Hamburg. Ernährungscoach Patric Heizmann weiß, wie es funktionieren könnte. Auf drei Märkten haben wir uns mit ihm umgesehen.
Der Advent ist alles, aber sicher nicht die richtige Zeit für Diäten. Die Figur ruinieren wir zwischen dem 4. und dem 1., nicht zwischen dem 1. und 4 Advent. Also hauen Sie ruhig rein! „Verboten war gestern“, sagt Deutschlands bekanntester Ernährungsunterhalter Patric Heizmann. Wenn man jedoch ein paar klitzekleine Regeln beachte, dann bleibe die Bikinifigur selbst in der Michelin-Männchen-Jackenzeit erhalten. Heizmann würde in Bademoden eine gute Figur machen, jetzt steht der 43-Jährige jedoch eingemummelt auf dem Rathausmarkt. Seine Aufgabe: zwischen all den Zucker- und Fettbuden etwas Gesundes zu finden. „Die wichtigste Regel gleich vorweg: Nie sehr hungrig auf den Weihnachtsmarkt gehen. Das ist so wie besoffen flirten. Da nimmt man Sachen mit, für die man sich am nächsten Tag schämt.“
Schausteller: Kosten nicht allein tragen
Nach nur wenigen Metern schon der erste gesunde Treffer: Flammlachs. Eine Stunde über dem Feuer gebraten und mit Meersalz gewürzt, für den Ernährungsprofi eine Eins plus. „Lachs hat viel Omega 3, von den ungesättigten Fettsäuren kann man gar nicht genug bekommen“, sagt Heizmann. Kein anderer Vitalstoff wirkt sich gleichzeitig so positiv auf so viele Bereiche unseres Körpers aus. Herzgesundheit, Gelenkschutz sowie Gehirnfunktion, Sehkraft und Stressbewältigung. Omega 3 wird als Wunderkind des 21. Jahrhunderts bezeichnet; der Lang Lang unter den Nährstoffen. Sogar für die Entwicklung des Gehirns ist es förderlich. Klüger durch den Weihnachtsmarkt, ja, das geht.
Als Nächstes stoppt Heizmann am Stand von Schlüters Alpenwelt, als er Grünkohl und Sauerkraut entdeckt: „Sauerkraut hat so viel Vitamin C, dass es früher Leben gerettet hat. Ohne Sauerkraut wären viele Hamburger Seefahrer an Skorbut gestorben. Und Grünkohl ist ein heimisches Superfood. In Hollywood wird Kale, wie es dort heißt, richtig gehypt.“ Es gibt in den USA sogar ein Buch über das Wintergemüse: „50 Shades of Kale.“ Die Ballaststoffe im Kohl bringen die Verdauung in Schwung und helfen beim Abnehmen. Wer auch noch die enthaltenen Vitamine mitnehmen will, der sollte ruhig nachfragen, wie lange das Gemüse schon köchelt, rät Heizmann: „Bei stundenlanger Hitze gehen die Vitamine kaputt.“
Grünkohl als Proteinquelle
Die Mineralstoffe jedoch sind unzerstörbar, und als Eisen- und Proteinquelle stellt Grünkohl eine gute Alternative zu Fleisch dar. Um den Schwenk-grill und die Würstchenbuden macht Heizmann einen großen Bogen: „Ich bin Secondhand-Veganer: Kuh isst Gras, ich esse Kuh. Aber schauen Sie sich mal die Preise für Fleisch hier oder im Discounter an. Wenn ein Pfund Hackfleisch weniger kostet als eine Dose Katzenfutter, was wird das dann wohl für eine Qualität sein? Das Katzenfutter zu essen wäre gesünder“, sagt Heizmann, hält kurz inne und fügt grinsend hinzu: „Selbst die Katze zu essen …“
Heizmann hat erkannt, dass er mit Humor ein Thema verkaufen kann, von dem alle schon genervt sind. Gesundes Essen. Igitt! Paleo-Diät, Frutariertum, Clean Eating, Atkins, Metabolic Balance – die Programme sind unendlich und bringen laut Heizmann nichts außer Frust: „Es gibt Ernährungsextremisten, die sehen aus wie Ötzi nach dem Abtauen. Gerade Frauen haben so einen Fokus auf ihren Körper, das macht sie doch verrückt, deshalb empfehle ich das Motto: Diätfrei für immer!“ Es komme nur darauf an, immer mal wieder einen perfekten Tag in puncto Ernährung einzubauen, irgendwann werden es von alleine zwei oder drei in der Woche.
