Hamburg. „Respekt/Harmonie/Unterwerfung“ heißt die neue Schau im Museum für Kunst und Gewerbe. Ein Gespräch mit Direktorin Sabine Schulze.

Haben Tiere Rechte? Dürfen wir Menschen sie für unsere Zwecke benutzen? Sind sie eher Gefährte oder doch Gefahr? Und wie haben Künstler aller Epochen sich diesem Themenkomplex genähert? Die aktuelle Ausstellung „Tiere. Respekt/Harmonie/Unterwerfung“ im Museum für Kunst und Gewerbe wirft viele Fragen auf. ­Einige beantwortet Museumsdirektorin Sabine Schulze im Interview.

Wann hatten Sie Ihre letzte Currywurst?

Sabine Schulze: Ich befürchte irgendwann im letzten Vierteljahr. Die Probleme, die mit dem Konsum von Tierprodukten einhergehen, sind uns allen bekannt, trotzdem tun wir es immer weiter. Ich möchte mich selbst da gar nicht ausnehmen.

Hat die Beschäftigung mit dieser Ausstellung Ihr Verhältnis zu Tieren verändert?

Schulze: Ja, ganz eindeutig. Ich würde jetzt zum Beispiel keine Pelze mehr tragen. Ich habe gerne auf Flohmärkten gekauft, fühle mich da aber einfach nicht mehr wohl drin. Nach wie vor esse ich Tierisches, aber für meinen Mann und mich ist es wichtig, das ganze Tier zu verarbeiten, sei es nun ein Huhn oder ein Fisch, und möglichst wenig wegzuwerfen. Fleisch zu essen finde ich grundsätzlich legitim. Tiere fressen einander ja auch. Der Konsum sollte nur bewusst sein. Was mich rasend macht, sind die vielen Parka mit Fellkapuzen, die man jetzt überall sieht. Dieser Fellbesatz kommt eigentlich aus dem Schamanismus, die Kraft des Tieres wird auf den Menschen übertragen, aber bei uns ist das nur noch ein Modeaccessoire.

Die Ausstellung

Hat sich die Sicht auf die Welt der Tiere im Laufe der Kunstgeschichte verändert?

Schulze: Der Blick auf das Tier verändert sich andauernd. Die Ägypter haben in den Tieren ihre Götter wiedergefunden und sich deshalb auch mit Tiermumien bestatten lassen. Das waren teilweise Tiere, die sie kannten und mochten und auf ihrer Reise ins Jenseits dabeihaben wollten. Sie haben Tiere allerdings auch massenhaft gezüchtet, damit sie als Grabbeigaben zur Verfügung zu stehen. Und die wurden offenbar nicht zimperlich gehalten. Die Ambivalenz im Umgang war damals bereits da: Man verehrt das Tier einerseits, nimmt sich aber auch heraus, es für seine Zwecke zu benutzen.

Tiere können treue Freunde, aber auch sehr bedrohlich sein. Welche Motive sind in der Kunstgeschichte besonders häufig?

Schulze: In der Antike gab es diese Mischwesen – den Minotaurus, die Sirene, die Sphinx –, die verunsichern, weil man nicht weiß, wo das Tiersein aufhört und das Menschsein anfängt. Oft gibt es im Verhältnis Mensch/Tier sexuelle Konnotationen: Wir präsentieren in der Ausstellung etwa die Skulptur eines Gorillas, der eine Frau raubt, wir zeigen den Film „King Kong und die weiße Frau“. Das Motiv des sich gegenseitig Bemächtigens, Verführens, Vergewaltigens hat es in der Kunstgeschichte immer wieder gegeben. In der Moderne, im Zeitalter der Aufklärung, verstärkte sich die Tendenz, das Tier als etwas Bedrohliches zu zeigen. Im Mittelalter beispielsweise wurde der Affe mit dem Teufel in Verbindung gebracht.

Gibt es Lieblingstiere, die besonders häufig gemalt worden sind?

