Hamburg. Er war vier Jahrzehnte lang für die Plätze und Anlagen in der Stadt verantwortlich. Künftig müssen die Vereine auf ihn verzichten.
Auf seinem Schreibtisch liegt noch aufgeschlagen der Masterplan „Active City“, auf den Regalen dahinter stapeln sich Strukturmodelle von Kunstrasenplätzen, an der Wand seines Büros im achten Stock am Klosterwall 6 hängen Bilder von der Regattastrecke in Allermöhe und der Radrennbahn in Stellingen. Was er davon mit nach Hause mitnehmen wird, hat Rainer Hansen noch nicht entschieden.
Ende des Monats geht der 65-Jährige, verheiratet seit 42 Jahren, Vater von vier erwachsenen Kindern, in Pension. Nach 39 Jahren im Dienste des Sports. Eine Zäsur – nicht nur für ihn. Keiner weiß mehr über die Sportanlagen der Stadt, über ihren Zustand, ihre Lebensdauer, über die Nöte und Wünsche der Vereine als der Diplom-Architekt. Sein Wirken ist in unzähligen Aktenordnern dokumentiert. Die aktuellen Vorgänge lagern im Nebenraum seines Büros, der Rest im Keller des Bezirksamts Mitte.
Motor für Ausbau der Sportstätten
„Rainer Hansen war über Jahrzehnte ein entscheidender Motor für den Ausbau der Sportstätten unserer Stadt“, sagt Sportsenator Andy Grote (SPD). „Ich kenne niemanden, der sich in vergleichbarer Weise um diese Projekte verdient gemacht hat. Der Hamburger Sport verdankt ihm viel.“ Keine Sportanlage in den vergangenen vier Jahrzehnten wurde in Hamburg ohne seine Einwilligung und Expertise gebaut, instand gesetzt oder modernisiert. „Ich kenne sie alle“, sagt Hansen.
Deshalb hat sein Urteil Gewicht: „Hamburg hat 150 öffentliche Sportanlagen mit 224 Fußballplätzen, 115 davon werden bis ins Jahr 2020 mit Kunstrasen ausgestattet sein, der eine viermal höhere Nutzung zulässt als Naturrasen. Jedes Jahr werden sechs bis acht Plätze umgewandelt. Die Stadt besitzt damit eine leistungsfähige sportliche Infrastruktur. Darauf kann sie stolz sein.“
Auch privat immer Sport getrieben
Am 16. Mai 1978, das Datum weiß er noch genau, trat Hansen seine Arbeit im Sportamt an, zuständig für Sportstätten-Leitplanung. Die Stelle war zunächst befristet, sie wurde seine Lebensaufgabe. „Hätte ich mir einen Job wünschen dürfen, es wäre exakt dieser gewesen. Sport und Bauen, das passte“, sagt er. Doch bevor zusammenkam, was zusammengehörte, bedurfte es eines Zufalls. Nach Ende seines Studiums wollte Hansen beim Arbeitsamt für ein paar Wochen „Stütze“ beantragen, als er plötzlich einem Freund gegenübersaß. „Du, ich habe da was für dich“, sagte dieser, „das könnte dir gefallen.“
Hansen liebt den Sport. Er spielte Fußball, schwamm, ruderte, fuhr Ski, trieb Leichtathletik, war als Fußball-Schiedsrichter aktiv. Und er liebt es zu planen, zu gestalten. Großes ist dabei für die Stadt entstanden: 2004 die Leichtathletik-Trainingshalle in Winterhude. Oder die Radrennbahn und Eishockeyanlage in Stellingen, 1966 erbaut, die 1994 die damals größte Membranüberdachung Europas erhielt.
Auch Bauherr
Vor vier Jahren wurden Hansens Aufgaben vom Sportamt in das Bezirksamt Mitte verlegt. „Bau und Instandhaltung der städtischen Anlagen liegen nun in einer Hand. Das war eine gute Entscheidung.“ Seitdem trat er nicht nur als Planer, sondern auch als Bauherr auf.
Die jüngsten Diskussionen um die Bedeutung von Bewegungsräumen für die Stadt, dass die Bedürfnisse des Sports bei der Planung neuer Quartiere nicht von Anfang an mitgedacht werden, haben Hansen irritiert: „Der Sport sitzt bei diesen Projekten mit am Tisch. Die Stadt braucht Flächen für den Wohnungsbau, daher gibt es heute nicht mehr überall den Sportplatz um die Ecke, aber immer noch in akzeptabler Nähe.“
Einziger „schlimmer Sündenfall“
Einziger „schlimmer Sündenfall“ sei in seiner Amtszeit die HafenCity gewesen, für die kein wettkampfgerechter Sportplatz vorgesehen war, weil die explodierenden Kosten der Erschließung des Geländes nur refinanziert werden konnten, wenn jeder Quadratmeter bebaut wurde. Der ortsansässige Störtebeker SV muss mit seinem Spielbetrieb in benachbarte Quartiere ausweichen.
Hansens Nachfolger wird Torge Hauschild (40), ein Diplom-Landwirtschaftsarchitekt. Ihn arbeitet er seit ein paar Monaten in die Geheimnisse des Hamburger Sports ein. Als Berater steht Hansen weiter zur Verfügung, auch wenn er schwer zu erreichen sein wird. Er besitzt ein Handy, benutzt es aber kaum. „Es kann keine Angelegenheit so wichtig sein, dass sie nicht auch eine Stunde warten könnte.“
1998 hat Rainer Hansen angefangen, zu Hause eine Modelleisenbahn aufzubauen. Ihr will er sich nun verstärkt widmen. Er weiß aber auch: „Es gibt nichts Langweiligeres als eine fertiggestellte Modelleisenbahn.“ Er wird sich Zeit lassen. Die hat er jetzt.