hamburg hatte im November einen inhaltlichen und wirtschaftlichen Erneuerungsprozess begonnen. Hintergrund waren die durch den demografischen Wandel sinkenden Kirchenmitgliederzahlen und die Überschuldung.
Die Katholiken müssen sich auf neue pastorale Räume einstellen. Aus den bislang 80 Pfarreien im Norden entstehen 28 neue territoriale Einheiten. Das Erzbistum Hamburg mit seinen 400.000 Mitgliedern ist das flächenmäßig größte in Deutschland. 144 Priester stehen im aktiven Dienst, 90 Geistliche leben im Ruhestand.