Hamburg. Hohe Schadstoffbelastungen. Auch Innenstadt ist betroffen. Naturschutzbund spricht von „vorsätzlicher Gesundheitsgefährdung“.
Montagmorgen im Hamburger Hafen. Unzählige Lastwagen fahren auf die Hafenterminals zu, um neue Ladung anzuliefern oder abzuholen, welche die Großschiffe am Wochenende aus Fernost angelandet haben. Die riesigen Frachter verlassen derweil den Hafen, sie drehen mit ihren mehr als 90.000 PS starken Maschinen ihre Bugnase Richtung Nordsee und verbrauchen dabei rund 10.000 Liter Treibstoff pro Stunde.
Es riecht nach Schiffsdiesel. Ein unangenehmer Geruch. Dazu bahnen sich noch viele Pendler mit ihren Pkw den Weg durch den Hafen, weil die Autobahn 7 wieder verstopft ist. Tausende Kraftfahrzeuge und viele Schiffe sorgen für dicke Luft – und bei den Hafenfirmen wächst die Sorge vor Sanktionen. Fahrverbote, eingeschränkte Betriebszeiten, Vorgaben für teure Umrüstungen – denkbar ist vieles.
Bisher vor allem Straßenverkehr im Blick
Bisher haben die Luftreinhaltungspläne des Senats vor allem den Straßenverkehr in der City im Blick gehabt. Doch jetzt gerät der Hafen ins Visier. Die Luftmessstation auf dem Kleinen Grasbrook gegenüber der Wasserschutzpolizeischule wurde vor eineinhalb Jahren installiert. Sie ist die einzige im Hafen, führt automatisch stündlich Messungen zur Schadstoffbelastung in der Luft durch und weist immer häufiger deutlich überhöhte Werte aus.
Allein im ersten Quartal 2017 wurde der von der EU vorgegebene Jahresmittelgrenzwert von 40 Mikrogramm Stickstoffdioxid (NO2) pro Kubikmeter Luft in der Hälfte der gemessenen Zeit überschritten. Vereinzelt hat das Gerät sogar die dreifache Belastung des zulässigen Jahresmittelwerts gemessen. Spitzenreiter war der 16. Februar mit 132 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft – Werte, die jeder Interessierte im Internet ablesen kann.
„Vorsätzliche Gesundheitsgefährdung“
Einzelüberschreitungen seien durchaus erlaubt, heißt es dazu von der Hamburger Umweltbehörde. Entscheidend sei das jährliche Mittel – und da liege man durchaus im grünen Bereich. Doch auch diese Aussage wird inzwischen angezweifelt. Im Januar lag die Stickoxidbelastung beispielsweise bei im Schnitt 43 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft, im März waren es 40 Mikrogramm. Hält dieser Zustand an, dürfte das von der EU erlaubte jährliche Mittel in diesem Jahr gerissen werden.
„Das ist vorsätzliche Gesundheitsgefährdung“, sagt Malte Siegert, Hafenexperte vom Naturschutzbund Hamburg. Zumal der Fachmann die tatsächliche Belastung an den Containerterminals sogar noch wesentlich höher schätzt. „Die Messstation auf dem Kleinen Grasbrook ist mehrere Hundert Meter von den eigentlichen Schadstoffquellen entfernt. Sie nimmt nur das Hintergrundrauschen der Luftbelastung wahr. Direkt auf den Terminals wird die Belastung um ein Vielfaches höher sein, aber da wird nicht gemessen.“ Für die Beschäftigten, die dort arbeiten müssen, sei das gesundheitsgefährdend.
