Hamburg. Im Ohnsorg-Studio feierte die sehenswerte Theaterfassung der schwarzen Kinokomödie über ein sehr ungleiches Liebespaar Premiere.
Der Strick hängt schon vor Beginn der Vorstellung über der Bühne. Und Harold wird sich aufhängen – um sich kurz darauf selbst zu befreien. Es ist einer seiner zahlreichen inszenierten Scheinselbstmorde, mit denen er glaubt, die Zuneigung seiner dominanten Mutter gewinnen zu können.
Ein Flop. Ebenso wie anfangs der Film „Harold und Maude“ 1971 an den Kinokassen. Dem Ohnsorg-Studio, der kleinen Bühne des Ohnsorgs, ist es zu verdanken, dass Colin Higgins’ schwarze Komödie nun zu einem ganz großen Theatererlebnis wird. Jasper Brandis (Regie) und Cornelia Ehlers (Übersetzung) haben „Harold un Maude“, die anrührend-schräge Geschichte um einen lebensmüden 19-Jährigen, der sich in eine ungewöhnliche Frau von fast 80 verliebt, zu einem ganz starken Stück verdichtet.
Skurrile Waffen an der Wand
Hier stimmt von Bühne und Kostümen (Andreas Freichels) mit skurrilen Waffen an der Wand über Dramaturgie bis zur Besetzung alles – wie nicht nur der minutenlange Applaus der Premierenbesucher zeigte. Für Nostalgiker erklingt auch die Filmmusik von Cat Stevens („If You Want To Sing Out, Sing Out“). Was die vier Akteure hier abliefern, ist indes zeitlos. Natürlich stehen die Tabuthemen Liebe zu einer reichlich älteren Frau und Freitod im Blick.
Harold, der das Leben ablehnt und sich zu Beerdigungen und Friedhöfen hingezogen fühlt, kommt erst auf andere Gedanken, als er dort Maude begegnet. Auch sie pfeift auf Konventionen, klaut Autos, mag rasante Spritztouren, liebt es, sich als Aktmodell malen zu lassen – und Harold kennenzulernen.
Paraderolle für Uta Stammer
Mit Marco Reimers und Uta Stammer haben sich hier zwei – ihren Figuren gemäß – nicht gesucht, doch gefunden. Reimers, schon im großen Ohnsorg in „Romeo un Julia“ in der Titelrolle überzeugend, spielt im Studio mit entgeistertem Blick noch glaubhafter den Verzweifelten, den Anti-Helden, der erst dank Maude sein Jawort zum Leben (und zur Heirat) spricht. Und Uta Stammer darf mit roter Perücke, Gold-Sneakern und Akkordeon die anarchische Poetin op Platt geben. Eine Paraderolle. Als Zeichen der Annäherung und Zuneigung wechselt Harold alias Reimers von Hoch- ins Plattdeutsche.
Jedoch wäre dieses Stück ohne Kathrin Ost und Sebastian Herrmann nur die Hälfte wert. Sie stöckelt als Mutter im gelben Kostüm immer schön am Sohn vorbei, gibt eine ratlose Polizistin oder die überkandidelte Jung-Schauspielerin Sunshine. Herrmann spielt die anderen von der Mutter ausgeguckten Heiratskandidatinnen beim Tee, mit Häubchen und behaarten Beinen derart komisch, dass sogar sein Psychiater, militaristischer Onkel und Pfarrer fast zu verblassen drohen. Und jene Figuren sind schon wahnsinnig komisch.
„Harold un Maude“ wieder Do 7.12., 19.00, bis 3.2., Ohnsorg-Studio, Heidi-Kabel-Platz 1, Karten unter T. 35 08 03 21; www.ohnsorg.de