Hamburg. „Sollte sie wieder in mein Zimmer gehen, kann ich für nichts mehr garantieren“, hatte der Angeklagte gedroht.

Wenn Ludwig M. (Name geändert) ins Gericht kommt, dann nur in „Begleitung“. So nennen das die beiden Herren, die den 62-Jährigen nicht aus den Augen lassen. Es ist eine sehr freundliche Umschreibung eines Vorgangs, den man landläufig wohl eher als Bewachung bezeichnen würde. Denn der Hamburger befindet sich in der Sicherungsverwahrung, das heißt, er gilt als gefährlich. Obwohl er seine reguläre Strafe von sieben Jahren Gefängnis verbüßt hat, darf Ludwig M. noch nicht auf freien Fuß. Sicherungsverwahrung wird verhängt, um die Allgemeinheit zu schützen. Und der 62-Jährige hat schwere Straftaten verübt: Wiederholt hat er sich brutal an Frauen und Mädchen vergangen.

Bei so einem Verbrecher müssen wohl erst recht die Warnlichter angehen, wenn er schreibt, er könne „für nichts mehr garantieren“. War es eine ernst gemeinte Drohung? Plant er eine Gewalttat? Der kleingewachsene Mann mit dem weißen Haarkranz hat diese Formulierung in einer Dienstaufsichtsbeschwerde benutzt. Und nach seiner sehr eigenen Lesart war seine Intention vollkommen harmlos.

Angeblich auch Wäsche durchstöbert

Laut Anklage, die Ludwig M. jetzt vor das Amtsgericht gebracht hat, monierte er, eine Justizvollzugsbeamtin habe in unzulässiger Weise seine Zelle durchsucht und dabei angeblich auch sein Bett und seine Wäsche durchstöbert. Das Bett habe danach so ausgesehen, „als wenn sie sich da reingelegt hat“, wetterte der Hamburger. Und sie stehe offenbar auf fremde Unterwäsche, vermutete er. „Sollte sie wieder in mein Zimmer gehen, kann ich für nichts mehr garantieren“, lautete das Fazit von Ludwig M. in dem Schreiben.

Was auf andere unheilvoll und bedrohlich wirken mag, will der Angeklagte lediglich als Meinungsäußerung verstanden wissen. „Ich habe das geschrieben“, räumt der 62-Jährige unumwunden ein. Allerdings habe er seinen Wortlaut „nicht als gefährlich angesehen“, rechtfertigt er sich. „Das Bett sah merkwürdig aus“, kritisiert der Hamburger mit sonorer Stimme. „Ich hatte schon lange mit dieser Vollzugsbeamtin Schwierigkeiten. Und ich hatte schon öfter den Verdacht, dass sie in meinem Bett rumwühlt.“ Er habe jedoch niemandem drohen wollen, versichert der Angeklagte. „Ich wollte nur, dass sie die Station verlässt. Ich bin verbal ausgerastet. Das ist menschlich.“ Mittlerweile sei er auf einer anderen Station, „um aus der Gefahrenzone herauszukommen“. Der 62-Jährige sagt das wie selbstverständlich, offenbar ohne Gespür dafür, wie merkwürdig das in den Ohren anderer klingen mag. Er, das Opfer? Jetzt komme er endlich wieder zur Ruhe, seufzt er.

Angeklagter: „Ich habe vieles falsch gemacht“

Für die Frau, die er so lange auf dem Kieker hatte, traf das eine ganze Weile nicht zu. Damals, als sie die unheilvollen Zeilen las, „da habe ich Angst bekommen, klar“, erzählt die 40-Jährige als Zeugin vor Gericht. Ludwig M. habe sich schon mehrfach beschwert, weil er nicht wollte, dass weibliche Bedienstete seinen Raum durchsuchen. „Das ist aber zulässig“, betont die Zeugin. „Es gibt routinemäßige Durchsuchungen, bei allen.“ Wer für wessen Zelle zuständig sei, entscheide ein Kollege. „Ich arbeite nur meine Liste ab.“ Mittlerweile habe sich Ludwig M. bei ihr entschuldigt. „Ich habe die Entschuldigung angenommen.“ Im Übrigen habe man ja ohnehin keine Kontakt mehr, seit der Sicherungsverwahrte auf eine andere Station verlegt wurde.

„Ich habe vieles falsch gemacht“, meint der Angeklagte nun einsichtig. „Ich habe nie gesehen, dass mein Schreiben solche Auswirkungen haben könnte. Ich möchte mich nochmals entschuldigen.“

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Abendblatt-Gerichtsreporterin Bettina Mittelacher schreibt jede Woche über einen außergewöhnlichen Fall © HA | Andreas Laible

„Sie müssen den Ball flach halten“, redet der Richter dem 62-Jährigen ins Gewissen. „Die Bediensteten tun nur ihren Job.“ Und jeder wisse, dass solche Worte, dass man für nichts mehr garantieren könne, „zweideutig sind. Das kann man als Bedrohung empfinden.“ Richter, Staatsanwalt und Verteidiger verständigen sich darauf, dass das Verfahren eingestellt werden kann. Die letzte Verurteilung von Ludwig M. liegt bereits acht Jahre zurück, da sei eine solche Entscheidung ausnahmsweise zu verantworten, sagt der Vorsitzende. Eine weitere Verurteilung „würde alles schwieriger machen. Sie sollen ja auf etwas vorbereitet werden.“ Deshalb sei die für Ludwig M. glimpfliche Beendigung des Prozesses „für Sie heute wie Ostern, Weihnachten und Geburtstag zusammen“.