Hamburg. Das Museum für Kunst und Gewerbe überrascht mit einer Ausstellung – und ordnet seine Fotosammlung neu.

Das Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg (MKG) ist auf die Tiere gekommen. Noch vor der gleichnamigen Ausstellung (3.11.2017– 4.3.2018) eröffnet eine Schau, die einem beliebten gefiederten Freund des Menschen gewidmet ist: dem ­Vogel. Die Ausstellung „Jochen Lempert/Peter Piller. Fotografie neu ordnen: Vögel“ mit den Werken der beiden Hamburger Fotografen entstand im Dialog mit der Sammlung für Fotografie und neue Medien des Hauses und markiert zugleich einen entscheidenden Wendepunkt. Denn nach jahrelanger Vorbereitung und Planung hat die hochkarätige Sammlung, die als eine der ältesten und wertvollsten in Deutschland gilt, endlich ein zentrales Depot im MKG – inklusive Studienraum und einer eigenen ständigen Ausstellungsfläche.

Die Ausstellung

Hatte Esther Ruelfs, seit 2012 Leiterin der Sammlung Fotografie und neue Medien, bislang einen schmalen Gang zur Verfügung, um die Sammlung im Kontext zu zeigen, stehen nun 140 Quadratmeter Fläche in runderneuerten ehemaligen Mode-Depot-Räumen zur Verfügung. Und der zuvor über das ganze Haus vom Dachboden über die Bibliothek bis in den Tiefkeller verteilte Fotografiebestand von 75.000 Objekten wird nun auf 120 Quadratmetern geschlossen gelagert.

Eigene Bilder im Bezug zur Sammlung

Die empfindlichen Exponate liegen in säurefreien Schachteln in Schrankschubladen unter klimatisch optimalen Bedingungen in einem auf 18 Grad gekühlten Raum ohne Tageslicht bei 40 Prozent Luftfeuchtigkeit. Am neuen Studientisch, an dem Gäste auf Anfrage ausgewählte Fotografien einsehen können, haben schon die Fotografen Peter Pillar und Jochen Lempert mit weißen Schutzhandschuhen hantiert, um mit ihrem Ausstellungsthema „Vögel“ nicht nur selbst als Künstler in Erscheinung zu treten, sondern auch mit der Auswahl von Sammlungsexponaten kuratorisch tätig zu werden.

Der studierte Biologe Lempert, Jahrgang 1958, erkundet bereits seit den 1990er-Jahren die Verbindung von Fotografie und Natur. Seine matten, ungerahmten Silbergelatineabzüge wirken wie Gemälde. Mal sieht man einen winzigen Vogelschwarm in der Ferne vor reinem Himmel-Weiß, mal zeigen sie einen exotischen, großschnabeligen Tukan. Vor allem seine Serie mit „Ptaki-Birds“ führt in neun faszinierenden Porträts unterschiedliche Vogel-Persönlichkeiten vor.

Hamburger Vogelleben an der Alster

Demgegenüber hat Peter Piller, Jahrgang 1968, die Leidenschaft für die Vogelfotografie erst vor zwei Jahren gepackt. Dann aber so richtig. Inzwischen liegt er drei Viertel seiner Freizeit auf der Lauer, beobachtet die scheuen und klugen Flucht-Tiere und wartet auf den richtigen Moment, um auf den Auslöser zu drücken. Er sei „der Welt abhandengekommen“, sagt er. Seine Aufnahmen, hoch aufgelöste C-Prints der eigens für diese Schau angefertigten Serie „behind ­time“, zeigen eigentlich einen verfehlten Moment, nämlich den, in dem der „Eichelhäher“ (Werktitel), „Eisvogel“ oder „Habicht“ wegfliegt und man ihn nur noch ausschnitthaft von hinten sieht. Gerade diese „missratenen“ Bilder entfalten jedoch in der Komposition mit der abgebildeten Landschaft eine ganz eigene poetische Kraft.

Ihnen sind Sammlungsobjekte zugeordnet, etwa der ehrwürdige „Kronenkranich“ oder der irritierend menschlich schauende „Waldkauz“ von Johann H. W. Hamann (1859–1935). Oder „Seeadler und Nebelkrähen“ von Walter Hege (1893–1955) aus den 1930er-Jahren. Oder das „Morgenlied am Meer“ von Fee Schlapper (geb. 1927) von 1959. Schwäne, Möwen und Turteltauben bevölkern die zahlreichen Exponate, von denen etliche auch das Hamburger Vogelleben an der Alster spiegeln.

Ein Kraftakt

Möglich wurde die neue Infrastruktur der Fotosammlung durch die Initiative „Kunst auf Lager“ und vor allem eine großzügige Förderung der Hermann Reemtsma Stiftung in Höhe von 600.000 Euro. Hinzu kamen Gelder der Kulturstiftung der Länder, der Wüstenrot Stiftung und der „Zeit“-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius. Die Gesamtkosten – inklusive Restaurierung und Rahmung historischer Fotografien, ihres wissenschaftlichen Erschließens und der Digitalisierung von 9000 Werken – belaufen sich auf eine gute Million Euro. Ein Kraftakt, der nun den Besuchern zugutekommt.