Hamburg. Bei den Public Coffee Roasters kann man nur noch mit der Bankkarte zahlen. Viele weitere Gastronomen wollen dem Trend folgen.
Für 2,90 Euro soll ich meine Bankkarte zücken? Am Goldbekplatz in Winterhude sowie an der Brandstwiete im alten Spiegel-Haus geht es nicht mehr anders. Wer in den Läden der Public Coffee Roasters einen Cappuccino bestellt, der sollte auf das Schild am Eingang achten: nur Kartenzahlung möglich. Früher gab es in Restaurants oft Hinweise mit genau dem gegenteiligen Inhalt, doch die Gastronomie setzt inzwischen immer mehr auf das bargeldlose Bezahlen.
Warum? Wegen Geld! Time is Money, und die Kartenzahlung spart den Unternehmern Zeit. „Das Geldzählen kostete meine Mitarbeiter jeden Tag 30 Minuten, eine sinnlose Arbeit“, sagt Argin Keshishian, Gründer der Public Coffee Roasters. Hygienischer sei es außerdem. Hunderte von Bakterien würden übertragen, wenn ein Schein den Besitzer wechselt. Aber dem 27-jährigen Keshishian geht es vor allem um die Zeitersparnis und die Transparenz: „Wir tun auf diese Weise auch etwas gegen das viele Schwarzgeld in der Gastronomie.“
Kunden sind zufrieden
Bei den meisten Kunden kommt die eingeschränkte Zahlungsmöglichkeit gut an, viele besitzen bereits die modernen EC- und Kreditkarten, die mit dem sogenannten NFC ausgestattet sind (erkennbar an kleinen Halbkreisen auf der Karte). NFC ermöglicht den kontaktlosen Austausch von Daten, das heißt, man muss die Karte nicht mal mehr irgendwo reinstecken, unterschreiben oder Pins eingeben. Einfach kurz an den Kassen-Scanner halten, zack, bezahlt.
Nur Bares ist Wares? Diese Philosophie scheint von gestern. Ja, sie verschreckt geradezu einige Gäste. Eine deutschlandweite Studie der Unternehmen Orderbird und Mastercard hat ergeben, dass knapp ein Drittel der Befragten sich schon mal wegen fehlender Kartenzahlung gegen ein Restaurant oder Café entschieden hat. Gerade den jungen Leuten scheint es wichtig, nicht mehr im Portemonnaie nach Münzen kramen zu müssen. Zwei Drittel der 18- bis 34-Jährigen wollen immer mit Karte zahlen, selbst kleine Beträge unter zehn Euro. Für sie ist die Zukunft bargeldlos. Anne-Kathrin Ertl von Mad about Juice schätzt, dass inzwischen jeder vierte Kunde in ihrem Laden in der Innenstadt mit Karte zahlt: „Gerade Touristen wundern sich, dass wir Deutschen noch so viel mit Bargeld hantieren.“
Eigenes Bezahlformat
Die Macher der gesunden Säfte und Bowls nehmen nicht nur die gängigen Bankkarten, sondern haben auch ein eigenes Bezahlformat entwickelt: eine schwarze Mad-Karte. Von ihr kann bei jedem Besuch der erforderliche Betrag abgebucht werden; wer seine Karte mit 50 Euro auflädt, bekommt zehn Euro geschenkt, darf also für 60 Euro einkaufen. Das sorgt in erster Linie für Kundenbindung, erleichtert aber auch die internen Prozesse, erklärt Anne-Kathrin Ertl. „Gerade zur Mittagszeit, wenn es sehr voll ist, sind wir froh über jeden, der mit Karte zahlt. Es geht viel schneller, und wir reduzieren unsere Fehlerquote.“ Denn die Technik verrechnet sich nie und gibt nicht aus Versehen zu viele Münzen zurück.
Um ihre Umsätze genau im Blick zu haben, benutzt Ertl ein digitales Kassensystem, so weiß sie genau, welche Produkte wie oft gekauft wurden, kann also die Vorlieben ihrer Gäste erkennen und für die Zukunft besser vorausplanen. „Für ein Start-up wie uns hat das Controlling einen extrem großen Stellenwert, die Digitalisierung erleichtert uns vieles“, sagt sie.
iPad und Abrechnungssoftware
Die klassische Kasse, wie wir sie aus dem Kaufmannsladen kennen, sie wird wohl bald ausgestorben sein. Stattdessen reichen einem Gastronomen ein iPad und eine Abrechnungssoftware, schon hat er seinen Laden im Griff. „Die digitale Infrastruktur kann im besten Fall sogar unsere Umsätze steigern“, sagt Michael Wienhold von der Nord Coast Coffee Roastery. Je mehr er über seine Kunden weiß, desto besser kann er auf ihre Bedürfnisse reagieren.
Gerade ein Einzelunternehmer wie er muss sich ähnlich professionell aufstellen wie große Ketten. Starbucks beispielsweise hat sein Wirtschaftssystem perfektioniert, wer gegen solche Riesen mithalten will, der sollte mehr können als guten Kaffee. „Ich habe meinen Einkauf optimiert, weniger Lebensmittel werden verschwendet“, sagt Wienhold. Sein iPad-Kassensystem verrät ihm außerdem, welche Umsätze welcher Mitarbeiter macht, und welche Produkte gerne zusammen bestellt werden.
Kein Schein verschwindet in der falschen Tasche
Weitere Pluspunkte für den Gastronomen in der bargeldlosen Welt: Kein Schein verschwindet in der falschen Tasche, man benötigt keine großen Sicherheitsvorkehrungen mehr und man spart sich Gebühren bei der Bank. „Jedes Mal, wenn ich unseren Tagesumsatz zur Bank bringe, kostet mich das Einzahlgebühren“, sagt Mario Bonillo von Macaibo. Vor einem guten Jahr eröffnete er sein Restaurant für Spezialitäten aus Venezuela in Altona-Altstadt: „Ich nutze meine Zeit lieber zum Kochen als zum Geldzählen.“