Hamburg. Schütt Optik will mit Drogeriekette günstige Sehhilfen mit individuellen Gläsern anbieten. Protest aus der Branche stoppt das Projekt.
Eigentlich ist es schon ziemlich unfair. Wer eine Sehschwäche hat, muss dafür auch noch teuer bezahlen. Wenn man eine Brille beim Optiker kauft, kommt schnell einiges zusammen: Fassung, Gläser, möglicherweise Sonderleistungen und natürlich die persönliche Anpassung. Dafür kann sich der Kunde auf Beratung und Handwerksqualität eines Meisterbetriebs verlassen. Das kostet eben.
Die Frage ist, ob das immer notwendig ist. Schon seit Jahren liegen in vielen Läden einfache Lesebrillen oder auch Kontaktlinsen in den Regalen. Die Drogeriekette Budnikowsky wollte noch einen Schritt weitergehen. In Kooperation mit dem Hamburger Optiker Schütt hatte Budnikowsky Ende Oktober einen Testlauf gestartet, um auch Brillen mit individueller Sehstärke anzubieten. Das Projekt läuft unter dem griffigen Namen Budni Brille. Und sorgt für einigen Wirbel in der Branche.
Günstiger Preis
Hinter der Idee steckt Kevin Schütt, 42 Jahre alt und Inhaber des Familienbetriebs mit drei Filialen in Hamburg, Köln und Düsseldorf. Er sagt: „Eine einfache Einstärkenbrille muss man nicht unbedingt anpassen.“ Nach seinem Konzept werden die Brillen in seinem Optikerbetrieb gefertigt und über die 182 Budni-Märkte vertrieben, im Prinzip ähnlich wie im Onlinehandel. Dafür hat Schütt einen Verkaufsstand entwickelt, an dem 90 Muster-Fassungen seiner Eigenmarke präsentiert werden.
Es gibt einen Fertigungsauftrag, in den die Kunden Daten wie Dioptrienwert, Zylinder, Achse und Pupillendistanz eintragen. „Optimal“, sagt Schütt, „ist eine Kopie des Brillenpasses oder des aktuellen Rezepts vom Augenarzt.“ Gleitsichtbrillen werden nicht angeboten. Dann nur noch Gestellnummer, Name, Anschrift, Unterschrift – und der Auftrag läuft. Und das zu einem günstigen Preis: 29,99 Euro in der Einführungsphase, danach 39,99 Euro. Innerhalb einer Woche hat der Kunde seine Brille, ohne ein Optikergeschäft betreten zu haben – mit Rückgabeoption.
Mitte Oktober hatten die Partner Schütt und Budni den Probelauf für die Selbstbedienungsbrille in der Filiale im Harburger Phoenix-Center gestartet, bis Anfang Dezember waren vier weitere Stationen geplant. „Dafür, dass es ein völlig neues Produkt ist, ging es gut los“, sagt Schütt, der schon einige Experimente mit neuen Vertriebswegen in seinem 20-Mitarbeiter-Betrieb initiiert hat. 20 Bestellungen kamen innerhalb einer guten Woche zusammen – dann stoppte Budni das Projekt.
Das hat mit einem Brief zu tun. Absender: die Fielmann AG, ebenfalls mit Sitz in Hamburg. Der unangefochtene Marktführer und Erfinder der Nulltarifbrille meldete nach Informationen des Hamburger Abendblatts in Sachen Budni Brille massive Bedenken an. Hintergrund: Im Augenoptikergeschäft gelten strenge Regularien. „Um eine Korrektionsbrille zu fertigen, sind drei Schritte notwendig: Sehtest, Anpassung und Brillenglaszentrierung.
Fehlerhafte Werte führen zu Nebenwirkungen
Fehlerhafte Werte können zu Nebenwirkungen führen, die wiederum Kopfschmerzen, Unwohlsein und Übelkeit hervorrufen können“, sagt Fielmann-Sprecherin Ulrike Abratis und verweist auf das Medizinproduktegesetz und die Gewerbeordnung, die den Vertrieb von Brillen regeln. „Im Interesse eines fairen Wettbewerbs weist Fielmann Marktteilnehmer, die unserer Auffassung nach gegen geltendes Recht verstoßen, auf die gesetzlichen Anforderungen hin. Entsprechend haben wir auch die Firma Budnikowsky informiert.“
So ganz überraschend kommt der Widerstand in der Branche nicht. Seit Jahren gibt es immer wieder Versuche, die klassischen Vertriebswege auszuhebeln, etwa mit sogenannten Brillenpartys. Oft mit juristischem Nachspiel. Dazu kommt der wachsende Onlinehandel, der unter den bundesweit 12.000 Optikerbetrieben für Unruhe sorgt. Zur Budni Brille positioniert sich der Zentralverband der Augenoptiker und Optometristen entsprechend deutlich.
„Aus unserer Sicht ist es ein Verstoß gegen das Handwerksrecht“, sagt Geschäftsführer Jan Wetzel. Seine Kritikpunkte: Bei den Verkaufsständen in den Budni-Filialen handelt es sich nicht wie in der Gewerbeordnung gefordert um Betriebe, die in der Handwerksrolle eintragen sind, auch sei kein Optikermeister anwesend. Wetzel: „Es drohen Qualitätsprobleme, weil die Brille nicht individuell angepasst wird.“
Aber ganz so klar ist die Sache wohl nicht. Denn die Wettbewerbszentrale, bei Verzerrungen eigentlich immer sofort zur Stelle, sieht bei der Budni Brille aktuell keinen Grund zum Handeln. „Ich sehe im Prinzip keinen Unterschied zum Onlinehandel“, sagt Peter Brammen, Wettbewerbsschützer im Hamburger Büro. Seine Argumentation: „Die Brille wird an dem Stand nur bestellt, ohne dass Personal dabei ist.“
Ein Fall für die Justiz?
Möglicherweise wird die Budni Brille doch noch ein Fall für die Justiz. Budnikowsky hat das Experiment allerdings zunächst auf Eis gelegt. Auf Anfrage des Abendblatts, ob und wann die Brillen wieder erhältlich sind, gab es nur eine ausweichende Antwort. „Da wir immer wieder nach Möglichkeiten suchen, unser Sortiment sinnvoll zu erweitern, haben wir einen Test mit individuellen Sehstärkenbrillen durchgeführt. Wir werden jetzt die Ergebnisse dieses Tests auswerten“, sagt Geschäftsführer Christoph Wöhlke.
Initiator Kevin Schütt will seine Idee auf keinen Fall aufgeben. „Das Angebot gibt es bislang noch nicht auf dem deutschen Markt. Wir decken mit unseren günstigen Brillen einen Bedarf“, sagt er. Sollte sich Budni entschließen, dass das Brillengeschäft zu heikel sei, werde er nach einem anderen Kooperationspartner suchen.