Hamburg. Seit 20 Jahren ist Thomas Martin Küchenchef an der Elbchaussee – eine Erfolgsgeschichte. Warum es wegen einer Ente Proteste gab.

Ruhiger und gelassener sei er geworden, sagt Thomas Martin. „Man wächst mit den Auf­gaben.“ Und er habe auch gelernt, zu delegieren. Seit 20 Jahren ist der gebürtige Mannheimer Küchenchef im Jacobs Restaurant im Hotel Louis C. Jacob an der Elbchaussee. „Als ich damals das Haus betrat, habe ich mich gleich in das Jacob verliebt. Und dieses Gefühl hält bis heute ungebrochen an.“

Dass er dem Betrieb schon so lange treu ist, hat viele Gründe. „Ich fühle mich hier im Haus sehr wohl, gerade wegen des zeitlos stilvollen Ambientes mit einem gewissen Understatement. Ich konnte und kann meinen Küchenstil entwickeln, der Eigentümer trägt das mit.“ Auch schätze er sein Team und die Kollegen, die Jacob-Familie – auch wenn zwei Direktorenwechsel binnen eines halben Jahres gerade für Unruhe sorgen.

Martin freut sich über neue Chefin

Martin selbst denkt jedoch nicht daran, das Jacob zu verlassen – und sieht die neue Personalie positiv: „Da ich bereits vertrauensvoll mit Judith Fuchs-Eckhoff während ihrer Zeit als Marketing- und Vertriebsdirektorin zusammengearbeitet habe, weiß ich, dass ich auch in Zukunft auf die Unterstützung unserer neuen Direktorin zählen kann“, so Thomas Martin zur neuesten Personalie. „Und ich liebe Hamburg.“

Der Koch hat zwei Michelin-Sterne und 17 von 20 Punkten im Gault Millau erarbeitet, war immer wieder bester Koch der Hansestadt beim Großen Gourmet Preis. Bevor er an die Elbe kam, hatte er schon bei Eckart Witzigmann in München und bei Dieter L. Kaufmann im Restaurant Zur Traube in Grevenbroich gearbeitet.

Ente ja, Froschschenkel nein

Zwei Jahrzehnte Chef am Herd sowie einer 25-köpfigen Brigade – da kommen viele Rezepte, Speisen und Teller zusammen, die der heute 51-Jährige entwickelt, komponiert und angerichtet hat. Seit er sich als junger Mann im klapprigen Kleinwagen nach Frankreich aufgemacht hatte, um dort bei den Großmeistern bestens zu essen, ist die kulinarische Liebe zum Nachbarland geblieben. Martin hat sich im Jacob der ursprünglichen französischen Hochküche verschrieben. „Das bedeutet für mich faszinierende Produkte von kompromissloser Qualität, vorwiegend aus der Region, präzises Handwerk und zeitgemäße Zubereitungstechniken. Das Hauptprodukt steht für mich absolut im Mittelpunkt und wird von geschmacksintensiven Soßen getragen.“

Wie damals bereitet er immer noch die sanft geschmorte Ochsenschulter zu, serviert sie mit glasierten Möhrchen und Kartoffelpüree. Hat die cremig-sämig-aromatische Samtsuppe vom Hummer im Angebot wie auch die knusprig gebratene junge Vierländer Ente. „Die haben wir einmal von der Karte genommen“, so der Küchenchef. „Eine Woche haben wir den Widerstand ertragen, uns dann geschlagen gegeben und die Ente wieder angeboten.“ Schnecken und Froschschenkel sind allerdings nicht mehr im Programm.

Früher sei schwerer gekocht worden, also mit mehr Butter oder Sahne. „Heute ist die Küche leichter, weil es auch neue Techniken gibt.“ Zum Beispiel Sous-vide-Garen. Dafür werden Fleisch, Fisch oder Gemüse mit Kräutern, Gewürzen und Marinaden in einem Kunststoffbeutel vakuumiert und bei Temperaturen von unter 100 Grad im Wasserbad gegart.

Früher waren Gurken lang

Außerdem gibt es laut Martin andere Produkte. „Die Vielfalt ist größer geworden, die Produzenten haben sich etwas einfallen lassen. Früher waren Salatgurken ausschließlich lang, heute ist die kleine Variante selbstverständlich.“

Und kühler ist es in der Küche geworden – dank Induktionskochplatten. Die strahlen nach dem Abschalten keine Wärme mehr ab. Weitere Helfer, die vor 20 Jahren noch nicht in einer Profi­küche standen: Thermomix, Kombi-Dämpfer und ein Pacojet, der tiefgefrorenes Obst oder Gemüse sehr fein püriert für Soßen, Suppen oder Sorbets.

Der Küchenchef sieht seine Kreationen nicht als abstrakte Kunst oder Wissenschaft, sondern beruft sich auf die Ursprünglichkeit der Produkte. „Ich habe gern klassisch elegante Teller“, sagt Martin. „Hier noch einen Klecks, da noch ein Schäumchen und noch ein Würfelchen gibt es bei mir nicht.“ Sein Motto: „Einfachheit auf höchstem Niveau“.

Pop-up-Restaurant in der HafenCity geplant

Sein Wissen hat er übrigens auch an ausgezeichnete Köche in Hamburg weitergegeben. Boris Kasprik (Petit Amour) Kiril Kinfelt (Trüffelschwein) und Frederic Morel (Se7en Oceans) haben alle einen Michelin-Stern und in Martins Mannschaft gearbeitet.

Der Gourmet-Experte sagt, er koche in erster Linie für den Gast, unabhängig davon, ob es sich bei diesem um einen privaten oder geschäftlichen Besuch handelt oder um einen Tester. „Meine Gerichte werden allerdings immer Sterneküche sein.“ Über die Jahre hat er beobachtet, dass die Menschen über Produkte besser informiert sind. „Die Auswahl an gastronomischen Betrieben in Hamburg ist groß, die Leute reisen mehr.“ Und die Kunden seien wagemutiger geworden. „Sie essen jetzt Fisch auch glasig und verstehen, dass ein rar gebratenes Steak innen nicht sehr heiß sein kann.“

Für 2018 kündigen sich Neuerungen an: Voraussichtlich Silvester kochen Thomas Martin und seine Crew noch mal groß auf, dann wird von Mitte Januar an im Zuge von Renovierungsarbeiten auch die Küche modernisiert und umgebaut. „Ostern wollen wir dort wieder Lamm zubereiten“, ist das Ziel des Sternekochs. Die kleine Auszeit für das Jacobs Restaurant nutzen der Chef de Cuisine und sein Team, um in der HafenCity ein neues kulinarisches Pop-up-Projekt zu realisieren. „Der Sommelier und fünf Servicekräfte, sechs Köche und ich sind dabei. Es wird spannend.“ Man dürfe sich nicht auf seinen Lorbeeren ausruhen, nicht stehen bleiben, müsse offen sein für Neues, sich mit den Gästen, Kollegen und Mitarbeitern austauschen. „Das hat seit 1997 im Jacobs Restaurant sehr gut geklappt. Ich freue mich auf die nächsten Jahre.“