Hamburg. Ausnahmezustand in Fuhlsbüttel: 35.000 Passagiere reisten allein am Sonnabend in die Ferien. Ganz ohne Pannen lief es nicht.

Eben noch, beim Aussteigen aus dem Großraumtaxi vorm Terminal 2, lag ein Lächeln der Vorfreude auf den Gesichtern von Silke (36) und Michael Kunze (39), obwohl sie mit drei großen Koffern, einer großen Reisetasche, zwei Buggys und zwei Kindersitzen ordentlich Gepäck zu wuchten haben. Zwei Wochen Alcúdia auf Mallorca liegen vor der vierköpfigen Familie aus Norderstedt, für ihre beiden Söhne Carlo (drei Jahre) und Ben (eineinhalb) ist es die erste Flugreise, und der Vater rechnet vor: „Zwei Auto-Kindersitze zur Miete kosten vor Ort 200 Euro Miete. Für das Geld gehen wir doch lieber zweimal nett essen und schleppen lieber ein bisschen mehr.“

Es ist 7.40 Uhr, ihr Eurowings-Flug nach Palma soll planmäßig um 11 Uhr starten, doch dem Ehepaar fällt nach dem Betreten des Terminals 2 erst mal die Kinnlade runter. Sie sind nicht die einzigen, denen es so geht. Dass es am ersten Herbstferientag voll werden könnte, damit konnte man ja rechnen. Aber so voll …

35.000 Passagiere allein am Sonnabend

Zu diesem Zeitpunkt können Neuankömmlinge wie die Kunzes ja auch noch nicht wissen, dass die Gepäckbänder vor wenigen Minuten ausgefallen sind und kein Fluggast mit Gepäck einchecken kann. Das Ehepaar stellt sich brav ans Ende der Warteschlange vor den Eurowings-Schaltern, an denen jetzt ziemlich hektisch telefoniert wird – so wie an den Schaltern der anderen Fluggesellschaften auch. Michael Kunze schaut auf seine Uhr und schenkt seiner Frau ein zweckoptimistisches Lächeln. „Wir haben noch über zwei Stunden bis zum Boarding, das werden wir schaffen“, soll es wohl heißen.

Dieser 14. Oktober ist der erste von fünf prognostizierten Großkampftagen, auf den sich der in jüngster Zeit häufig gescholtene Hamburg Airport jedoch „gut vorbereitet habe“, sagt Jeanette Niemeyer, eine Sprecherin des Flughafens, „bis zum 18. Oktober werden 1102 Flüge mit mehr als 135.550 Passagieren starten. Damit liegt die Auslastung auf dem hohen Niveau des Vorjahres – hinzu kommen natürlich noch die Geschäftsreisenden.“ Allein an diesem Sonnabend werden rund 35.000 Passagiere abheben – etwa ein Drittel mehr als an einem normalen Sonnabend –, und am Mittwoch, dem Hauptreisetag, so Jeanette Niemeyer, würden es dann 236 Ferienflüge sein; die häufigsten Ziele seien die Balearen und die Kanaren.

Aber die Gepäckbänder stehen noch immer still. Es liegt Spannung in der Luft, die Störung spricht sich rasch unter den Reisenden herum, Nervosität macht sich breit – und vor allem die bange Frage taucht jetzt auf: „Werden wir unseren Anschlussflug erreichen?“ Schließlich fliegen viele Passagiere nicht auf direktem Weg in den Urlaub, sondern müssen – zumeist in Frankfurt – umsteigen.

Zum Glück nur eine Panne an diesem Tag

Es ist ein wenig zu viel Anspannung für Oliver Drießen (51) aus Hamm, der „das Schlangestehen sowieso hasst“ und deshalb mit seinem Sohn Jakob (11) hinaus an die frische Luft geht. Zum Durchatmen und Runterfahren. Seine Frau Christiane (49) und seine Tochter Elisa (14) halten derweil die Stellung im Terminal vor dem automatischen Koffer Check-in; sie sind zurzeit auf Platz 16. Ihr Reiseziel heißt Ischia, sie fliegen über Frankfurt nach Neapel und müssen dort dann noch die Fähre erwischen. „Fliegen ist leider überhaupt kein Vergnügen mehr“, seufzt der Journalist und Schriftsteller, der nach eigenem Bekunden schon seit Längerem zu denjenigen Reisenden gehört, die sich grundsätzlich „überpünktlich“, das heißt, lieber noch eine Stunde früher, auf dem Flughafen einfinden. „Aber andererseits: Was soll man machen?“

Sein Blick wandert sehnsüchtig auf die Sicherheitskontrolle, wo zu diesem Zeitpunkt gähnende Leere herrscht. Erst um kurz vor 8 Uhr setzen sich die Gepäckbänder endlich wieder ruckelnd in Bewegung, die kollektive Erleichterung unter den wartenden Passagieren ist spürbar, auch bei Oliver Driessen, denn „jetzt geht es ja endlich weiter“.

Es wird übrigens die einzige (kleine) Panne an diesem Tag bleiben. Zum Glück. „Wir können beobachten, dass viele Reisende mächtig unter Stress stehen“, sagt Michaela Edel (39), Oberkommissarin bei der Bundespolizei, die im Terminal 1 mit ihrem Kollegen Nils Martin (52), Oberkommissar der Polizei Hamburg, an einem Info-Stand Tipps für mehr „Sicherheit auf Reisen“ gibt. Dazu gehört vor allem die Prävention des Taschendiebstahls. „Besonders die offene Handtasche oben auf dem Reisegepäck ist eine Einladung für Taschendiebe“, sagt Martin.

Stress? Nicht für Kirsten Groß (50) und ihren Lebenspartner Oliver Meyer (44), die im fast verwaisten Terminal 1 bei Sunexpress „total entspannt eingecheckt haben.“ Die Heilerzieherin und der Tennistrainer freuen sich auf zwei Wochen Hurghada in Ägypten. „Glück gehabt“, sagt Meyer mit einem Seitenblick durch die Plaza hindurch ins benachbarte überfüllte Terminal 2. „Andererseits sagen wir uns immer, ‚lass uns lieber gleich losfahren, anstatt zu Hause lange rumzueiern‘. Nur der frühe Vogel kriegt den Flieger ohne Hektik.“