Hamburg. Sonderausschuss der Bürgerschaft diskutiert über Messe als Austragungsort. Stadt war frühzeitig auf Krawalle und Schäden eingestellt.

Für die Austragung des G20-Gipfels in Hamburg sind weit mehr Austragungsorte geprüft worden als bislang bekannt. Außer dem Messegelände seien auch das Volksparkstadion, die Barclaycard Arena, das CCH, das Rathaus und der früher als Olympiagelände vorgesehene Kleine Grasbrook im Gespräch gewesen, sagte Außen-Staatsrat Wolfgang Schmidt (SPD) am Donnerstagabend im Sonderausschuss G20 der Bürgerschaft.

Da alle anderen Standorte aus Platz-, Kosten- oder Sicherheitsgründen frühzeitig verworfen wurden, seien letztlich nur die Messe und das Rathaus übrig geblieben. Schmidt räumte ein, dass es im Senat Sympathie für das Rathaus als Austragungsort gab. In dem Fall wären auch die Handelskammer und temporäre Bauten auf dem Rathausplatz genutzt worden.

Da dieses Ensemble aber aufgrund der Lage inmitten dichter Bebauung in der City schwerer zu schützen gewesen wäre, nicht genügend Platz geboten hätte und außerdem nicht für die Vorbereitungen wochenlang hätte lahmgelegt werden können, sei letztlich die Wahl auf die Messe gefallen. Schmidt betonte auch: „Die Entscheidungen sind immer von der Bundeskanzlerin getroffen worden. Aber wir waren sehr einverstanden damit. Es gibt keine Distanzierung.“

Grote: Wir hatten keine Sicherheitsbedenken

Seinen Angaben zufolge hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) in der dritten Novemberwoche 2015 angerufen und mitgeteilt, dass sie den G20-Gipfel in Hamburg abhalten wolle. Ab Januar 2016 hätten sich dann Lenkungs- und Steuerungsgruppen in Berlin und in Hamburg mit der Vorbereitung beschäftigt, bevor Merkel im Februar Hamburg offiziell als Austragungsort verkündete.

Für Diskussionen im Ausschuss sorgte die Frage, inwiefern vor dieser Entscheidung geprüft worden sei, ob und wie die Sicherheit gewährleistet werden könne. Sowohl Schmidt als auch Innensenator Andy Grote (SPD) und Polizeipräsident Ralf Meyer räumten zwar ein, dass das Sicherheitskonzept erst nach dieser Entscheidung Schritt für Schritt erarbeitet worden sei. Aber es habe zu keinem Zeitpunkt Zweifel an der Eignung Hamburgs gegeben. „Alle sind davon ausgegangen, dass man in der zweitgrößten Stadt Deutschlands eine internationale Konferenz abhalten kann“, so Grote. Mit Krawallen habe man zwar gerechnet, aber Sicherheitsbedenken habe es nicht gegeben.

CDU, Linke und AfD kritisierten, dass die Sicherheitsfrage nicht vor der Entscheidung für Hamburg intensiver geprüft worden sein. Polizeichef Meyer hielt dagegen: „Eine richtige Gefährdungsanalyse kann ihnen kein Fachmann der Welt für ein Ereignis machen, das in eineinhalb Jahren stattfindet.“

Geschwärzte Akten zu G20-Krawallen

Vor der Sitzung hatte der Senat im Streit um geschwärzte Akten zu den G20-Krawallen erste Zugeständnisse gemacht. Wie eine Sprecherin der Innenbehörde auf Anfrage bestätigte, wurde eines der zentralen Dokumente teilweise „entschwärzt“. Weitere Dokumente sollen überprüft werden. „Insgesamt können aber nicht alle Passagen aus den Akten freigegeben werden. Es geht dabei nicht um Verheimlichung, sondern um gesetzliche Vorgaben“, so die Sprecherin.

Bei dem nun teilweise freigegebenen Dokument handelt es sich um den sogenannten „Rahmenbefehl“ der Polizei vor dem G20-Gipfel. In der neuen Version finden sich aber weiterhin geschwärzte Stellen. Wie Obleute der Opposition für den G20-Sonderausschuss kritisiert hatten, sind auffällig viele Seiten aus der 300 Din-A4-Ordner starken Dokumentensammlung entweder zu großen Teilen unkenntlich gemacht oder komplett „entnommen“ worden.

Hat Senat die G20-Schäden vorausgeahnt?

Wie das Abendblatt aus dem Umfeld des Sonderausschusses erfuhr, hatte sich der Senat offenbar schon wesentlich früher als bisher bekannt auf massive Schäden für Gewerbetreibende infolge des G20-Gipfels eingestellt. Aus den Akten, die dem Ausschuss vorliegen, soll hervorgehen, dass bereits im Frühjahr 2016 über die zu erwartenden Entschädigungszahlungen beraten wurde. Nach dem Gipfel hatten Polizei und Senat angegeben, dass das tatsächliche Ausmaß der Schäden zuvor nicht absehbar gewesen sei. Wie es von mehreren mit den Akten vertrauten Personen heißt, wurde die Justizbehörde damals beauftragt, zu prüfen, inwieweit die Gewerbetreibenden später Ansprüche auf Entschädigungen stellen könnten. Dabei sei auch eine „vier Tage lange Schließung“ von Geschäften in Betracht gezogen worden, wie ein Obmann berichtet.

Dabei soll die Justizbehörde zu dem Schluss gekommen sein, dass eine viertägige Schließung von Geschäften nicht erheblich sei und deshalb keine Ansprüche auf Schadenersatz entstehen würden. Gut zwei Monate nach dem G20-Gipfel berichten Handelskammer und ein Bündnis von Gewerbetreibenden dagegen, dass eben jene Ausfallzeit während des Gipfels einige Betriebe in akute Existenznot gebracht hätten.