Hamburg. Wenn gar nichts mehr geht in einer Beziehung, ist ein klarer Stopp ganz sicher eine vernünftige Entscheidung.

Bis hierhin – und nicht weiter! Wenn gar nichts mehr geht in einer Beziehung, ist ein klarer Stopp ganz sicher eine vernünftige Entscheidung. Streng verordnete Distanz heißt dann die Devise, oft vom Gericht ausgesprochen, eine Art „Bannmeile“, die die Streithähne nicht unterschreiten dürfen. Das können zehn oder 50 oder 100 Meter sein.

Im Fall eines nun in bester Feindschaft getrennten Paares schienen gerade mal drei Meter ausreichend. Für Clemens N. (alle Namen geändert) und seine frühere Partnerin schien dies das Maß der Dinge zu sein, schließlich wollten sie beide nach der Beziehung ihre Ruhe und keinen Kontakt mehr. Doch das Leben hält sich nicht an ausgeklügelte Spielregeln. Es ist eine Ironie des Schicksals, dass ausgerechnet die mit den besten Absichten getroffene Vereinbarung eine zerstörerische Wirkung entfaltete – und nun vor dem Strafgericht endete.

Zufälliges Zusammentreffen

Stein des Anstoßes war ein zufälliges Zusammentreffen von Clemens N. und seiner Ex auf einem Feuerwehrfest am Hamburger Stadtrand im September vergangenen Jahres. Als der 31-Jährige meinte, seine frühere Freundin habe die vereinbarten drei Meter Abstand unterschritten, wollte er dies dokumentieren – mit einem Handyvideo. Doch sein fleißiges Filmen rief den neuen Partner der Frau auf den Plan. Martin D. schlug dem 31-Jährigen dessen Smartphone aus der Hand, es kam zu einem Gerangel, bei dem der Handy-Mann zu Boden ging.

War der Angriff auf Handy und dessen Besitzer gewissermaßen Notwehr und deshalb gerechtfertigt? So argumentiert der Verteidiger von Martin D. Immerhin seien durch den Film auf dem Smartphone die Persönlichkeitsrechte von dessen Lebensgefährtin verletzt, und das gehe auch ihren Partner etwas an, der ihr daraufhin zu Hilfe geeilt sei, so der Anwalt. „Ich fühlte mich durch das Filmen provoziert“, räumt der Angeklagte ein. „Was filmt der meine Frau?“

Streit aus dem Weg gehen

Als er seinem Widersacher das Handy aus der Hand schlug, habe er wohl „überreagiert“, meint der 46-Jährige heute. Schon mehrfach zuvor hat der Kfz-Mechaniker bewiesen, dass er leicht reizbar ist. Unter anderem wegen Körperverletzung und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte wurde er bereits dreimal zu Geldstrafen verurteilt. Auch sein neuestes Vergehen wurde bereits mit einer Geldstrafe geahndet, die der Hamburger jetzt mit der Berufung vor dem Landgericht anficht.

Opfer Clemens N. betont als Zeuge im Prozess, er habe seinerzeit jedem Streit aus dem Weg gehen wollen. Als er sah, dass sich nach dem Feuerwehrfest an der S-Bahn seine Ex-Freundin näherte, „blieb ich extra auf Abstand, um nicht zu provozieren“, erzählt der 31-Jährige. Doch dann sei die Frau in verdächtig kurzem Abstand vor ihm stehen geblieben. „Da habe ich angefangen, mit meinem Handy zu filmen, um den Verstoß zu dokumentieren.“ Gefühlt zwei Minuten richtete er sein Smartphone auf die Szene, bis Martin D. seinem Tun brachial ein Ende bereitete. Sein Handy sei durch den Aufprall auf dem Boden unbrauchbar geworden, erzählt der Geschädigte. „Unter anderem war das Display vollkommen zersplittert.“ Das ehemals 800 Euro teure Smartphone hatte einen Zeitwert von 400 Euro, hat der 31-Jährige recherchiert.

Filmen sei kein rechtswidriger Angriff

Den Willen, den Streit nunmehr gütlich beizulegen, zeigen Täter und Opfer noch im Gerichtssaal. Während der Strafverhandlung wird eine Vereinbarung erzielt, nach Martin D. seinem Widersacher als Entschädigung für das zerstörte Handy 300 Euro zahlt. Damit sind alle zivilrechtlichen Ansprüche erledigt. Auch strafrechtlich sei alles vom Tisch, meint der Verteidiger und fordert Freispruch. Weil die Partnerin von Martin D. „rechtswidrig angegriffen wurde“, so der Anwalt, habe der 46-Jährige sich gegen das Filmen wehren dürfen. „Ein Messer dürfte er aus der Hand schlagen. Bei einem Handy ist das nicht anders.“

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Bettina
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Abendblatt-Gerichtsreporterin Bettina Mittelacher schreibt jede Woche über einen außergewöhnlichen Fall © HA | Andreas Laible

Doch das Gericht kommt zu einer anderen Entscheidung und verhängt eine Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu 30 Euro. Dass seine Frau in nächster Nähe ihres früheren Partners stehen blieb, passe nicht zu der einst gerichtlich festgelegten Vereinbarung, die eine Distanz von drei Metern vorschreibt, erklärt die Vorsitzende. Deshalb sei das Filmen in der Öffentlichkeit in diesem Fall auch kein rechtswidriger Angriff. „Man kann auch weggehen oder fordern, dass der Film gelöscht wird“, redet die Vorsitzende dem Angeklagten ins Gewissen. „Einige Schritte zur Seite und ein paar klärende Worte hätten gereicht.“