Hamburg. In Anlehnung an Parship macht Hamburgs Sozialbehörde auf Tabu-Themen wie Körperverletzung, Missbrauch und Vergewaltigung aufmerksam.

Zum Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen am Sonnabend möchte die Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration mit einer Kampagne eindringlich auf das Thema häusliche Gewalt aufmerksam machen. In Deutschland waren 2015 mehr als 127.000 Menschen von Gewalt in der Partnerschaft betroffen. 82 Prozent davon waren Frauen. Bundesweit hat jede vierte Frau schon einmal Gewalt in einer Beziehung erlebt. Die Dunkelziffer dürfte allerdings hoch sein, denn häusliche Gewalt ist ein gesellschaftliches Tabu-Thema.

„Viele Frauen haben Angst vor Stigmatisierung“, sagt Sozialsenatorin Melanie Leonhard (SPD). „Sie empfinden Scham oder fühlen sich sogar mitschuldig an der Gewalt des Partners.“ Meist fehle den Betroffenen der Mut, nach einem Ausweg aus der Gewalt zu suchen, sie fühlen sich ihrem Partner gegenüber ohnmächtig und fügten sich in ihre Opferrolle, sagte Leonhard. Deshalb soll die neue Kampagne vor allem eines: Mut machen. Es geht darum, den Ausweg aus gewaltvollen Partnerschaften zu zeigen.

Frauen reden offen über Gewalt

„Ich bin nicht alleine mit meinem Pro­blem, es gibt auch andere Frauen, denen es so geht wie mir.“ Das ist die Botschaft der „aus/weg“-Kampagne, die gleichzeitig sensibilisieren und motivieren soll. Drei Frauen – Annette, Felicitas und Martina – sind die Gesichter der Ermutigungskampagne. Sie waren von Gewalt in der Partnerschaft betroffen und haben einen Ausweg gefunden. Wie schwierig das war und wie sie es dennoch geschafft haben, erzählen sie auf der Internetseite der Kampagne.

Plakat-Kampagne zum Opferschutz
Plakat-Kampagne zum Opferschutz © Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration

Sie wollten andere Frauen, die Ähnliches erleben, bestärken, denn „jede Frau sollte ermutigt werden, dass sie es wert ist, ein Leben in Würde zu haben“, erzählt Annette.

Die drei Frauen reden ganz offen über Körperverletzung, Missbrauch und Vergewaltigung, über ihre Ängste und ihre Scham. Aber auch darüber, wie sie einen Ausweg aus dem Leben mit der Gewalt gefunden haben. Sie sind gegangen. Und das macht sie zu Vorbildern für alle Frauen, denen Ähnliches widerfährt, denen aber oft der Mut fehlt, um auszubrechen.

Die Plakate der Kampagne hatten in den sozialen Medien bereits in der vergangenen Woche für Aufsehen gesorgt, denn Text und Bildkomposition erinnern an die Werbung der Internet-Sin­gle-Börse Parship – nur handelt der Slogan eben nicht vom Verlieben: „Alle fünf Minuten wird eine Frau Opfer häuslicher Gewalt“ heißt es da statt: „Alle elf Minuten verliebt sich ein Single über Parship.“

Bewusste Werbestrategie

Diese Strategie, bei der ein bekanntes Werbemotiv in einen anderen Zusammenhang gestellt wird, bezeichnet man als sogenanntes „Adbusting“. Es sei das erste Mal in Deutschland, dass eine Regierungsbehörde sich dieses Mittels bedient, um Aufmerksamkeit zu erzeugen, sagte Leonhard. Man habe sich zum Beginn der Kampagne ganz bewusst für diese Werbestrategie entschieden. „Das Ziel ist es, die Kampagne so populär wie möglich zu machen.“

Vorangegangene Kampagnen hätten leider nie die erhoffte Reichweite gehabt, deshalb beschreite man jetzt auch eher ungewohnte Pfade. „Wir wollen nichts unversucht lassen, um das Thema in die Gesellschaft tragen, um Tabus zu brechen und Betroffene zu ermutigen“, sagte die Sozialsenatorin.

Tim Schiffer, CEO der Parship Elite Group, unterstützt die Kampagne. „Partnerschaftsgewalt ist ein hochrelevantes Thema in unserer Gesellschaft, das jedoch nicht genug Aufmerksamkeit bekommt.“ Sein Partnervermittlungsportal war zuvor über das „Adbusting“ informiert worden und erklärte sich bereit, die Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration im Kampf gegen häusliche Gewalt zu unterstützen. „Wir stehen aus vollster Überzeugung hinter der Aus/weg-Kampagne“, betonte Schiffer.

16 Opferschutzberatungsstellen

Wichtig sei, dass Frauen, die den Absprung wagen, auch von der Gesellschaft, von Freunden und Verwandten aufgefangen werden, sagte die Sozialsenatorin. In Hamburg gibt es 16 Opferschutzberatungsstellen und fünf Frauenhäuser mit insgesamt 194 Plätzen. Im vergangenen Jahr haben 1641 Hamburger Frauen in diesen Einrichtungen Schutz gefunden. Die Beratungs- und Hilfsangebote seien umfangreich; woran es mangele, sei bei vielen der Mut, sie auch zu nutzen.

Beratungs- und Informationsangebot:24-Stunden-Hilfetelefon: 08000-11 60 16Frauen-Notruf: 040/25 55 66. Weitere Informationen unter www.aus-weg.de