Hamburg. Anne Will nimmt den Bürgermeister ins Kreuzverhör. Es geht um den Parteivorsitz, Martin Schulz und die Erneuerung der SPD.
Spätestens, als enge Vertraute von Olaf Scholz einen Text des Berliner „Tagesspiegels“ mit der Überschrift „Greift Scholz nach dem SPD-Parteivorsitz?“ in sozialen Medien verschickten, war sie wieder da, diese Frage, die seit der Bundestagswahl große Teile der SPD beschäftigt: Kann die Erneuerung der Partei mit Martin Schulz an der Spitze gelingen, dem Mann, der für das schlechteste Abschneiden der Sozialdemokraten bei einer Bundestagswahl verantwortlich ist? Oder muss nicht spätestens nach der Niedersachsenwahl ein Neuer her?
Also Olaf Scholz, der „klügste Kopf der SPD“ (Sigmar Gabriel), der einzige, dem in der jüngsten Vergangenheit ein Wahlsieg mit absoluter Mehrheit gelang? „Kann Olaf Scholz die deutsche Sozialdemokratie retten?“, fragt der „Tagesspiegel“. Und weiter: „Wagt sich der vorsichtige Hamburger nach der Niedersachsen-Wahl aus der Deckung? Oder bleibt er der ewige Reservist, der als Prinz Charles in die SPD-Geschichte eingehen muss?“
Weil war der richtige Kandidat
Erste Antworten auf diese und noch deutlich konkretere Fragen gab Hamburgs Bürgermeister selbst – in der Talkshow „Anne Will“. Wer genau hinhörte, stellte fest: Ein Regierungschef, der voll hinter seinem Parteivorsitzenden steht, sieht anders aus. Wie für die meisten Spitzenpolitiker der SPD hat der Sieg in Niedersachsen auch für Scholz allein etwas mit der Arbeit von Ministerpräsident Stephan Weil zu tun – und nichts mit Schulz, eher im Gegenteil: Weils Erfolg habe bewiesen, dass man mit dem richtigen Kandidaten auch einen scheinbar aussichtslosen Rückstand auf die CDU aufholen kann. Im Original hörte sich das bei Olaf Scholz wie folgt an:
Anne Will: „Muss die SPD zunächst erst mal krachend im Bund verlieren und dann zusätzlich noch sagen, dass sie in die Opposition geht, um die erste Landtagswahl des Jahres auch mal zu gewinnen?“
Olaf Scholz: „Nein. Ich glaube, das ist ein Wahlergebnis, das Stephan Weil erkämpft hat, zusammen mit der niedersächsischen SPD. Das ist das Ergebnis sehr guter Arbeit in den letzten Jahren, und deshalb waren wir immer optimistisch, dass es dort auch gelingen würde. Ich glaube, es hat geholfen, dass die SPD nach der Bundestagswahl klare Worte gefunden hat und gesagt hat: Nach einem solchen Wahlergebnis wollen wir in die Opposition. Und nicht, weil wir uns verweigern, politisch mitzugestalten, sondern weil wir finden, dass der Wettbewerb zwischen der Union und der SPD in Deutschland im Mittelpunkt stehen sollte und nicht der Wettbewerb mit politischen Parteien, die am Rand stehen.“
Will: „Wenn Sie sagen, der Sieg in Niedersachsen ist Stephan Weils Verdienst gewesen, sagen Sie dann damit, dass es den richtigen Kandidaten braucht, um eine Wahl zu gewinnen? Und sagen Sie dann gleichzeitig auch, dass Sie in anderen Wahlen die falschen Kandidaten hatten?“
Scholz: „Nein, das ist keine Konsequenz, die man daraus ziehen muss. Aber ganz klar: Stephan Weil ist ein sehr guter Kandidat gewesen, ein sehr guter Ministerpräsident, und deshalb bleibt er das jetzt auch. Und wir wissen, dass die SPD davon jetzt einen Schub bekommt, weil wir eine Wahl gewonnen haben. Das ist immer gut für die Stimmung und die Motivation. Aber gleichzeitig gibt es niemanden in der SPD, der glaubt, dass wir nicht einen Erneuerungsprozess vor uns haben.“
Will: „Meint das auch einen personellen Erneuerungsprozess? Oder, anders gefragt: Ist Martin Schulz durch den Erfolg in Niedersachsen im Amt des Vorsitzenden der SPD stabilisiert und Sie könnten sich Ihre Ambitionen auf den Vorsitz der SPD dann damit abschminken?“
Scholz: „Ich glaube, dass es ein wenig kleinlich ist, worüber immer diskutiert wird in Deutschland. Tatsächlich geht es darum, dass wir einen politischen Kurs für die SPD und für die Zukunft des Landes entwickeln. Und da wissen wir, dass wir was zu tun haben, alle miteinander. Wir freuen uns über diesen Sieg, er hilft der SPD, er hilft auch allen in der SPD, das ist auch gut so. Aber wir drücken uns nicht vor der Debatte über Erneuerung, vor der Frage, wie wir die SPD so aufstellen können, dass sie bei der nächsten Bundestagswahl führen kann.“
Will: „Ist Martin Schulz jetzt stabilisiert?“
Scholz: „Martin Schulz ist Vorsitzender, und es ist gut für die SPD und für ihn, dass wir dieses Wahlergebnis haben. Großen Dank an Stephan Weil.“
Olaf Scholz soll übrigens schon am Tag der Bundestagswahl von Martin Schulz abgerückt sein. Die kurz darauf im „Spiegel“ veröffentlichte „Schulz-Story“ hat Hamburgs Bürgermeister dann offensichtlich weiter in seinem Eindruck bestärkt, dass mit dem alten Parteienvorsitzenden eine Erneuerung der SPD nicht möglich ist. Siehe oben.
Ein Konzept, wie man die Sozialdemokratie und das Land in Zeiten von Globalisierung und Digitalisierung aufstellen könnte, gibt es von Scholz übrigens schon – in seinem Buch „Hoffnungsland“. Zitat: „Wir dürfen nicht abwarten, bis uns die Umstände das Handeln aufzwingen, sondern müssen handeln, um die Umstände zu prägen.“