Fünf erfolgreiche Bücher hat Heizmann inzwischen zu dem Thema geschrieben. Der Entertainer bekam sogar eine eigene Show auf RTL, zurzeit tourt er mit seiner Bühnenshow „Essen erlaubt“ durch Deutschland. Am 11. Dezember gastiert der ehemalige Hamburger, der inzwischen in Freiburg lebt, im Schmidts Tivoli: „Da werde ich meinem Publikum mit viel Humor zeigen, wie sie ihren inneren Schweinehund zur Hundeschule schicken.“
Oh! Wieder ein Gesund-Alarm! Der Maronenstand. Die Edelkastanie ist ein heißer Tipp für Figurbewusste. Nur zwei Prozent Fett, kein Zucker, dafür eine hohe Vitalstoffdichte. Phosphor ist gut für die Energieverwertung, Vitamin E stärkt die Muskeln. Aber haben Nüsse nicht sehr viele Kalorien? „Nüsse machen nur dick, wenn sie sich in Toffifee verstecken“, erklärt Heizmann. Und Kartoffeln nur, wenn sie in Öl ertränkt werden.
Helene Fischer unter den Lebensmitteln
An der „Kartoffelpuffer & Co.“-Bude lässt sich der Ernährungsexperte das Öl zeigen, in dem die Puffer gebraten werden: „Das sollte jeder Weihnachtsmarktbesucher tun.“ Meistens wird mit billigem Industriefett gearbeitet, das verabscheut Heizmann genauso wie Weißbrot: „Die Helene Fischer unter den Lebensmitteln, man kann ihm einfach nicht entkommen.“ Backkartoffel mit Quark hingegen, da geht der Daumen nach oben. Viel Kalium, kein Gluten. Kartoffeln entwässern, wieder ein Pfund weniger auf der Waage. „Von allen Beilagen sind Kartoffeln die besten“, sagt der 43-Jährige.
Andere Marktbesucher haben inzwischen mitbekommen, dass sich da jemand richtig gut auskennt mit Lebensmittel. Eine Frau fragt: „Aber Gurke mit körnigem Frischkäse, das darf ich doch essen, oder?“ Der Komiker schaut irritiert und sagt später leise: „Manche Fragen lassen mich doch denken: kein Wunder, dass es selbst für Erwachsene Schuhe mit Klettverschlüssen gibt.“
Gärungsfördernde Fermente
Auf dem Fleetweihnachtsmarkt entdeckt Heizmann im Kartoffel-Paradies Pilze. Sie bestehen zu großen Teilen aus Wasser, haben einen hohen Gehalt an gärungsfördernden Fermenten, aber kaum Fett. Dadurch sind sie zum Abnehmen geradezu ideal. „Na ja, nur das Öl müssen wir uns großzügig wegdenken“, sagt Heizmann. Wären die Champignons allerdings in Kokosöl gebraten, brächte das den Stoffwechsel so richtig auf Touren. „Nach Kokosöl würde ich auf Weihnachtsmärkten aber vergebens suchen, viel zu teuer.“
Dennoch: Gemüse und unbearbeitete Lebensmittel sind selbst in Öl ertränkt noch besser als vieles andere. Der Zuckermais von der Schinkenkate Bluhm auf dem Weihnachtsmarkt am Gänsemarkt wird sogar nur in Wasser gekocht; Heizmann ist begeistert. Ein paar Meter weiter findet er das ideale Mitbringsel für seine beiden Kinder zu Hause: Walnüsse und Orangen: „Die Vitaminbomben muss man aber unbedingt waschen vor dem Schälen, die werden nämlich gespritzt. Durch die Schale geht aber nichts durch.“
Heizmann ist nun satt. Ein letzter Tipp für die Zeit nach Weihnachten: „Unbedingt einen Partner suchen, der kochen kann. Denn Schönheit vergeht, aber Hunger ist hartnäckig.“
Am 11. Dezember, um 20 Uhr tritt Patric Heizmann mit seinem Programm „Essen erlaubt! Verboten war gestern“ im Schmidts Tivoli Theater auf. Eine Show mit Nährwert.