Hamburg. Senator betont auf Symposium deren Bedeutung für die Lebensqualität. Angebot soll bei Wohnungsbau künftig stärker mitgeplant werden.

Der Trend scheint unumkehrbar. Im Jahr 2008 wohnten auf der Welt erstmals mehr Menschen in Städten als auf dem Land. Auch in Deutschland hat die Landflucht längst eingesetzt. Me­tropolen wie Hamburg profitieren davon. In den nächsten 15 Jahren werden rund 200.000 Zuzügler erwartet, die Stadt hätte dann erstmals mehr als zwei Millionen Einwohner. Das stellt nicht nur Herausforderungen an den Wohnungsbau, mindestens ebenso große an die dazugehörende Infrastruktur.

„Wachstum muss mit wachsender Lebensqualität einhergehen. Das sollte unser Ziel sein“, fordert in diesem Zusammenhang Innen- und Sportsenator Andy Grote. Der SPD-Politiker hielt beim Symposium „Hamburger Stadtentwicklung durch Sport“ in der Kühne Logistics University in der HafenCity den Eröffnungsvortrag. Eingeladen hatten Grotes Behörde für Inneres und Sport, die Stadtentwicklungsgesellschaft GmbH (Steg), der Hamburger Sportbund (HSB) und die Hamburger Großvereine, Clubs mit mehr als 2500 Mitgliedern. Matthias Iken, stellvertretender Chefredakteur des Abendblatts, moderierte die viereinhalbstündige Veranstaltung.

60.000 neue Vereinsmitglieder

„Wer bringt Bewegung ins Quartier?“, lautete die Fragestellung. 200.000 zusätzliche Einwohner führen erfahrungsgemäß zu 60.000 neuen Mitgliedern in den Sportvereinen, zudem müssen 40.000 Kinder beschult und 5000 Kitaplätze vorgehalten werden. Das verlangt mehr Sporthallen, -plätze, Bewegungsräume, bespielbare Schulhöfe – auch kreative Ideen wie doppelstöckige Hallen auf begrenztem Raum, notfalls auch Fußballfelder auf Dächern, wie in Berlin bereits in Betrieb und von der Handelskammer Hamburg für das Holstenquartier auf dem Dach der Metro an der Stresemann­straße vorgeschlagen.

„Bis 2020 werden bei gleich bleibendem Tempo im Wohnungsbau jährlich 50 Millionen Euro zusätzlich für soziale, sportliche und Bildungsinfrastruktur erforderlich sein“, rechnete Steg-Geschäftsführer Martin Brinkmann vor. Im Verbund von Politik, Verwaltung, Wohnungswirtschaft, sozialen Trägern und den Vereinen, da waren sich alle Redner einig, könnten entsprechende Konzepte umgesetzt werden, aber nur dann, wenn Planungen frühzeitig, vor der ersten Architektenzeichnung unter den Interessengruppen abgestimmt sind. Bei der Entstehung des neuen Quartiers Oberbillwerder werde das nach allgemeiner Einschätzung gerade vorbildlich praktiziert.

Sport­flächenentwicklung ist wichtig

„Für die Entwicklung lebenswerter, attraktiver Wohnquartiere haben leicht zugängliche und einladende Sportanlagen dieselbe zentrale Bedeutung wie Kitas, Grünanlagen oder die Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr“, betonte Grote. „Für Hamburg als ,ActiveCity‘ bedeutet Stadtentwicklung auch Sport­flächenentwicklung. Wir investieren deshalb so massiv wie nie zuvor in Sporthallen, Sportplätze und Vereinssportanlagen und wollen Sportbedarfe in Stadtplanungsprozesse künftig noch früher und intensiver einbeziehen.“ Den Bedarf an Sportflächen und die Nutzung dieser ermittelt gerade das Sportamt. Die Ergebnisse sollen im Frühjahr 2018 vorliegen.

Sportflächen und Wohnungsbau schienen bislang in Hamburg Konkurrenten um die knappe Ressource Fläche. In der HafenCity gibt es zwar 20 Bewegungsfelder, aber keinen wettkampftauglichen Fußballplatz. Daher überraschte das Statement von Peter Jorzick. „Sports sells!“, Sport verkauft, behauptete der geschäftsführende Gesellschafter des Projektentwicklers HTP Hamburg Team. Es sei auch im ökonomischen Interesse der Wohnungswirtschaft, zufriedene Mieter und Eigentürmer zu haben. Fluktuation und Leerstand in den Quartieren seien erhebliche Kostenfaktoren, Sanierungen, Beseitigung von Vandalismus die Folge. Sporträume, sagte Jorzick, führten zu einem höheren Wohlbefinden, zu einer längeren Verweildauer. Wie weit sich aber Immobilienunternehmen an der Finanzierung dieser Einrichtungen beteiligen sollten, blieb ein strittiger Punkt.

Zwei wichtige Player fehlten

Unumstritten ist für Falko Droßmann die therapeutische und integrative Wirkung des Sports. „Wir stecken derzeit 60 Millionen Euro in Familien-, Erziehungshilfen und Betreuungsmaßnahmen, und es wäre vermutlich die drei- oder vierfache Summe, wenn unsere Sportvereine in Billstedt und Horn in der Prävention nicht Hervorragendes leisten würden“, sagte der Bezirksamtsleiter Mitte. In Horn wird er einen Versuch starten: Der Bezirk stellt eine Summe zur Verfügung, die alle sozialen Träger, darunter auch Sportvereine, nach eigenem Ermessen unter sich aufteilen, um ihre Ziele zu erreichen. Droßmanns Vermutung: Mehr Mittel in der Prävention, mehr Geld also auch für Sport und Bewegung, würden mittelfristig die Ausgaben für soziale Reparaturarbeiten deutlich verringern.

Zwei wichtige Player in der Debatte um Sport und Stadtentwicklung fehlten diesmal – trotz persönlicher Einladung. „Das nächste Mal müssen Vertreter der Schul- und Stadtentwicklungsbehörde dabei sein, schließlich werden 90 Prozent der Hallen, die die Vereine nutzen, von Schulbau Hamburg gebaut oder renoviert“, klagte Veranstalter Ulrich Lopatta, der Vorstandssprecher der Großvereine.