Winterhude. Weil der Philosophenturm auf dem Campus saniert wird, mussten die Studenten der Geisteswissenschaften in einen Bürokomplex umziehen.
Ein roter Teppich auf glänzenden Fliesen, schwarze Ledersessel zwischen Kübelpflanzen und Drehkreuze am Eingang, die nur mit Zugangskarte passierbar sind – die Eingangshalle in der City Nord ist, was sie ist: die Lobby eines Versicherungsgebäudes. Plötzlich aber strömen junge Leute hinein, die Rucksäcke, Piercings oder Jacken mit Fellkapuzen tragen. Und schon verwandelt sich die schicke Halle in das, was sie seit Anfang Oktober ist: in den Eingangsbereich einer Universität, in dem es vor und nach den Vorlesungen besonders lebhaft zugeht.
Das ehemalige Shell-Haus, das Anfang der 70er-Jahre nach Entwürfen des Hamburger Büros Gerkan, Marg und Partner erbaut wurde, wird in den kommenden drei Jahren von der Fakultät für Geisteswissenschaften belegt. So lange wird der Philosophenturm saniert, in dem die Fachbereiche Geschichte, Philosophie, Sprache, Literatur und Medien bislang untergebracht waren. Studenten und Lehrende belegen etwa drei Viertel des Gebäudes am Überseering 35, das jetzt dem Zeitgeist entsprechend Ü35 genannt wird.
"Zutrittskontrolle ist ein No-Go"
„Diese Zutrittskontrolle ausgerechnet an einer Universität für Geisteswissenschaften ist natürlich ein No-Go“, sagt Inga Mannott, die gerade die Eingangshalle betritt. Trotz der Sanierungsbedürftigkeit des „Philturms“ wird die Masterstudentin nicht richtig warm mit dem Ü35. „Da ist zunächst mal das Fahrstuhlsystem hier“, sagt sie, als sie die sogenannte Vereinzelungsanlage passiert hat. Sie steht im Gewusel Dutzender Studenten vor einer Stele aus Edelstahl. Auf deren Display gibt sie das Stockwerk ein, in das sie möchte (8), um dann zu erfahren, welcher der zehn Fahrstühle dorthin fährt (B). Das wirke nur auf den ersten Blick praktisch, sagt sie. „Vor allem zu den Stoßzeiten herrscht hier ein ziemliches Durcheinander. Außerdem fehlen die Vorrichtungen, die es im Philturm für Menschen mit Sehbehinderungen gab: nämlich haptisch gekennzeichnete Knöpfe und ein Signal, wenn das gewünschte Stockwerk erreicht war.“
Doch die Germanistikstudentin, die demnächst ihren Master in deutscher Literatur macht, hat noch Glück: Sie studiert ausschließlich am Ü35 und muss nicht, wie viele ihrer Kommilitonen, zwischen dem Campus im Grindelviertel und der City Nord pendeln. „Ihnen stehen für den langen Weg nur 30 Minuten zur Verfügung. Sie kommen also oft zu spät zu Vorlesungen oder müssen früher abbrechen“, sagt sie.
Jedes Plakat an den Wänden wird entfernt – Brandschutz
Das Ü35 hat vier Gebäudeflügel. Jede Etage besteht neben dem Fahrstuhlbereich im Zentrum aus vier langen Fluren, von denen viele Türen zu Seminarräumen, Mitarbeiter- oder Geschäftszimmern führen. „Uncharmante, unpersönliche Büroflure“, findet Inga Mannott, nachdem sie in der achten Etage – hier ist das Institut für Germanistik untergebracht – ausgestiegen ist. Dann weist sie auf die nackten weißen Wände. „Jedes Plakat, das wir hier aufhängen, wird sofort wieder entfernt. Wahrscheinlich Brandschutzvorschriften. Aber nicht so, wie es sich für eine Uni eigentlich gehört.“
Nach diesen Worten fallen die für Studenten so untypischen Wände auch im Erdgeschoss auf, das eine Etage unter dem Eingangsbereich liegt. Hier befinden sich die drei größten der insgesamt sechs Hörsäle. Früher waren es riesige Großraumbüros, nun sind hier Stühle aufgereiht – allerdings nur in der Raummitte. „Das liegt an der Klimaanlage“, sagt Cezary Wolkowicz, der als Leiter des Serviceteams unter anderem für die Haustechnik verantwortlich ist. „Sie würden es nicht schaffen, einen komplett besetzten Raum mit guter Luft zu versorgen. Und die Fenster kann man nicht öffnen.“ Während im größten Hörsaal des Philturms bis zu 400 Studenten Platz fanden, musste die Personenzahl im Hörsaal A des Ü35 auf 330 limitiert werden – obwohl sicher Platz für dreimal so viele Menschen wäre.
Zumindest die Mensa sei schöner als im Philturm
Dafür wird eine Ecke des Raums als Lagerfläche genutzt. „Das sind Trennwände und Beleuchtung, die an anderer Stelle noch eingebaut werden müssen“, sagt Wolkowicz entschuldigend. Nachdem man lange nach einem Gebäude gesucht habe, das groß genug für bis zu 7000 Nutzer war, sei es mit dem Umzug doch recht schnell gegangen. „Aber das wird sich alles in den nächsten Monaten regeln.“
Neben dem Hörsaal A liegt die Mensa, die auch von den anderen Mietern des Ü35 genutzt wird – unter anderem von den Beamten des Einbruchs-aufklärungsteams Soko „Castle“. Der in Rost- und Gelbtönen gehaltene Raum ist rundherum verglast. „Hier ist es schöner als in der Mensa im Philturm“, sagt Masterstudentin Inga Mannott. Der Meinung ist auch Thomas Stahlhut, der Geschichte studiert. Was beide Kommilitonen bedauern, sind die eingeschränkten Öffnungszeiten. „Weil hier weniger Besucher kommen als am Campus, macht die Mensa schon um 16 Uhr zu“, sagen sie. Beide engagieren sich abends in ihren Fachschaftsräten und sind froh, dass es noch einen Uni-Kiosk gibt – so müssen sie ihre hochschulpolitische Arbeit nicht mit leerem Magen verrichten.