Hamburg. Zum fünften Mal findet die Code Week in Hamburg statt, dieses Jahr ist sie so groß wie nie. Immer mehr Kinder interessieren sich.
Die Mark Zuckerbergs von morgen mögen Eierspeisen. „Ich bin Jasper, und ich esse gerne Pfannkuchen“, sagt der Siebenjährige. Auch Bo, Ailin und Harald stehen auf Pfannkuchen, nur Ben isst lieber Sushi. Acht Kinder stellen sich der Reihe nach vor, wobei die Lieblingsspeise das wichtigste Persönlichkeitsmerkmal auszumachen scheint. Die Mini-Gourmets kennen sich bislang nicht, aber sie werden gleich gemeinsam die Zukunft gestalten. Unterstützt von zwei Trainern bauen sie jeder einen kleinen Roboter, der sich bewegen und malen kann.
Als Erstes werden die Materialien gecheckt: Pappbecher, Gafferband, ein kleiner Motor, eine Batterie, Stifte, Dekomaterial und ein paar Centstücke. „Wofür brauchen wir denn das Geld?“, fragt die sechsjährige Lilou aus Sasel. „Das Geheimnis lüften wir später“, antwortet Trainerin Yvonne Aichele. Alle sind gespannt; einige junge Ingenieure wissen bereits, wozu sie ihren neuen Freund gebrauchen können. „Mein Roboter wird Uno heißen“, sagt Jasper aus Winterhude. „Beim Kartenspielen ist er in meiner Mannschaft, und gemeinsam gewinnen wir gegen meine Eltern.“
Bis zum großen Sieg muss jedoch noch ein bisschen gebastelt, geklebt und getüftelt werden. Die jungen Schüler begreifen schnell, dass ein Motor Strom benötigt, wie er an eine Batterie angeschlossen wird, was die Plus- und Minus-zeichen auf den Batterien bedeuten, und wie man für den richtigen Antrieb eine Unwucht erzeugt. Nämlich durch etwas Schweres, durch die Centstücke. „Geld kann man immer gut gebrauchen“, erklärt eines der Kinder. Alle nicken zustimmend.
„Digitales Basteln“ nennt sich die Veranstaltung, die an diesem Nachmittag in der kürzlich eröffneten HABA-Digitalwerkstatt am Mittelweg stattfindet. HABA? Ist das nicht dieses hübsche Holzwerkzeug? Stimmt, doch selbst traditionelle Spielzeughersteller sind inzwischen in der Realität der Kinderträume angekommen und wissen, dass in den Kinderzimmern immer weniger klassisches Spielzeug und dafür mehr digitale Technologien herumliegen. „Ich spiele gerne mit Playmobil“, sagt Ailin, „aber ein Roboter ist viel cooler.
Der bewegt sich von alleine und macht, was ich ihm sage.“ Wer früh begreife, dass ein Computer nur exakte Befehle brauche, der finde Programmieren überhaupt nicht schwer, sagt Yvonne Aichele. Die 34-Jährige hält viel davon, bereits Grundschulkinder mit dem Thema vertraut zu machen. „Programmieren wird ein elementarer Bestandteil ihrer Arbeitswelt sein, und je früher wir sie befähigen, desto weniger kommen ihnen Codes wie ein Fremdkörper vor.“
Der Roboter-Workshop kostet nichts, denn er wird im Rahmen der Code Week angeboten. Die Code Week ist eine europäische Initiative und richtet sich an Kinder und Jugendliche mit Spaß am Programmieren, Basteln und Tüfteln. 2013 wurde die Aktionswoche von der Europäischen Union ins Leben gerufen, und während am Anfang keiner wusste, was das überhaupt sein soll, nahm im vergangenen Jahr bereits nahezu eine Million Menschen an den Veranstaltungen weltweit teil.
Doppelt so viele Workshops wie 2016
Die Zahlen werden weiter ansteigen. In Hamburg ist die Code Week dieses Jahr so groß wie nie. Es gibt doppelt so viele Workshops wie 2016, und bei der Auftaktveranstaltung in der Bücherhalle Hamburg wurden die Organisatoren fast überrannt. Mehr als 200 Jugendliche wollten sich im Programmieren ausprobieren. Ein Trend? „Auf jeden Fall“, sagt Theresa Grotendorst, Koordinatorin der Code Week. „Viele Kinder und besonders auch ihre Eltern merken, wie wichtig grundlegende Erfahrungen im Programmieren inzwischen sind.“
Das Bild vom bösen Computer, der die Kinder mit Spielen zuballert, kann langsam in den Papierkorb verschoben werden. Beim Programmieren werden die Kinder vom Konsumenten zum Macher, sie sind nicht mehr nur Anwender, sondern gestalten etwas, ein kreativer Prozess findet statt.
