Hamburg. Einer Studie zufolge soll die Stadt bis 2035 fast zwei Millionen Einwohner haben. Die wichtigsten Fragen und Antworten dazu.

Die Bevölkerung in Deutschland wird nicht schrumpfen, sondern zunehmen, und einer der Treiber dieser Entwicklung wird Hamburg sein: Die Hansestadt werde bis 2035 auf knapp zwei Millionen Einwohner wachsen. Diese Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (DIW) in Köln hat für Aufsehen gesorgt, und sie wirft Fragen auf. Das Abendblatt beantwortet die wichtigsten:


Wie viele Menschen wohnen eigentlich in Hamburg? Dazu gibt es zwei unterschiedliche Antworten: Laut Melde­register waren Ende 2016 gut 1,86 Millionen Menschen in Hamburg gemeldet – ein noch nie erreichter Wert.

Daneben steht die „amtliche Bevölkerungsfortschreibung“, die auf dem Zensus aus dem Jahr 2011 beruht. Im Zuge dieser stichprobenartigen Erhebung war Hamburgs Einwohnerzahl um 83.000 auf nur noch gut 1,7 Millionen Menschen nach unten korrigiert worden. Bis Ende 2015 ist sie wieder auf 1,787 Millionen angestiegen. Daten für Ende 2016 gibt es noch nicht. Hamburg und das durch den Zensus ebenfalls geschrumpfte Berlin haben das Ergebnis allerdings bezweifelt und beim Bundesverfassungsgericht ein Normenkontrollverfahren gegen den Zensus angestrengt. Eine mündliche Verhandlung findet am 24. Oktober statt.

Kommentar: Zwei Millionen Hamburger – wollen wir das?

Die DIW-Studie bezieht sich dennoch auf diese „amtliche“ Statistik und sagt Hamburg einen Zuwachs bis 2035 um 9,1 Prozent auf 1,95 Millionen Menschen voraus. Der Senat stellt sich darauf ein, dass schon 2030 bis zu zwei Millionen Einwohner erreicht werden.

Welche Rolle spielen Flüchtlinge für das Bevölkerungswachstum? Eine spürbare: 2016 hat Hamburg 9000 Flüchtlinge aufgenommen, die mit ihrer offiziellen Ankunft in der Stadt auch hier gemeldet sind. Gut jeder dritte der mehr als 26.000 Neubürger war also ein Flüchtling.


Was bedeutet das Wachstum für die Einnahmen der Stadt? Berechnungen der Finanzbehörde zufolge spült jeder Neubürger im Durchschnitt 4000 Euro an zusätzlichen Steuern in die Stadtkassen. Bei einem Bevölkerungszuwachs von 26.000 im Jahr 2016 waren das rechnerisch 104 Millionen Euro. Allein über den Länderfinanzausgleich, der nach Einwohnerzahl berechnet wird, hat die Stadt zusätzliche 33 Millionen Euro eingenommen.


Welche neuen Ausgaben kommen auf die Stadt zu? Ob Wohnungen, Kitas, Schulen, Studienplätze, Polizei oder öffentlicher Nahverkehr: Eine steigende Einwohnerzahl lässt in vielen Bereichen die Kosten steigen. Exakt beziffern lässt sich das kaum, aber bei zwei Millionen Einwohnern dürften die zusätzlichen Ausgaben im dreistelligen Millionenbereich liegen. Für Flüchtlinge gilt: Die Ausgaben von 900 Millionen Euro 2016 (rund 16.000 pro Kopf) übersteigen bei Weitem die zusätzlichen Einnahmen.


Wie viele zusätzliche Wohnungen werden benötigt? Wohnungsexperten gehen davon aus, dass im Durchschnitt knapp zwei Menschen in einer Wohnung leben. Das bedeutet, dass bei einem Zuwachs von rund 200.000 Menschen mehr als 100.000 Wohnungen errichtet werden müssten, um Wohnungsmangel zu verhindern. Hinzu kommt: Der Anteil der Einpersonenhaushalte in Hamburg liegt bereits knapp über 50 Prozent. Hält dieser Trend an, könnte der Bedarf an neuen Wohnungen sogar noch höher sein.

Was unternimmt Hamburg, um den Bedarf an Wohnraum zu decken? Seit 2011 wurden in Hamburg rund 35.000 Wohnungen gebaut. Mehrere Zehntausend Wohnungen befinden sich derzeit im Bau, ihre Fertigstellung wird in den kommenden Jahren erwartet. Zudem haben sich Stadt, Bezirke und Wohnungswirtschaft auf das Bündnis für das Wohnen und den Bau von bis zu 10.000 Wohnungen – darunter 3000 Sozialwohnungen – jährlich verständigt. Zudem hat Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) angekündigt, dass man mit dem Bau von Wohnungen „nie wieder“ aufhören wolle.

Wer sind die Skeptiker bzw. Gegner des Wachstums? Vor allem die Naturschützer von BUND und Nabu warnen vor den Folgen von weiterem Wachstum und massivem Wohnungsbau. Wenn wie geplant mindestens 130.000 Wohnungen bis 2030 gebaut würden, sehe er „schwarz bis grau“ für Hamburgs Grün, sagte der Hamburger Nabu-Vorsitzende Alexander Porschke. Wenn Hamburg zu einem „Sehnsuchtsort“ gemacht werde, würden die Mieten unbezahlbar.

Was schlagen die Kritiker vor? Der Nabu plant derzeit eine Volksinitiative, mit der der aktuelle Grünanteil in Hamburg festgeschrieben werden soll, sprich: Wenn Grün bebaut wird, muss dafür an anderer Stelle eine gleich große Fläche renaturiert werden. Der Hamburger BUND-Geschäftsführer Manfred Braasch unterstützt dieses Ziel, netto keinen Grünverzicht mehr zu dulden („Netto-Null-Ziel“). Der BUND fordert zudem, den aus den 1970er-Jahren stammenden Flächennutzungsplan (F-Plan) nicht nur immer wieder anzupassen – sondern einen komplett neuen zu entwerfen. Diese Position vertritt auch die oppositionelle CDU.