Hamburg . 86 Kartons Beweismittel wurden sichergestellt. Abendblatt hatte über Tricks berichtet. Kasse weist Vorwürfe zurück.

Die Staatsanwaltschaft Hamburg hat wegen Verdachts auf Betrug zulasten des Gesundheitsfonds Büros der AOK Rheinland/Hamburg durchsucht. „Die Durchsuchungen haben am 27. September in Hamburg und Düsseldorf stattgefunden“, sagte Oberstaatsanwältin Nana Frombach der „Rheinischen Post“, die zuerst über den Fall berichtete. „Hierbei wurden insgesamt 86 Kartons Beweismittel sichergestellt, die nun ausgewertet werden müssen.“ In Hamburg ist die Krankenkasse mit rund 30 Geschäftsstellen vertreten.

Bei den Ermittlungen gegen die AOK Rheinland/Hamburg, die 2006 aus einer Fusion entstanden war, geht es um das Codieren von ärztlichen Diagnosen bei Abrechnungen. Das Abendblatt hatte im Juni zuerst über die Ermittlungen berichtet. Die Kasse soll Ärzte dazu auffordern, bei Patienten schwerwiegendere Diagnosen als tatsächlich zu notieren. Mehrere niedergelassene Mediziner aus Hamburg und Schleswig-Holstein haben sich beim Abendblatt gemeldet und beklagen, dass die AOK Nordwest Mitarbeiter in die Praxen geschickt habe, um die Codierungen von bestimmten Patienten zu „überprüfen“.

Betrugsverdacht: Sollten Ärzte zu drastischeren Diagnosen gedrängt werden

Zwei weitere Krankenkassen werden von Ärzten ebenfalls in diesem Zusammenhang genannt. Die AOK Hamburg wird vom nordrhein-westfälischen Gesundheitsministerium beaufsichtigt.

Dabei ging es darum, dass die AOK zum Beispiel nahelegt, aus Alkoholkranken schwer Abhängige mit weiteren Störungen zu machen; aus Menschen, die Schmerzmittel bekamen, chronische Schmerzpatienten. Dem Abendblatt liegen dazu Unterlagen der AOK vor. Wörtlich heißt es darin etwa: „Kann die chronische Diagnose dauerhaft codiert werden?“ Und dann folgt eine mögliche Abrechnungsdiagnose. Die AOK schreibt dem Arzt auf, dass jeder Fall „einzeln individuell“ geprüft werden solle. „Streng vertraulich“ steht unter dem Hinweisblatt.

Laxer Datenschutz?

Die Ärzte beschweren sich darüber, dass die AOK-Mitarbeiter ohne Anmeldung in ihre Praxen kamen, zum Teil nicht einmal mit den Medizinern selbst, sondern nur mit den Mitarbeitern gesprochen haben. „Außerdem wird meines Erachtens der Datenschutz der Patienten sehr lax gehandhabt“, sagte ein Arzt, der nicht genannt werden wollte.

Nach Angaben von Nana Frombach zu den aktuellen Razzien soll es zunehmende Bestrebungen der Krankenkassen gegeben haben, möglichst viele Diagnosen vorweisen zu können, die im Risikostrukturausgleich aufgelistet sind, um an entsprechende Gelder zu gelangen. „In diesem Zusammenhang prüfen wir mögliche betrugsrelevante Täuschungshandlungen durch Verantwortliche der AOK Rheinland/Hamburg“, sagte die Oberstaatsanwältin.

Die Krankenkasse bestätigt die Durchsuchungen, weist aber alle Vorwürfe zurück. „Die Staatsanwaltschaft Hamburg hat am 27. September 2017 die Geschäftsräume der AOK Rheinland/Hamburg in Düsseldorf und Hamburg aufgesucht. Die AOK Rheinland/Hamburg unterstützt die Staatsanwaltschaft bei der Aufklärung des sozialversicherungsrechtlichen Sachverhalts. Sie weist jedoch jeglichen strafrechtlichen Vorwurf entschieden zurück“, teilte die Kasse der „Rheinischen Post mit.