Hamburg. Hamburger Rösterei plant erste Filiale in der Innenstadt. Hotels, Werber und ein Sternekoch setzen auf die Spezialitäten.
Die große Tür ist drin. An der Schaufensterscheibe klebt das Firmensignet: „Elbgold coming soon“. Nur noch wenige Wochen, dann eröffnet die Hamburger Kaffeerösterei die erste Filiale in Innenstadtlage. In dem Neubau an der Schauenburgerstraße wird im Moment noch kräftig gewerkelt. „Wir hoffen, dass es nach Verzögerungen durch den G20-Gipfel jetzt zügig vorangeht“, sagt Annika Taschinski. Gemeinsam mit Thomas Kliefoth betreibt sie Elbgold, bislang gehören drei Cafés dazu. Bis Jahresende sollen es fünf sein. Parallel zu dem neuen Standort in Rathausnähe baut das Gründerpaar gerade an einer weiteren Filiale in Winterhude.
In anderen Unternehmen würde man jetzt über den Wachstumskurs, Expansionspläne und Umsatzentwicklung sprechen. Bei Elbgold ist das etwas anders. Taschinski und Kliefoth stehen an der Theke ihres Firmensitzes in den Schanzenhöfen und tun das, was sie am liebsten tun: über Kaffee reden. Naja, das stimmt nicht ganz. Noch lieber trinken sie Kaffee, und entwickeln neue Ideen rund um die Bohne. „Den müssen Sie unbedingt probieren“, sagt Co-Chefin Taschinski und gießt einen kräftigen Schluck ein. „Der Kaffee kommt aus Honduras und wurde gerade bei einem internationalen Wettbewerb ausgezeichnet.“ Mhm, irgendwie besonders. Fruchtig-aromatisch, ohne zu viel Säure. Kaffee-Gourmets schmecken Feige, Kirsche und Paranuss heraus.
Seit 2010 ist die Rösterei am Hamburger Fleischgroßmarkt
Bester Rohkaffee, direkt gehandelt und frisch geröstet: Das ist das Konzept von Elbgold. Vor 13 Jahren erfüllten sich die Kaffee-Enthusiasten ihren Lebenstraum und starteten als Quereinsteiger mit dem Slogan „Hamburger Edelbohnen“, um die Kaffeeröster-Tradition in der Hansestadt zu beleben. „Und das Bewusstsein für guten Kaffee zu schaffen“, wie sie es nennen. Zunächst in einem kleinen Ladengeschäft am Mühlenkamp, seit 2010 ist die Rösterei in den umgebauten Viehmarkthallen am Hamburger Fleischgroßmarkt in direkter Nachbarschaft zu Tim Mälzers Bullerei und der Ratsherrn-Brauerei.
Das Modell Rösterei und Café funktioniert. Ab 8 Uhr morgens nippen hier hippe Büromenschen an ihrem Cappuccino, essen süße Teilchen aus der Elbgold-Backstube. Geröstet wird Dienstag bis Freitag, die duftenden Bohnen werden aus großen Schütten ab einer Menge von 125 Gramm verkauft. Gerade kommt ein junges Pärchen herein und studiert aufmerksam die Namen und Beschreibungen der unterschiedlichen Kaffeesorten. Sie kommen aus dem dänischen Aarhus, erzählen sie. Den Tipp, auf ihrem Hamburg-Tripp bei Elbgold vorbeizuschauen, haben sie von Freuden bekommen. Beraten werden sie von Elbgold-Chefin Taschinski persönlich. Schließlich entscheiden sie sich für einen Kaffee aus Äthiopien, mit Geschmacksnoten von Jasmin, Honig und Granatapfel. 250 Gramm für 9,90 Euro.
Pro Jahr werden 100 Tonnen Kaffeebohnen geröstet
„Wir kaufen nur sehr hochwertige Sorten“, sagt die 45-Jährige. Die Qualität wird nach einem international vergleichbaren Punktesystem von 0 bis 100 bewertet. Bei Elbgold haben sie immer mehr als 80 Punkte, der Normalfall sind eher 60 bis 70. Das hat Auswirkungen auf den Preis. Besonders begehrte Rohkaffee-Sorten ersteigern die Kaffee-Spezialisten direkt in den Anbauländern und lassen sie im Container nach Hamburg transportieren. Inzwischen seien langjährige Beziehungen zu den Kaffeebauern gewachsen, manchmal sogar Freundschaften. „Es geht uns um die Partnerschaft mit den Produzenten“, sagt Taschinski.
