Hamburg. Beim Planspiel „Jugend im Parlament“ schlüpfen Hamburger zwischen 15 und 21 in die Rolle von Abgeordneten. Grünen-Chefin fing so an.

Einmal im Plenarsaal des Rathauses zu sitzen, Anträge und eine Resolution zu verfassen – „ein cooles Projekt“, dachte Tim Grevecke, Azubi bei der Hamburger Sparkasse, als sein Arbeitgeber ihn über das Planspiel „Jugend im Parlament“ informierte. In die Rolle von Abgeordneten zu schlüpfen und mit anderen Schülern und jungen Erwachsenen zu diskutieren, das reize ihn sehr, sagt der 21-Jährige aus Buxtehude. „Ich möchte erfahren, wie genau Politiker arbeiten und was zu tun ist, wenn man mitbestimmen und etwas bewegen will im Land.“

Dazu hat er nun fünf Tage lang Gelegenheit: Mit mehr als 100 Gleichgesinnten zwischen 15 und 21 Jahren aus 48 Schulen, 18 Unternehmen sowie zwei Hochschulen wird Grevecke bis zum Freitag hinter die Kulissen der Politik schauen. Jedes Jahr lädt die Hamburgische Bürgerschaft dazu ein. Wer mitmachen will, muss sich bewerben. In diesem Jahr findet die Simulation im Rathaus zum 23. Mal statt.

Grevecke hat schon an einem Wirtschaftsplanspiel teilgenommen. Dabei mussten die Teilnehmer Unternehmen gründen. „Es war spannend, in der Gruppe zu beraten, wie die Unternehmen wachsen sollen“, erzählt er. „Wirtschaft hat auch mit Politik zu tun. Darüber weiß ich allerdings noch wenig.“

Auch Grünen-Chefin nahm 1999 am Planspiel teil

Im Rathaus werden der Azubi und seine Mitstreiter einen Crashkurs in Sachen Parlamentsarbeit absolvieren. Sie werden ein Präsidium wählen, Themen vorschlagen, Ausschüsse bilden, recherchieren und debattieren. Anschließend werden sie Abgeordnete befragen, über ihre Arbeitsergebnisse diskutieren und Ausschussberichte schreiben. Schließlich werden sie über Entwürfe für eine Erklärung abstimmen.

Die endgültige Fassung geht an Carola Veit (SPD), Präsidentin der Bürgerschaft. Sie wird die Resolution an die Abgeordneten übergeben. „Wir nehmen die Anliegen der Jugendlichen ernst“, sagt Veit. Die Resolution werde als Drucksache in die Bürgerschaft eingebracht. „Ich wünsche mir, dass die Jugendlichen uns Abgeordneten mit ihren Ideen richtig viel Arbeit machen. Denn das zeigt uns, dass sie etwas bewegen wollen zum Wohle unserer Stadt.“

Sich als Politikerin fühlen

An der Resolution mitarbeiten wird auch Mascha Metze. Die 15 Jahre alte Gymnasiastin aus Barmbek machte vor Kurzem ein dreiwöchiges Praktikum in der Fraktion der Linken. Dabei verfolgte sie eine Sitzung der Bürgerschaft im Plenarsaal, besuchte Ausschusssitzungen und beschäftigte sich mit einer Großen Anfrage – „eine tolle Erfahrung“, wie sie sagt. „Nun möchte ich noch etwas weitergehen und ausprobieren, wie sich das anfühlt, Politikerin zu sein“, sagt Metze.

Wie Tim Grevecke treibt auch die Schülerin das Bedürfnis an, etwas zu verändern. „Ich möchte nicht bloß herumsitzen und zusehen, wie andere entscheiden“, sagt sie. Einer Partei angeschlossen haben sich Metze und Grevecke noch nicht. Beide können sich aber vorstellen, politische Ämter zu übernehmen. Anna Gallina ist diesen Weg schon gegangen. Die heutige Chefin der Hamburger Grünen nahm 1999 an dem Planspiel „Jugend im Parlament“ teil. „Es war großartig“, sagt sie. Sie war 16 Jahre alt damals und genoss es, mit so vielen jungen Leuten zusammen zu sein, die sich ebenfalls für Politik interessierten. „Es waren spannende, aber auch harte Auseinandersetzungen, die wir im Plenarsaal geführt haben“, sagt Gallina, die sich als Schülerin und Studentin in der „Sozialistischen Deutschen Jugend – Die Falken“ engagierte, bevor sie den Grünen beitrat.

Von der Arbeit in Hamburgs Landesparlament hatte sie bis dahin nur eine grobe Ahnung. „Nach dem Planspiel konnte ich besser nachvollziehen, wie bestimmte Entscheidungen in der Bürgerschaft zustande kommen, weil ich die Prozesse dahinter verstanden hatte“, sagt Gallina. „Schön und ermutigend fand ich es, dass wir Schüler damals von den Abgeordneten so viel Wertschätzung bekommen haben.“ Seit 2015 ist sie selbst Mitglied der Bürgerschaft.

Planspiel motiviert, sich stärker zu engagieren

Im selben Jahr wie Gallina nahm auch Danial Ilkhanipour an dem Planspiel teil. Er war damals 18 Jahre alt, bereits Mitglied der Jusos und wurde zum Präsidenten des Jugendparlaments gewählt. Der SPD-Politiker erinnert sich an ein mitunter „zähes Ringen“. „Eine Meinung zu haben heißt ja noch lange nicht, diese ohne Weiteres durchsetzen zu können“, sagt Ilkhanipour. „Man muss argumentieren und überzeugen, um Mehrheiten zu gewinnen. Das ist zwar anstrengend, macht aber auch unfassbar viel Spaß.“

Für besonders wichtig hält Ilkhanipour den Austausch mit den Abgeordneten. „Vielleicht stellt man dabei als Jungparlamentarier fest, dass man bei der einen oder anderen Frage eine naive Vorstellung von bestimmten Dingen hat. Andererseits werden die Abgeordneten vielleicht auf Ideen gestoßen, auf die sie aus „Betriebsblindheit“ nicht selber kamen.“ Ihn habe das Planspiel damals motiviert, sich stärker politisch zu engagieren, sagt Ilkhanipour. Wie Gallina ist er seit 2015 Mitglied der Bürgerschaft. Als beide 1999 an dem Planspiel teilnahmen, dauerte es nur drei Tage. Zu kurz fanden Gallina, Ilkhanipour und ihre Mitstreiter. Sie forderten, „Jugend im Parlament“ müsse länger dauern – mit Erfolg.