Hamburg. Schluss mit langen Staus auf Autobahnen und Zufahrtsstraßen. Neues Buchungssystem für Trucker startet kommende Woche.

Am Mittwoch kommender Woche beginnt im Hamburger Hafen eine neue Ära: Dann soll Schluss sein mit den Schlangen wartender Lkw auf den Zufahrten zu den großen Containerterminals, Schluss mit den Rückstaus der Laster bis auf die Autobahn oder die Köhlbrandbrücke. Denn an diesem Tag startet der Hafenbetrieb HHLA an seinen Terminals ein neues Abfertigungssystem. Es soll nicht weniger als die bestehenden Verhältnisse umdrehen: Die Lkw werden künftig nicht mehr dann in den Hafen fahren, wenn ihr Spediteur sie dorthin schickt, sondern dann, wenn der Hafen sie anfordert, weil er sie zügig abfertigen kann.

Kommentar: Gute Idee gegen Stau im Hafen

„Slotbuchung für Lkw“ heißt das neue System, das die Containeranlieferung und -abholung künftig per Termin regelt. Slotbuchungsverfahren (SBV) werden überall dort eingesetzt, wo sich viel Verkehr drängt, aber wenig Platz ist. In der Luftfahrt ist es seit Langem üblich, dass die Fluggesellschaften Slots für Starts und Landungen erhalten, weil täglich Zehntausende Maschinen in der Luft sind, aber die meisten Flughäfen nur eine oder zwei Landebahnen haben.

Wenig Platz im Hafen, aber großes Gedränge

Auch im Hamburger Hafen ist wenig Platz, aber großes Gedränge. Insbesondere seit die Containerschiffe immer größer werden und bei einem Anlauf mehr Ladung in den Hafen bringen, wachsen auch die Lkw-Transporte an den Tagen der Schiffsankunft. „Mit der Slotbuchung haben wir eine intelligente Lösung entwickelt, die den Containertransport im Hafen schneller und effizienter macht“, sagt Jens Hansen, Betriebs- und Technikvorstand der HHLA.

Und so funktioniert die Slot­buchung: Container werden von der HHLA nur noch nach einer Voranmeldung der Lkw angenommen und ausgeliefert. Sobald sich ein Lkw-Fahrer über eine App auf seinem Smartphone anmeldet, bekommt er vom Terminal einen Slot zugewiesen – ein Zeitfenster, innerhalb dessen er an der Terminaleinfahrt erscheinen muss. Der Vorteil: Der Lkw wird dann mit höchster Priorität abgefertigt, bekommt eine eigene Spur und kann direkt zum Ladeplatz durchfahren. Das Zeitfenster beträgt eine Stunde mit einer Toleranz von jeweils 30 Minuten davor und danach.

Computerprogramm organisiert Prozesse

Wer dieses Zeitfenster um eine Stunde überschreitet, fällt aus der Priorität heraus, wird aber noch nicht bestraft. Wenn die Auslastung es zulässt, wird der Lkw-Fahrer ebenfalls sofort oder nach einer kurzen Wartezeit abgefertigt. Bitter wird es für Trucker, die mehr als 90 Minuten vor oder nach dem gebuchten Slot kommen: Sie werden nicht abgefertigt und müssen ein neues Zeitfenster buchen. Eine Slot­buchung auf dem Terminalgelände selbst ist nicht möglich, und es ist nicht erlaubt, dort auf sein Zeitfenster zu warten.

Auch der Fall, dass ein Slot verfällt, weil ein Lkw im Stau steckt, ist vom System eingeplant. Der Fahrer kann dann einfach sein Zeitfenster stornieren und ein neues buchen oder seinen Slot mit einem Kollegen tauschen. Anmeldung und Slotvergabe geschehen über einen Knotenpunkt im Computernetz zwischen den Fuhrunternehmen und den Terminals. An diesem Knotenpunkt ist ein Computerprogramm installiert, das die Vergabe der Slots regelt und darauf achtet, dass jeder gleich behandelt wird und dasselbe Zeitfenster nicht an zu viele Trucks vergeben wird. Weil es dann wieder zu Staus kommen würde.

Technikschmiede Dakosy verantwortlich

Hinter dem Programm steht die Hamburger Technikschmiede Dakosy. Das Unternehmen ist einer der führenden Anbieter von Computerprogrammen für die Transportwirtschaft. Dakosy betreibt bereits die große Informationsplattform für den Hafen, über die Reeder, Terminals und Spediteure miteinander vernetzt sind, zudem hat die Firma das Programm für die Frachtabfertigung auf Deutschlands größtem Flug­hafen in Frankfurt am Main erstellt.

Das Slotbuchungsprogramm für den Hafen hat Dakosy mit der HHLA und dem anderen großen Terminal­betreiber Eurogate entwickelt. „Es ist nicht das einzige Programm dieser Art in Europa. in den englischen Häfen South­ampton und Felixstowe gibt es bereits Slotbuchungen für Lkw“, sagt Dakosy-Geschäftsführer Dieter Spark. Dort müssten die Voranmeldungen aber viele Stunden im Voraus erfolgen, in Hamburg sei die Slotvergabe dagegen sehr viel kurzfristiger möglich. „Manchmal werden Container ja nur von einem Terminal zum anderen transportiert, da geht es um Minuten“, sagt Spark.

Containerfrachter führt zu 3000 Lkw-Fahrten

Wie dicht das Straßenverkehrs­geschehen im Hafen ist, lässt sich in wenigen Zahlen ausdrücken: 55,6 Prozent aller Seegüter, die in Hamburg umgeschlagen werden, werden per Lkw an- und abtransportiert. Die HHLA spricht von ungefähr 1,8 Millionen Lkw-Fahrten pro Jahr auf ihren Terminals.

Auch auf der Seeseite wandelt sich das Geschehen. Die Zahl der Großcontainerschiffe, die binnen kürzester Zeit abgefertigt werden müssen, steigt. Im ersten Halbjahr 2016 waren es etwas mehr als 20. Von Januar bis Juni 2017 aber schon 54. Im Schnitt werden bei einem Anlauf 5000 Standardcontainer (TEU) umgeschlagen. Allein dafür sind annähernd 3000 Lkw-Fahrten notwendig.

„Das Verfahren hilft, Engpässe zu vermeiden, indem es das Verkehrsaufkommen für alle Beteiligten besser planbar macht“, sagt HHLA-Vorstand Hansen. Und es stehe für die Entwicklung des Hafens: „Es ist ein gutes Beispiel für unseren Anspruch, den digitalen Wandel im Hafen voranzutreiben.“