Fakten seien der Stadt bekannt
Diese Fakten seien der Stadt bekannt, so Siegert. So sei bereits 2008 in einem Gutachten festgestellt worden, dass 38 Prozent der allgemeinen Stickoxidbelastung in Hamburg von der Seeschifffahrt verursacht würden. „Das sind nur die Schiffe. Nehmen wir die Kranfahrzeuge, Laster und den sonstigen Verkehr hinzu, dann ist der Hafen sicherlich für mehr als 50 Prozent der Stickoxidbelastung in der Stadt verantwortlich.“
Die Umweltbehörde bestreitet die Überschreitungen zwar nicht, will aber Rückschlüsse auf den Jahreswert nicht gelten lassen. „Die Monatswerte sind häufig stark von der Wetterlage abhängig, im Winter liegt die NO2-Belastung im Hafen meist höher als im Sommer“, sagt ein Behördensprecher. So hätte sich das Jahresmittel 2016 noch im grünen Bereich befunden. Aber ganz so zufrieden sind die Beamten dann wohl doch nicht: „Im neuen Luftreinhalteplan werden auch Maßnahmen für den Hafen betrachtet und aufgeführt“, sagt der Sprecher.
BUND denkt über juristische Schritte nach
Dieser neue Luftreinhalteplan für Hamburg soll im Juni veröffentlicht werden. Was auf die Hafenfirmen dann zukommt, will die Behörde heute noch nicht sagen. Ärger droht aber auf jeden Fall. Denn auch der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), der bereits gegen die Stadt wegen der Verfehlung der Luftreinhalteziele prozessiert, droht mit weiteren juristischen Schritten.
„Wir werden uns sehr genau anschauen, was der neue Luftreinhalteplan beinhaltet. Das betrifft auch die Luft im Hafen. Sollten darin keine Lösungen zur Verbesserung der Luft erkennbar sein, erwägen wir neue juristische Schritte“, sagt BUND-Geschäftsführer Manfred Braasch.
Finanzielles Anreizprogramm
Dies käme für die Hafenwirtschaft äußerst ungelegen. Noch mehr sorgt sie sich aber, dass die Grünen im Rathaus Druck auf die SPD ausüben könnten, sich an den Koalitionsvertrag zu halten. Darin steht, dass zusammen mit den Hafenbetrieben möglichst schnell ein Nachhaltigkeitsbericht für den gesamten Hafen erstellt werden soll.
Außerdem wollte der Senat bei den Terminals eigentlich durchsetzen, dass dort nur noch Lastwagen abgefertigt werden, die die Euronorm 5 erfüllen. Für die Umrüstung der Fahrzeuge sollte ein finanzielles Anreizprogramm aufgelegt werden. Zudem dachte man laut über eine Landstromanlage für Containerschiffe am Burchardkai nach. Und man wollte Straßenfracht auf Binnenschiffe verlagern.
Ausbau der Elektrifizierung der Hafenbahn
Bisher ist es bei den Ankündigungen geblieben. Vereinzelt hat es seitens der Politik Anfragen bei den Terminalbetreibern HHLA und Eurogate gegeben. Umgesetzt wurde nach der Hälfte der Legislaturperiode aber kein einziger Punkt. Der Sprecher der Umweltbehörde verweist darauf, dass der Senat bereits Maßnahmen zur Verbesserung der Luftqualität getroffen habe, etwa durch den Ausbau der Elektrifizierung der Hafenbahn, durch Rabatte beim Hafengeld für schadstoffarme Schiffe und durch die Ausstattung der Hadag-Fähren mit Abgasreinigungssystemen. Für die im Koalitionsvertrag verankerten Punkte sei aber vor allem die Hafenverwaltung HPA verantwortlich. So wird die Lösung des Problems nach hinten geschoben.
Ungewöhnliche Lösung
Der Hamburger Seeverkehrswissenschaftler Ulrich Malchow setzt derweil auf eine ungewöhnliche Lösung: seine sogenannte Port Feeder Barge. Dabei handelt es sich um ein breites, flaches Schiff mit einem eigenen großen Kran. Container sollen mit diesem Fahrzeug von den Terminals zu Binnenschiffen oder verschiedenen Packstationen im Hafen gebracht werden.
Laut Malchow hätte seine Barge, die sich bisher nicht durchsetzen konnte, zwei Vorteile: Zum einen könnte Hamburg damit den Forderungen des Koalitionsvertrags, mehr Transport vom Lkw aufs Wasser zu verlagern, nachkommen. Zum anderen würde laut Malchow die Port Feeder Barge mit einem Flüssigerdgas-Antrieb (LNG) deutlich weniger Schadstoffe produzieren als herkömmliche Binnenschiffe.