Hamburg. Die neue Hauptgeschäftsführerin Christi Degen will die Hamburger Handelskammer effizienter machen. Und was verdient sie?
Über kaum einen Posten wurde in den vergangenen Wochen in der Hamburger Wirtschaft so heiß diskutiert wie über den des Hauptgeschäftsführers der Handelskammer. Nach der Trennung vom langjährigen Amtsinhaber Hans-Jörg Schmidt-Trenz im Mai hat das Kammer-Präsidium über Monate einen geeigneten Nachfolger gesucht – und dabei auch Pannen erlebt. Jetzt gibt es eine Kandidatin, die am 8. Dezember vom Plenum gewählt werden soll: Christi Degen (53) kommt aus dem Rheinland, hatte in der Vergangenheit unterschiedliche Managerposten inne und war zuletzt bis April Hauptgeschäftsführerin der Industrie- und Handelskammer Oberfranken. Im Interview mit dem Abendblatt erklärt sie, worin sie ihre Aufgaben sieht.
Frau Degen, Sie werden die Chefin von Deutschlands ältester und traditionsreichster Handelskammer. Was bedeutet das für Sie?
Christi Degen: Das ist für mich eine Wunschaufgabe in einer Wunschorganisation in einer Wunschstadt. Ich habe in meiner bisherigen Laufbahn immer Aufgaben gesucht, die Organisationsentwicklung und Weiterdenken bedeuten, Erneuerung, Modernisierung. Und was gibt es Schöneres als dieses in der Handelskammer umzusetzen, die zu einem IHK-System gehört, das man im Grundsatz richtig findet, das aber auch Modernisierung braucht.
Was meinen Sie damit? Was steckt hinter Ihrer Wunschaufgabe, die Sie mit Ihrem Amt erfüllen wollen?
Degen: Ich bin vom Plenum noch nicht gewählt, habe also nur Kandidatenstatus. Deshalb kann ich noch nicht zu sehr ins Detail gehen. In ein bis zwei Monaten hören Sie von mir Konkreteres. Aber Sie können davon ausgehen, dass ich mich wohl kaum auf diese Stelle beworben hätte, wenn es nicht eine gewisse inhaltliche Nähe zu den Vorstellungen der derzeitigen Kammerverantwortlichen gebe. Ich begrüße den Modernisierungsschwung, den die neuen Ehrenamtsträger mitbringen. Ich denke, es ist ein wunderbarer Anstoß für das gesamte IHK-System in Deutschland.
Ziel der Kammer ist es immerhin die Pflichtbeiträge abzuschaffen. Wie stehen Sie dazu?
Degen: Einzelfragen beantworte ich heute noch nicht. Zudem glaube ich, dass man sich an solchen Einzelfragen nicht den Kopf schwindelig diskutieren sollte, wenn die Stoßrichtung stimmt: Es geht darum, die Kammer effizienter zu machen, kundenorientierter und den Unternehmernutzen herauszustellen.
Wie wollen Sie das machen? Sie haben selbst einmal gesagt, die Kammern kranken daran, dass sie nur einen Bruchteil ihrer Mitglieder erreichen.
Degen: Das ist ein strukturelles Problem aller Kammern. Es gibt auch keine triviale Lösung, eher ein ganzes Bündel von Maßnahmen. Sie können beispielsweise mehr für kleine Einzelunternehmer anbieten, etwa über Weiterbildungskongresse. Man kann mit interessanten Online-Angeboten bestimmte Zielgruppen ansprechen und so fort. Wichtig ist möglichst viele Mitglieder bei der Arbeit der Kammer mitzunehmen. Deshalb ist die Transparenz so wichtig. Viele Unternehmer bekommen die Interessenvertretung der Kammer gar nicht mit. Wenn beispielsweise irgendwo die Gewerbesteuern gesenkt werden, dann haben die Kammern ihre Finger im Spiel. Das wissen die meisten gar nicht.
Die Kammer ist aus ihrer Geschichte heraus eng mit der Politik in der Stadt verbunden und hat sich in der Vergangenheit auch kräftig in die Politik eingemischt. Insbesondere Ihr Vorgänger, von dem es hieß, er sei der zweite Bürgermeister in der Stadt. Wollen Sie Ihr Amt ähnlich wahrnehmen?
Degen: Politische Interessensvertretung steht sogar im Gesetzesauftrag der Kammern. Wie man das dann lebt, kann unterschiedlich ausfallen. Aber selbstverständlich ist eine Handelskammer beauftragt, die Interessen der gewerblichen Wirtschaft bei der Politik anzubringen. Wichtig ist dabei aber, dass die Interessenäußerung demokratisch zustande gekommen ist.
Wie soll das gehen, wenn jeder etwas anderes will?
Degen: Durch die Pflichtmitgliedschaft hat eine Kammer sehr viele Mitglieder, aus jeder Branche, in jeder Größe. Die können gar nicht immer einer Meinung sein. Das heißt aber nicht, dass eine politische Willensbildung nicht funktioniert. Wichtig ist wie gesagt, dass sie demokratisch zustande kommt. Dazu gibt es Prozesse. Das Bundesverfassungsgericht hat ja kürzlich festgestellt, dass die Bildung von Wahlgruppen bei den Kammerwahlen geeignet ist, um die demokratische Meinung festzustellen. In der täglichen Kammerarbeit gibt es auch geeignete Maßnahmen, etwa indem man Blitzumfragen zu einem Thema macht, oder den zuständigen Fachausschuss um eine Stellungnahme bittet. Dabei ist zu beachten, dass die Gestalter in der Handelskammer – egal ob im Haupt- oder im Ehrenamt – nicht aus dem Bauch heraus argumentieren, oder noch schlimmer nach ihrem Parteibuch.
Sie sind Mitglied der FDP. Spielt Ihr persönliches Parteibuch also keine Rolle?
Degen: Das steht hinten an. Die Handelskammerinteressen gehen vor. Meine Mitgliedschaft ist im Moment ohnehin passiv. Im Übrigen bot mein Parteibuch in der Vergangenheit wenig Konfliktpotenzial mit der wirtschaftlichen Interessenvertretung.
Viele Mitglieder sympathisieren auch mit der Abschaffung der Zwangsmitgliedschaft. Wie denken Sie darüber?
Degen: Die steht für mich nicht zur Debatte. Es handelt sich um ein Bundesgesetz, das wird eine einzelne Kammer nicht ändern können.
Die Handelskammer hat sich in den vergangenen Wochen durch einige Entscheidungen, wie beispielsweise die Überlegung aus der IHK Nord auszutreten, von Teilen der etablierten Wirtschaft entfernt. Dazu gehören namhafte Unternehmen. Wie wollen Sie das Vertrauen der Betriebe zurückgewinnen?
Degen: Die Kammer vertritt alle Mitglieder. Es ist für mich ein wichtiges Ziel, als Vermittlerin wahrgenommen zu werden. Ich möchte ein verlässlicher Partner für alle Mitglieder sein. Bei gegenläufigen Positionen heißt das vor allem zuhören, vermittelnde Gespräche führen und gemeinsame Ziele zu definieren. Ich weiß um die Herausforderung in dieser Angelegenheit.
Die letzte Frage ist zwar ungewöhnlich, angesichts der Kritik an Ihrem Amtsvorgänger aber unerlässlich: Was werden Sie verdienen?
Degen: Das wird bekannt gegeben, sofern mich das Plenum der Kammer am 8. Dezember wählt. Nur so viel sei gesagt: Es wird sich in dem Rahmen bewegen, den das Präsidium veranschlagt hat.