Die neue Lieferung aus El Salvador und Honduras ist erst vor Kurzem mit dem Schiff angekommen. Jetzt stapeln sich etwa 60 Kilogramm schwere Säcke aus grobem Stoff vor den großen Röstern der Kaffee-Manufaktur. Im Lager liegen noch viel mehr, aus Venezuela, Brasilien, Costa Rica, Guatemala, Indien und Äthiopien.
„Wir rösten etwa 100 Tonnen Kaffeebohnen im Jahr“, sagt Kliefoth. Das reicht nacht seinen Berechnungen für zehn Millionen Tassen Kaffee. Tendenz steigend. Der 45-Jährige ist der Mann für die Produktion und inzwischen ein weltweit gefragter Kaffee-Experte mit Hang zum Experimentieren. Unter dem Namen „Coffee in Good Spirits“ ist gerade eine neue Veranstaltungsreihe gestartet, bei der Kaffee und Alkohol zusammenkommen. Am Kaffeetresen in den Schanzenhöfen hat Kliefoth gerade Nitro Coffee angesetzt. Das ist kalter Kaffee, der mit Stickstoff versetzt wird und als Sommerdrink ähnlich wie Bier aus dem Zapfhahn kommt. Sogar mit Schimmelkulturen versetzt er seine Bohnen, immer auf der Suche nach dem neuen Geschmack.
Hamburg ist ein Zentrum der deutschen Kaffeekultur. Der Hamburger Hafen gilt als Europas wichtigster Umschlagplatz für Rohkaffee. Mit Tchibo hat der deutsche Marktführer hier ebenso seinen Sitz wie Kaffeekönig Darboven. Der Deutsche Kaffeeverband schätzt die Anzahl von Unternehmen, bei denen die Kaffeeröstung der Erwerbstätigkeit dient, deutschlandweit auf rund 650, sagt Hauptgeschäftsführer Holger Preibisch. In Hamburg gibt es etwa zwei Dutzend Betriebe, darunter viele kleine Manufakturen wie die Speicherstadt Kaffeerösterei, Nord Coast Coffee, Playground Coffee oder Carroux. Elbgold gehörte zu denen, die mit ihren hell gerösteten Bohnen im Zuge der sogenannten dritten Kaffeewelle auf den Markt kamen. Einer Bewegung, die für die Produktion von hochqualitativem Kaffee steht, und die Kaffee – ähnlich wie Wein – als Genussmittel, und nicht als bloße Ware betrachtet.
Die Zahl der Mitarbeiter soll von 70 auf bis zu 100 wachsen
Elbgold-Kaffee gibt es längst nicht mehr nur in den eigenen Cafés im Schanzenviertel, in Eppendorf und Winterhude. Auch die Häuser der 25hours Hotels, die Beach-Motels in St. Peter-Ording und Heiligenhafen, Sternekoch Frank Rosin (Dorsten) und die Strandperle schenken die Produkte der Hamburger aus. Zu den Kunden zählen Firmen, darunter die Werbeagentur Jung von Matt. Zum Selbstaufbrühen wird der Kaffee etwa bei Mutterland und im Elbgold-Web-shop angeboten. Inzwischen hat das Unternehmen 70 Mitarbeiter.
Mit den Neu-Eröffnungen werde die Zahl bis Ende des Jahres auf bis zu 100 Beschäftigte steigen, sagt Taschinski. Dass es gleich zwei neue Elbgold-Filialen in der Hansestadt gibt, sei allerdings Zufall. Die Flächen an der Schauenburgerstraße und am Mühlenkamp seien den Kaffeespezialisten angeboten worden. „Das passte. Aber wir verfolgen keinen großen Plan“, sagt sie. Ihre Cafés sehen die Elbgold-Macher eher als Vertriebsweg und Schaufenster für das, was man mit Kaffee alles machen kann. „Kaffee ist unsere Leidenschaft und wir wollen viele Menschen davon begeistern.“ Nach den aktuellen Planungen wird im zweiten Winterhuder Elbgold ab Oktober Kaffee serviert, für die City-Filiale ist November als Eröffnungstermin anvisiert.