Schulze: In unserer Ausstellung sind Affen sehr häufig zu sehen. Schon bei den alten Ägyptern hatten die eine besondere Rolle. In der Zeit der Aufklärung kamen die ersten Menschenaffen nach Europa, wurden dort aufgeregt bestaunt, oft menschenartig gehalten. Wir zeigen unter anderem das Bild eines Orang-Utans, der mit einer Silbergabel von einem Porzellanteller eine Erdbeere frisst. Er wurde in Den Haag am Hof gehalten. Es gibt eine sehr berührende Aufzeichnung seiner Zeit dort, in der beschrieben wird, wie er die menschliche Gesellschaft suchte, wie er weinte, wenn der Mensch fortging, aber dann eben doch mit einem letzten Seufzer starb, weil er nicht artgerecht gehalten wurde. Die Menschen haben schnell gemerkt, dass der Affe etwas Besonderes ist. In einer der Höhlenmalereien, die wir zeigen, kommt er ebenfalls vor und spielt sein eigenes Spiel.

Es gibt auch die berühmte Affenkapelle aus Porzellan. Bei uns ist eine Variante aus den 20er-Jahren zu sehen, in denen die Affen in zeitgenössischer Kleidung Jazz spielen. Da liegt der Gedanke an den Begriff der „Negermusik“ nahe, und tatsächlich spielt ein rassistischer Unterton in solchen Darstellungen eine Rolle. Auch hier zeigt sich eine gesellschaftliche Ambivalenz: Einerseits werden den Affen hübsche Kleidchen angezogen, werden sie vermenschlicht, auf der anderen Seite werden sie, weil sie dem Menschen so ähneln und man die Ergebnisse für übertragbar hält, für Tierversuche gebraucht. Wir lieben sie, wir hätscheln sie, wir töten sie.

Spielen in der aktuellen Kunst Themen wie Tierversuche, Tierrechte oder Veganismus eine Rolle?

Schulze: Es gibt heute eine breite Künstlerszene, die sich mit diesen Themen sehr dezidiert auseinandersetzt. Das Verhältnis von Mensch und Tier ist noch nie so intensiv diskutiert worden wie in unserer heutigen Zeit. Ein Grund dafür dürfte die radikalisierte Art des Tierkonsums sein, es gibt ja etwa in Schleswig-Holstein mehr Hühner als Menschen. Viele erkennen, dass wir zu viel konsumieren und versuchen müssten, Tiere stärker zu schützen. Ich bin nicht sehr optimistisch, dass eine Veränderung so ohne Weiteres möglich ist, schließlich gehen wir in vielen Teilen der Welt mit Menschen kaum besser um.

Warum dieser Hype um Katzenvideos?

Schulze: Darüber kann ich nur mutmaßen, interessant ist aber, dass es sich ja bei der Katze um ein sehr eigenständiges Tier handelt. Dieses Tier wird nun für Videos verkleidet. Die Katzen werden nicht in ihrem Selbstsein gezeigt, sondern vermenschlicht und darauf abgerichtet, drollige Dinge zu tun. Auch hier geht es um Beherrschung. Es tut den Tieren vermutlich nicht weh, so aufzutreten, aber ein sonderlich respektvoller Umgang ist das auch nicht. Wir zeigen in der Ausstellung übrigens eines der ersten Katzenvideos überhaupt, es stammt vom Ende des 19 Jahrhunderts. Darin wirft Étienne-Jules Marey eine Katze immer wieder in die Luft, um zu ergründen, wie sie stets auf die Pfoten fällt.

Welche Anregungen sollen Besucher aus der Ausstellung mitnehmen?

Schulze: Wir können die Welt vom Steintorplatz aus nicht ändern, aber wir können Denkanstöße geben. Uns geht es darum, für das Verhältnis des Menschen zum Tier zu sensibilisieren. Wenn Besucher ihre eigene Haltung zu diesem Thema reflektieren, wäre das ein Erfolg.

Ein Ziel wäre also erreicht, wenn die Menschen, die die Ausstellung gesehen haben, anschließend nur noch halb so viele Currywürste essen ...

Schulze: Genau! (lacht)