Hamburg. Die Hamburger Kanalisation wird 175 Jahre alt. Millionen werden für die Erhaltung der Siele investiert.

Hamburgs Unterwelt ist dunkel und nass. Durch die Gummistiefel spürt man die Kälte des Wassers und eine weiche Masse unter den Sohlen. In sechs Metern Tiefe ist der Lärm der Stadt kaum noch zu hören. Das Plätschern des knöcheltiefen Wassers, das von den gemauerten Kanalisationswänden widerhallt, ist dafür umso lauter. Über zwei Meter ist das 134 Jahre alte Siel unter der Danziger Straße hoch, sodass man bequem aufrecht stehen kann. „Dieser Abschnitt ist ein sogenanntes Großprofil, also ein Siel mit einer Höhe von über eineinhalb Metern“, erklärt Michael Beckereit, der technische Geschäftsführer von Hamburg Wasser. „Die alten Großprofile sind die Hauptschlagadern unserer Kanalisation.“

Das Hamburger Sielnetz ist insgesamt rund 5800 Kilometer lang. 250 Kilometer sind historische Siele, die nicht aus Beton oder Kunststoff sind, sondern noch aus einzelnen Ziegelsteinen gemauert wurden, „eine heute leider vergessene Handwerkskunst“, bedauert Beckereit. Die Großprofile machen 50 Kilometer des Kanalisationsnetzes aus. „Um sie zu erhalten, werden wir in den nächsten 15 Jahren einen dreistelligen Millionenbetrag investieren“, sagt der technische Geschäftsführer.

Kameraroboter überprüfen den Zustand der Röhren

Die alten Siele werden in regelmäßigen Abständen kontrolliert. In die Großprofile müssen die Kanalarbeiter noch selbst hinein. In den engeren Kanälen werden mittlerweile Kameraroboter eingesetzt, um den Zustand der Rohre zu überprüfen. „Zum Glück müssen wir nicht mehr auf allen Vieren dadurch kriechen“, sagt einer der Kanalarbeiter lachend.

Je nachdem in welchem Zustand sich ein alter Kanalisationsabschnitt befindet, wird das Mauerwerk entweder nur gereinigt und neu verfugt oder es wird komplett neu verkleidet. Das geschieht gerade in der Danziger Straße. 354 Meter Mauerwerk werden im sogenannten „Rohrlining-Verfahren“ durch ein glasfaserverstärktes Kunststoffrohr verkleidet. Durch die Grube werden die Rohrstücke in das alte Rohr hinabgelassen und dann mit einem Fahrwagen an die richtige Stelle gebracht. Anschließend wird der Zwischenraum mit Mörtel „verdämmert“. So entsteht Stück für Stück ein Rohr im Rohr, erklärt der Projektleiter Oliver Harten. Je nachdem, wie viele Hausanschlüsse und Gullis sich auf einem Teilstück befinden, können bis zu 20 Meter pro Tag erneuert werden.

Der Geruch ist eigentlich gar nicht so schlimm, wie man meinen möchte, wenn man an die Kanalisation denkt, denn das historische Siel ist für die Arbeiten fast vollständig geleert worden. Besonders angenehm ist dieser Ort nicht, seine Geschichte ist aber sehr interessant.

1842 begann die Geschichte von Hamburg Wasser

Was uns heute selbstverständlich erscheint, war für unsere Vorfahren vor 200 Jahren noch ein unvorstellbarer Luxus. Die Abwasserentsorgung hatte sich seit dem Mittelalter kaum verbessert. Müll und die Überreste menschlicher Bedürfnisse wurden einfach auf der Straße entsorgt oder in die Elbe, die Alster oder die Fleete geleitet. Doch aus diesen Gewässern kam auch das Wasser zum Trinken, Kochen und Waschen. Durch die Verunreinigungen herrschten katastrophale hygienische Zustände. Krankheiten wie die Cholera grassierten.

Auch für die Brandbekämpfung stand nicht ausreichend Wasser zur Verfügung, weshalb der Große Brand im Mai 1842 mehr als ein Viertel der Stadt vernichten konnte. Auch das Rathaus, die Nikolaikirche und die alte Börse wurden ein Opfer der Flammen. 20.000 Menschen wurden obdachlos.

Doch die Katastrophe bot der Hansestadt auch eine Chance. Der Hamburger Senat beschloss ein zentrales Trink- und Abwassersystem zu errichten. Die Geburtsstunde von Hamburg Wasser. Am 29. November des Jahres 1842 begann der Londoner Ingenieur William Lindley die Bauarbeiten an den Großen Bleichen. Nur wenige Jahre später verfügte die Hansestadt über ein weit verzweigtes unterirdisches Kanalisationsnetz und wurde damit zum Vorreiter auf dem europäischen Festland.

Hamburg Wasser feiert 175. Jubiläum mit einer Aktionswoche

Vom Baubeginn bis zur Jahrhundertwende hatte sich Hamburgs Bevölkerung mehr als verfünffacht. So wie die Stadt wuchs, wuchs auch das Trink- und Abwassernetz. Es wurde immer größer und dichter. „Heute stehen wir im Grunde vor denselben Herausforderungen wie vor 200 Jahren. Die Bevölkerung in Hamburg nimmt nach wie vor zu und auch die Anzahl der Hotelübernachtungen wird in den nächsten Jahren steigen. Unsere Aufgabe ist es, für alle Menschen in Hamburg die Versorgung mit Trink- und die Entsorgung von Abwasser sicherzustellen“, erklärt die kaufmännische Geschäftsführerin von Hamburg Wasser Nathalie Leroy. „Wo könnte man unsere tägliche Dienstleistung für die Stadt besser erleben, als an den Orten selbst.“

Deshalb veranstaltet Hamburg Wasser anlässlich des 175. Jubiläums eine Aktionswoche. Verschiedene Orte der Hamburger Wasserver- und Abwasserentsorgung öffnen ihre Türen und bieten ein buntes Programm. Neben Führungen und Entdeckungstouren durch das Kuhmühlenstammsiel mit kaiserlichem Ankleidezimmer, durch die Katakomben von Rothenburgsort oder das Transportsiel Wallring, stehen ein Poetry Slam im Klärwerk, Kino, eine Afterwork-Party, Karaoke, sowie ein Adventsmarkt auf dem Programm.

Die Aktionswoche findet vom 27. November bis zum 3. Dezember statt. Die Angebote sind größtenteils kostenlos. Weitere Informationen unter www.hamburgwasser.de