Hamburg. Mieterverein stellt Bau von Einzel- und Reihenhäusern infrage und fordert den Ausbau des Wohnungsbauprogramms.
Bis zu 200.000 Hamburger Haushalte müssen in den kommenden Wochen mit teilweise deutlichen Mieterhöhungen rechnen. Davon geht jedenfalls der Mieterverein zu Hamburg mit Blick auf den Mietenspiegel 2017 aus, der Anfang Dezember veröffentlicht werden soll.
Der Verein rechne mit einem Anstieg der durchschnittlichen Nettokaltmiete um sechs Prozent von zuletzt 8,02 Euro auf 8,50 Euro pro Quadratmeter, sagte der Mietervereins-Vorsitzende Siegmund Chychla dem Abendblatt. „Alles unter 8,50 Euro wäre für uns eine positive Überraschung.“ Laut Mieterverein wären die Mieten in Hamburg damit zwischen 2011 und 2017 um 24 Prozent angestiegen – mehr als dreimal stärker als die Lebenshaltungskosten. Die Vermieter könnten die Mieten unter Beachtung der Kappungsgrenzen von 15 Prozent binnen drei Jahren auf die neue Höhe anpassen, wenn diese bisher geringer sei.
Der Mieterverein rate allen Betroffenen, Mieterhöhungen genau zu prüfen. „Jede unberechtigte Erhöhung führt dazu, dass überhöhte Mieten in den nächsten Mietenspiegel eingehen und einen weiteren Anstieg auslösen.“
Bis zu 80 Prozent der Vermieter beachten die Vorgaben nicht
Es zeige sich, dass die Mietpreisbremse nachgebessert werden müsse, sagte Chychla. „70 bis 80 Prozent der Vermieter beachten nach unseren Auswertungen die Vorgaben nicht.“ Zugleich forderte der Mietervereins-Chef eine Ausweitung des Hamburger Wohnungsbauprogramms. Die derzeit genehmigten 10.000 Wohnungen pro Jahr reichten nicht aus, um den Mietenanstieg zu bremsen, sagte Chychla.
Der Mieterverein begrüße zwar die Wohnungsbauoffensive des Senats. „Der Nettozuwachs der Bevölkerung von jährlich 15.000 Personen und die 30.000 Flüchtlinge, die noch auf eine Wohnung warten, zeigen aber, dass noch mehr gebaut werden muss“, so der Mietervereins-Chef.
Angesichts der Entwicklung müsse man zudem „politisch diskutieren“, ob es sinnvoll sei, in Hamburg weiterhin Gebiete für Einzel- oder Reihenhausbebauung auszuweisen – und ob die bestehenden Gebiete „überplant“ werden sollten. „Auf einem Hektar Fläche kann man zehn bis 20 Einfamilienhäuser bauen, aber um die 200 Wohnungen.“ Zugleich übte Chychla scharfe Kritik an der geplanten Volksinitiative des Naturschutzbundes (Nabu) zum Schutz des Grüns vor Bebauung. „Das ist der Kampf der Besitzenden gegen die Besitzlosen; derjenigen, die eine Wohnung haben, gegen diejenigen, die eine benötigen. Faktisch wäre das eine Zuzugs-Obergrenze“, sagte Chychla.
Geringverdiener finden kaum eine bezahlbare Wohnung
„Die Mietenentwicklung in Hamburg führt dazu, dass mittlerweile nicht nur Geringverdiener, sondern Menschen mit durchschnittlichem Einkommen kaum eine bezahlbare Wohnung finden“, so Chychla. „Für ein Viertel der 700.000 Mieterhaushalte gibt es laut Mieten-Stadtplan des Hamburger Abendblatts keinen Platz mehr in der Stadt. Alle, deren Nettoeinkommen unterhalb von 1500 Euro liegt, müssen feststellen, dass ihnen trotz Mietpreisbremse die hohen Mieten des freien Wohnungsmarkts den Zugang zu einer Wohnung versperren.“
Keine Erhöhung durch den neuen Mietenspiegel werde es bei Sozialwohnungen, Wohnungen mit Staffel- oder Indexmieten oder Wohnungen geben, deren Mieten bereits über dem Mietenspiegel lägen.
Der Mietervereins-Chef weist auch darauf hin, dass die Mieten aufgrund eines im Dezember erscheinenden Mietenspiegels erst zum März erhöht werden dürften. Alle Mieter sollten Erhöhungen auf ihre Rechtmäßigkeit prüfen – etwa mit dem kostenlosen Online-Check auf der Internetseite des Mietervereins.