Hamburg. Das Hochwasser am Sonntagmorgen stieg schneller und höher als erwartet. Warum wurde das KatWarn-System nicht mehr ausgelöst?

Die Vorwürfe wiegen schwer: In einem Schreiben an Innensenator Andy Grote beklagt der Wilhelmsburger Unternehmer Werner Krüger, dass nicht ausreichend vor der schweren Sturmflut am vergangenen Sonntag gewarnt worden war. So sei das System KatWarn, das offizielle Katastrophenmeldungen aufs Handy schickt, nicht ausgelöst worden – weder für Wilhelmsburg, wo er am Fährstieg den Gewerbehof „Metallhütte Mark“ betreibt, noch für die HafenCity, wo wegen nicht geschlossener Flutschutztore die Untergeschosse von mehreren Gebäuden überflutet wurden.

„Das von den Hamburger Behörden empfohlene KatWarn-System hat nicht funktioniert“, so Krüger. Schon 2015 seien sein Betrieb und etliche Nachbargewerke überschwemmt worden, weil nicht gewarnt worden war. Den Fehler habe er bislang nur bei den Flutwarnungen beobachtet – im Falle einer bevorstehenden Bombenentschärfung würde das System angemessen warnen. Die Folge der Überschwemmung, die sein Gelände in diesem Jahr 60 Zentimeter unter Wasser setzte: kaputte Toilettenanlagen, Umkleideräume und elektrische Tore sowie Schäden an Werkzeug und anderem Arbeitsmaterial.

Die Innenbehörde weist die Vorwürfe zurück

Auch Jörg Kraft, der seit rund 20 Jahren am Reiherstieg ein Unternehmen für Schiffs- und Industriebedarf betreibt, kritisiert, nicht ausreichend informiert worden zu sein. „Früher, als die Deichwacht noch einen Rundruf gestartet hat, hat das funktioniert.“ Wie schon bei der letzten Sturmflut 2015 habe er auch in diesem Jahr nicht rechtzeitig reagieren können, um auf dem von der Hafenbehörde HPA gemieteten Gelände das Wasser durch Sandsäcke zurückzuhalten oder besonders empfindliche Maschinen aus den Hallen zu bergen. Diese habe er jedoch erst um 10.15 Uhr, als das Wasser wieder ablief, betreten können.

Die Innenbehörde, an die Krüger sein Schreiben geschickt hat, weist die Vorwürfe von sich. „Auf die drohende Sturmflut wurde tagelang im Radio, im Fernsehen und in den Medien hingewiesen“, sagt Sprecher Frank Reschreiter. „Niemand, der in sensiblen, hochwasserbedrohten Gebieten wohnt oder dort Gewerbe betreibt, sollte sich allein auf KatWarn verlassen. Das System ist nur als ergänzende Informationsquelle gedacht.“

Tatsächlich habe er sich auch beim BSH, dem Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie, nach den Wasserständen erkundigt, so Krüger. Dort sei noch um 5 Uhr nur Hochwasser von 4,60 Meter angekündigt worden. Warum weder Krüger noch Kraft noch etwa acht weitere Gewerbetreibende in Wilhelmsburg keine Warnungen über KatWarn erhalten haben sollen, kann sich niemand erklären.

Das Wasser stieg höher als vorhergesagt

Auch die Hafenbehörde HPA hatte in der Flutnacht mehrfach vor Hochwasser gewarnt – über das hafeneigene Programm FlutWarn, das auch über die KatWarn/Schutzengelfunktion verschickt wird. In der Flutnacht seien zwischen 1.15 Uhr und 6.37 Uhr vier öffentliche Meldungen herausgegangen, so HPA-Sprecher Kai Gerullis. Als klar gewesen sei, dass die Flut höher als 5,30 Meter steigt, habe man dann an die Innenbehörde übergeben, die bei Wasserständen ab 5,01 Meter zuständig sei.

Die habe die Bevölkerung aber nicht über KatWarn, sondern ausschließlich über das Warnsystem NINA von dem drohenden Hochwasser informiert, sagt Niklas Reinhardt, Sprecher des Fraunhofer-Instituts, das KatWarn bundesweit als Verteilersystem für Behördeninformationen anbietet. Die Feuerwehr, deren Lagedienst KatWarn derzeit in Abstimmung mit der Katastrophenschutzbehörde und der Polizei auslöst, bestätigt, dafür keine Anweisung erhalten zu haben. „Es blieb nur noch Zeit, mit Böllerschüssen und Lautsprecherdurchsagen auf das bevorstehende Hochwasser hinzuweisen und die Radiosender zu informieren“, sagt Behördensprecher Reschreiter. Warum die letzten Warnungen nur über NINA und nicht über KatWarn versendet wurde, konnte er am Freitag nicht mehr klären.