Hamburg. Ayckbourns „Schöne Bescherungen“ sind auch in der plattdeutschen Version („All Johr wedder“) ein Fest. Showdown auf dem Geschenkeberg.
Es gibt Witze, die sind auch dann noch lustig, wenn man die Pointe kennt. Vielleicht sogar: gerade dann. Sie müssen allerdings besonders gut erzählt werden. Für Theaterkomödien gilt das erst recht: „Gleich kommt die Stelle mit dem Puppentheater“, wispert leise eine Besucherin im Ohnsorg-Theater und macht sich kicherbereit.
Die richtige Dosierung ist eine Überdosierung
Alan Ayckbourns „Schöne Bescherungen“ ist solch ein moderner Komödienklassiker, 1980 in England uraufgeführt, 1983 in Deutschland das erste Mal inszeniert, seither viele, viele Male wieder (am Thalia Theater einst von Daniel Karasek, der den Dauerbrenner in Kiel nun auch wieder im Programm hat). 2007 wurde das Stück, ebenfalls in Kiel, zum ersten Mal auf Platt gespielt. „All Johr wedder“ heißt es am Ohnsorg nun entsprechend, alle Jahre wieder also. Das passt zum Stück – erst recht aber natürlich zum Thema, denn es geht um den allwinterlich wiederkehrenden Weihnachtswahnsinn, dieses leicht zu Kopf steigende Potpourri aus Ritualen, Traditionen, Alkohol und Familie, das Ayckbourn erbarmungslos böse und sehr präzise schildert. Die richtige Dosierung ist eine zunehmende Überdosierung, das erwartbare Abgleiten in den Exzess. Eben das macht es so komisch.
To Huus bei Besserverdienern
Linda und Niko, wie das Paar in der niederdeutschen Version von Georg Weisshaupt und in der Inszenierung von Harald Weiler heißt, laden Bagage und Anhang über die Feiertage ein. Alles ist wie immer, Feli trinkt zu viel, Patty ist schwanger, Bernhard ist beleidigt. Die Kinder wollen nicht schlafen, die Männer nicht helfen, keiner will Bernhards Puppentheater (und wenn, dann bitte mit „’n beten mehr Wuppti!“). Schließlich bringt ein Gast dies altbekannte Gleichgewicht durcheinander: Lindas Schwester Vicky, als zugeknöpfter Bücherwurm ganz fein und ihrer Tragik zu Herzen gehend gespielt von Rabea Lübbe, lädt den Schriftsteller Ben (souverän: Tobias Kilian) zum Fest. Der kommt, wie es sich für einen Intellektuellen gehört, im schwarzen Existenzialisten-Rollkragen. Gelesen hat sein (einziges) Buch keiner.
Man ist am Ohnsorg bei Besserverdieners to Huus. Lars Peter hat das Appartement im angesagten Retro-Schick eingerichtet, klare Linien, hölzerne Rückwand, ein traditioneller, aber doch zeitgemäßer Weihnachtsbaum. Der wird gelegentlich in Mitleidenschaft gezogen. Niko (als Ehemann vom Typ großer Junge: Markus Frank) hat ein Blinklicht-Konzept ausgeklügelt, das jeden Autoscooter neidisch machen würde, plus ohrenbetäubendes „Also sprach Zarathustra“. Die Zuckerkringel futtert die Schwangere. Die spielt Vivien Mahler schon in den kleinsten Nuancen (und in mancherlei Hinsicht) brüllend komisch.
Angemessene Steigerung in den Irrsinn
Überhaupt können Regisseur Weiler und sein gutes Ensemble mit dieser Komödie viel anfangen. Timing und Dynamik stimmen ebenso wie die Typenverteilung. Vor allem bis zur Pause, in die man mit einem Showdown auf dem Geschenkeberg entlassen wird, steigert sich der Abend angemessen in den Irrsinn. Subtil sind die Figuren nicht, sie sind jedoch so klug übertrieben, dass sie bei aller Lachtränenlustigkeit glaubhaft bleiben. Das gilt auch für Birthe Gerken als nordisch klare Linda, Birte Kretschmer als handfeste Schnapsdrossel, Erkki Hopf als luschiger Ehemann, Till Huster als misstrauisch-grantiger Onkel und besonders für den fabelhaften Oskar Ketelhout als Cordjacken-Sensibelchen Bernhard. Sein Paradeauftritt: das (natürlich total scheiternde) Puppenspiel.
Eine gelungene Bescherung also und damit Pflichtstoff für alle, die sich vor Heiligabend amüsieren und es dann all Johr wedder besser machen wollen.
„All Johr wedder“ bis 6.1.2018 am Ohnsorg-Theater (U/S Hbf.), Heidi-Kabel-Platz 1, Karten unter T. 35 08 03 21; www.ohnsorg.de