Neugraben-Fischbek. Nach dem Tod des kleinen Mädchens fordert Hamburgs Politik Aufklärung. Bürgerschaft befasst sich mit dem Fall.

Der gewaltsame Tod eines zweijährigen Mädchens in Neugraben-Fischbek wird ein Fall für die Bürgerschaft. „Wir haben beantragt, dass sich der Familienausschuss der Bürgerschaft bereits in seiner nächsten Sitzung am 3. November mit diesem Thema befasst, und erwarten eine erste Information des Senats zum Sachverhalt“, sagte Philipp Heißner, familienpolitischer Sprecher der CDU, am Mittwoch. Dem Wunsch stimmten die anderen Fraktionen zu.

Wie berichtet, hatte Ludna A. (32), die Mutter des Mädchens, am Montagabend nach einem Streit mit ihrem Mann Sohail A. (33) die Polizei geholt. Ihren sechsjährigen Sohn aus einer früheren Beziehung hatte sie mitgenommen, ihre Tochter aber war bei dem Ehemann geblieben. Als Mutter und Polizei in die Wohnung am Wiedauweg zurückkehrten, fanden sie das kleine Mädchen mit Schnittverletzungen am Hals tot auf, und der Vater war verschwunden. Nach dem aus Pakistan stammenden Mann wird mit Hochdruck gefahndet. Am Donnerstagmorgen meldete die Polizei, dass der Tatverdächtige weiterhin auf der Flucht sei.

„Ein tragischer, schrecklicher Vorfall“

„Wir alle sind traurig und erschrocken zugleich über dieses furchtbare Verbrechen. Was muss in einem Menschen vorgehen, der seiner zweijährigen Tochter die Kehle durchschneidet?“, fragt CDU-Politiker Heißner. Da die Familie seit längerer Zeit vom Jugendamt betreut wurde und es schon vor der Tat häufiger zu Gewaltvorfällen in der Familie gekommen sein soll, müsse man nach den Hintergründen fragen. „Wenn der Vater als Gewalt­täter bekannt ist und die Familie engmaschig betreut wird, ist es eigentlich Aufgabe der Behörden, genau solchen Vorfällen vorzubeugen“, so Heißner. „Wieder einmal steht der Verdacht im Raum, dass die Schutzmechanismen der Hamburger Behörden versagt haben. Nun muss die Rolle der Behörden lückenlos aufgeklärt werden.“

Das fordert auch FDP-Familien­experte Daniel Oetzel. „Das ist ein tragischer, schrecklicher Vorfall. Jetzt geht es erst mal darum, den Täter zu fassen und die Sachlage zu klären. Vorher sollten wir keine voreiligen Schlüsse ziehen.“ Eine Frage, die zu klären sei, ist, ob die vom Jugendamt beauftragten Experten vor allem die Kinder der Familie im Fokus hatten oder mehr die Eltern. Dieser Fehler sei bei früheren Fällen von Kindesmisshandlungen oder Tötungen mehrfach aufgetaucht.

Familienexpertin ruft zur Besonnenheit auf

Die Familienexpertin der Linkspartei, Sabine Boeddinghaus, rief zur Besonnenheit auf: „Polizei und Behörden müssen jetzt ihre Arbeit tun.“ Selbstverständlich müsse auch aufgeklärt werden, was Behörden unternommen haben und ob eventuell Fehler gemacht wurden, daher begrüße sie eine Befassung im Familienausschuss, so Boeddinghaus. Allerdings warnte sie vor voreiligen Vorwürfen und verwies auf die Enquetekommission der Bürgerschaft. Dort beschäftigen sich Experten mit der Frage, was Hamburg zum Schutz der Kinder tut und was es noch besser machen könnte.

Auch im rot-grünen Regierungs­lager zeigte man sich tief betroffen und forderte, die genauen Umstände der Tat aufzuklären. „Selbstverständlich wird es dann zu gegebener Zeit auch eine Befassung in den zuständigen Ausschüssen der Bürgerschaft geben“, sagten Uwe Lohmann und Sören Schumacher, Familien- und Innenexperte der SPD-Bürgerschaftsfraktion.

Hätte der Tod des Mädchens verhindert werden können?

Die CDU-Fraktion hat bereits schriftliche Kleine Anfragen an den Senat formuliert. Unter anderem geht es dabei um den Asylantrag des mutmaßlichen Kindsmörders, der bereits vor längerer Zeit abgelehnt worden sein soll. „Dies wirft die Frage auf, weshalb sich der als hochaggressiv geltende Pakistaner noch immer in Deutschland aufhält“, so CDU-Innenexperte Dennis Gladiator. Er fragt sich: „Hätte der tragische Tod des kleinen Mädchens verhindert werden können, wenn die Behörden in der Lage gewesen wären, schneller und konsequenter zu handeln? Warum wurde nicht die Abschiebehaft geprüft?“

Nach Abendblatt-Informationen war Sohail A. seiner Abschiebung unter anderem entgangen, weil er angegeben hatte, seinen Pass verloren zu haben. Später soll der Pass wieder aufgetaucht sein. Für Gladiator ein Unding: „Wer seine Ausweispapiere zurückhält oder aber die Beschaffung von Ausweispapieren behindert und sogar polizeilich in Erscheinung tritt, gehört in Abschiebehaft.“

Bisher verzichten Ermittler auf Öffentlichkeitsfahndung

Das Bezirksamt Harburg, das für den Allgemeinen Sozialen Dienst (ASD) Süderelbe verantwortlich ist, wollte sich gestern nicht zu dem Fall äußern und verwies auf laufende Ermittlungen der Staatsanwaltschaft. Oberstaatsanwältin Nana Frombach sagte, dass bereits vor der Tat Ermittlungsverfahren wegen anderer Vorwürfe gegen den Vater des Mädchens eingeleitet worden seien. Dabei sei es um eine Körperverletzung gegangen, die sich gegen den Sohn der Mutter aus einer früheren Beziehung gerichtet habe.

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Der Vater des getöteten Mädchens ist nach wie vor unauffindbar. Zielfahnder haben sich an seine Fersen geheftet. Auf eine Öffentlichkeitsfahndung wurde bislang verzichtet. Sie darf, so die Auslegung der Hamburger Justiz, erst eingesetzt werden, wenn alle anderen Erfolg versprechenden Maßnahmen ergebnislos blieben. Im konkreten Fall sollen aber auch ermittlungstaktische Gründe dazu geführt haben, bisher auf Öffentlichkeitsfahndung zu verzichten.