Hamburg. Behörden prüfen denkmalgerechte Sanierung der Kaimauern. Bei Rundfahrt-Betrieben löst ein Vorschlag Entsetzen aus.

Die Kaimauern in der historischen Speicherstadt sind offenbar stark abgenutzt und müssen in den nächsten Jahren saniert werden. Weil aber Änderungen am Erscheinungsbild des Unesco-Weltkulturerbes strengen Auflagen unterliegen, beschäftigt sich seit einigen Monaten eine Projektgruppe gleich mehrerer Behörden mit dem Vorhaben. Erste Vorschläge liegen nun vor – und einer davon stößt bei den Barkassen-Betrieben im Hafen auf Entsetzen: Er sieht vor, die Sohle der Fleete um bis zu einen Meter zu erhöhen – und so die Kaimauern im empfindlichen unteren Bereich zu schützen und damit letztlich auch die mehr als 100 Jahre alten Gebäude zu sichern, die dort teils unmittelbar am Wasser und auf der Kaimauer stehen. „Das ist praktisch das Gegenteil einer Elbvertiefung, und wir können dann die Fleete bald nicht mehr befahren“, sagt Barkassen-Betreiber Gregor Mogi, der auch Vorstandsmitglied im Hafenschifffahrtsverband ist.

Speicherstadt

Tatsächlich zählen Hafenrundfahrten mit den knapp 90 Hamburger Barkassen zu einem Kernelement des touristischen Angebots in Hamburg, rund eine Millionen Gäste jährlich buchen Fahrten durch die Speicherstadt, schätzt Mogi. Die Sanierung sei aber eine „vorsorgliche“ Maßnahme, um die Standsicherheit von Kaimauer und Gebäuden auch in den nächsten Jahrzehnten zu gewährleisten, heißt es in der Finanzbehörde, die das Sanierungsprojekt der städtischen Liegenschaft federführend betreibt. Nach Unterlagen, die dem Abendblatt vorliegen, müssen insgesamt 2,2 Kilometer Kaimauern saniert werden. Dort sind Risse und Schäden im Mauerwerk festgestellt worden.

Zeitfenster von vier Stunden

Ursache sei der höhere Wasserdruck, durch einen vergrößerten Tidenhub (Unterschied zwischen Hoch- und Niedrigwasser) der letzten Jahrzehnte. Geschätzte Kosten für die Sanierung: 28,2 Millionen Euro. Eine Sanierungsmöglichkeit wäre nun eben eine zusätzliche Schicht mit hochverdichtetem Sandmaterial am Boden der Fleete. Das aber würde ein Befahren der Fleete enorm erschweren, wenn nicht ganz verhindern, befürchtet Barkassen-Betreiber Mogi.

Derzeit haben die Rundfahrtschiffe ein Zeitfenster von vier Stunden um die Hochwasserzeit, um die beliebten Touren anbieten zu können. Ungefähr 1,50 Meter Tiefgang benötigen die kleinen Schiffe, um dort nicht aufzulaufen. Bei einer Verfüllung um einen Meter würde diese Zeit auf zwei Stunden schrumpfen, fürchtet Mogi. Und nicht nur das. Durch die Strömung könnte sich der aufgetragene Sand verlagern, sodass Untiefen entstehen. Mogi: „Dann könnten wir gar nicht mehr fahren, jedenfalls wäre eine sichere Durchfahrt dann nicht mehr möglich.“

Wie aber letztlich die Sicherung aussehen wird, ist nach Auskunft der Finanzbehörde noch offen. Noch würden verschiedene Möglichkeiten geprüft. Zum Beispiel könnte man auch zusätzliche Spundwände oder auch Stützpfähle vor die Kaimauern setzen. „Das muss aber denkmalgerecht geschehen“, heißt es in der Kulturbehörde. Und Spundwände vor historischem Gemäuer dürften daher kaum die Lösung sein. Seit 1991 steht der rund 1,5 Kilometer lange Lagerhauskomplex mit seiner neugotischen Backstein-Architektur bereits unter Denkmalschutz. Noch strengerer Schutz aber gilt seit Juli 2015. Seitdem zählt die Speicherstadt gemeinsam mit dem benachbarten Kontorhausviertel zum Unesco-Weltkulturerbe.

Schifffahrt vor allem touristisch geprägt

Rund 300.000 Quadratmeter Nutzfläche bieten die alten Backsteinspeicher noch immer und sind trotz strengem Schutz aber kein Museum. Allerdings hat sich die Art der Unternehmen dort stark gewandelt. Seit die Speicherstadt 2001 kein zollfreies Gebiet mehr ist, sind die eigentlichen Hafenbetriebe in moderne Logistikhallen umgezogen. Die Hälfte der Fläche wird heute von Modeunternehmen, Teppichhändlern, Restaurants, Büros und auch Museen belegt.

Und auch die Wasserläufe dort werden nicht mehr als Transportwege genutzt, um direkt von Bord Waren in die Speicher zu hieven. Schifffahrt auf den Fleeten ist heute vor allem touristisch geprägt, eben durch die Hafenbarkassen. Wie lange noch, scheint derzeit offen zu sein.