Ohnehin spielen Kinder intuitiv mit den neuen Technologien. In einem anderen Workshop der Code Week beispielsweise kann man als Zuschauer nur staunen, wie perfekt bereits Zwölfjährige digitale Medien beherrschen. Bei „Messen und Steuern mit Arduino“ wollen sie in drei Stunden eine Selbstbewässerungsanlage für eine Pflanze bauen, dazu Messwerte erfassen und Lichter, Pumpen und Lautsprecher ansteuern. Ihre wichtigste Hardware dafür ist ein sogenannter Arduino, ein Mikrocontroller, dem man nur noch beibringen muss, was er tun soll. Also schreiben die Schüler ihm ein Programm: int messert=0; int F_SENSOR=A0; void setup () Serial .beginn (9600); void loop usw.
Was für Laien wie eine Fremdsprache klingt, kommt den Kindern nicht spanisch vor. Auch ihre elektronischen Kenntnisse werden in diesem Workshop am Schülerforschungszentrum an der Grindelallee geschult. „Die Anoden werden mit den Ausgängen des Arduino verbunden, die Kathoden mit dem Minuspol GND“, sagt Kursleiter Torsten Otto. „Wenn wir das verwechseln, kann die LED bei Anlegen der Spannung dann kaputt gehen“, fragt ein Mädchen? Durchaus, bestätigt Otto, der ansonsten in Horn an der Wichern-Schule Informatik unterrichtet. „Auch bei nur fünf Volt?“ fragt der 13-jährige Jannis? Durchaus.
Der Rakete noch einen Höhenmesser verpassen
Jannis erzählt, er habe mit seinen Kumpels bereits eine Rakete gebaut, die sie von einem Sportplatz in Wellingsbüttel aus fliegen lassen. Nun gehe es darum, der Rakete einen Höhenmesser zu verpassen, und genau das lerne man in Kursen wie diesen. „Ich finde es toll, wie wir hier gecoacht werden und dass wir alles umsonst benutzen dürfen“, sagt Jannis. „Beim Programmieren gibt es immer wieder Probleme, nein, ich sage mal lieber Herausforderungen. Die machen am meisten Spaß, weil man natürlich immer besser werden will.“
Im Team lassen sich die Komplikationen am besten bewältigen, die Kinder haben sich deshalb zu mehreren für ihre Aufgaben zusammengetan. Nebenbei würden so auch soziale Fähigkeiten erlernt, sagt Martin Brause von der Behörde für Schule und Berufsbildung. Der Chief Digital Officer verweist darauf, dass die Digitalisierung an Hamburger Schulen eine große Rolle spiele. Neben der schnellen Breitband-Internetverbindung, die allen staatlichen Schulen zur Verfügung steht, sowie einer der größten Schulmediatheken Deutschlands, werden regelmäßig besondere Projekte initiiert, um die digitale Bildung voranzutreiben.
„Start in die nächste Generation“
Zwei Beispiele: Das erste hört auf den hübschen Namen „Calliope mini“. Nein, kein niedlicher Hamster, sondern ein handflächengroßer Mikrocontroller. Damit können Schülerinnen und Schüler, ohne eine Programmiersprache erlernen zu müssen, erste Erfahrungen mit Algorithmen und Programmieren machen. 20 Hamburger Schulen erproben „Calliope mini“ derzeit, um herauszufinden, welches Potenzial der Mikrocontroller im Unterricht haben und in welchen Klassenstufen und Fächern ein Einsatz erfolgreich sein kann.
Ein anderes Projekt heißt „Start in die nächste Generation“, bei dem an sechs weiterführenden Schulen die Kinder mit ihren eigenen Endgeräten, also mit den Smartphones und Tablets, die sie auch zu Hause nutzen, im WLAN-Netz der Schule mit digitalen Bildungsmedien und mit Lernplattformen lernen. Die Erkenntnisse aus dieser Art des Lernens sollen die Grundlage für weitere Bildungsangebote darstellen.
Perfekt vorbereitete Workshops
Ob das wirklich nötig ist, fragt sich da so mancher Anhänger des Analogen. In der eigenen Jugend galten die Jungs mit den C64ern meist als Nerds, die in schlecht ausgestatteten Informatikräumen im Keller der Schule hockten. Heute verdienen sie mit ihren Codes Millionen, bauen selbstfahrende Autos und andere unvorstellbare Wunderwerke. Also ja, es scheint nötig. Es wird nur keine Geschichten mehr geben von irgendwelchen Talenten, die alleine in Garagen ihre ersten Erfindungen programmierten. Die Mark Zuckerbergs von morgen, die sitzen vielleicht in perfekt vorbereiteten Workshops und essen am liebsten Pfannkuchen.