Hamburg. Nach elf Jahren Hamburg-Pause kommt das Grusical „Tanz der Vampire“ im Stage-Theater erst im zweiten Akt in Wallung.

Der Nachthimmel über der Elbe, er ist alles andere als dunkel. Bei der Fahrt per Schiffs-Shuttle vom Stage Theater zurück zu den Landungsbrücken schimmert der Hafen blau. Überbleibsel des „Blue Port“-Projekts des Lichtkünstlers Michael Batz. Fast schon vergessen ist da die Finsternis, die diesen Abend beherrscht hat.

„Der Tanz der Vampire“ ist wieder in Hamburg. Spielte er von 2003 bis Anfang 2006 in der Neuen Flora, geht er seit Sonntagabend im Stage Theater an der Elbe über die Bühne. Eine Wiederaufnahme, die bei der Zweit-Premiere am Ende mit Standing Ovations vom Publikum im indes nicht ausverkauften großen Haus gefeiert wurde.

Die Uraufführung des Musicals liegt 20 Jahre zurück

20 Jahre alt ist die Musical-Fassung des auf dem gleichnamigen Kultfilm von Star-Regisseur Roman Polanski beruhenden Stückes inzwischen. Und noch immer ist der „Tanz der Vampire“ eine der spektakulärsten deutschsprachigen Musiktheater-Inszenierungen. Für die Uraufführung in Wien hatte sich Polanski, gleichfalls Regisseur der Bühnenversion, 1997 mit Liedtexter Michael Kunze zusammengetan; beide bedienten sich der Musik des US-Komponisten Jim Steinman.

Auch im Stage Theater versetzt die Ouvertüre die Besucher sogleich ins düstere Transsilvanien, in dem Professor Abronsius und Assistent Alfred auf Vampirjagd durch verschneite Berge ziehen. Und genauso wie der Vampirforscher, von Victor Petersen als zerstreuter Wissenschaftler im Einstein-Look angelegt, erst mal auftauen muss, als ihn der junge Alfred (Tom van der Ven) mit in ein Wirtshaus nimmt, müssen sich die Darsteller warmlaufen. Der erste Akt, er zieht sich. Der Professor und sein Adlatus stoßen zwar schnell auf reichlich Knoblauch als Indiz für vampirsches Gegengift, jedoch auch auf ein Kartell schweigender Dorfbewohner. Immerhin: Sie singen, wobei Sara Jane Checchi als Magd Magda mit ihrer Röhre hervorsticht.

Oliver Pocher (M.) mit den Vampir-Darstellern Molly Hunt (l.) und Jacob Feary
Oliver Pocher (M.) mit den Vampir-Darstellern Molly Hunt (l.) und Jacob Feary © dpa | Georg Wendt

Tom van der Ven wirkt als Alfred, der sich in die knapp volljährige Wirtstochter Sarah (Maureen Mac Gillavry) verliebt, stimmlich recht schwach auf der Brust und kann das dank seines treuherzigem Hundeblicks als schüchterner Verehrer und tollpatschig-verängstigter Vampirjäger nur teilweise kompensieren. Petersen, als Wissenschaftler in hohen Stimmlagen geradezu nach „Wahrheit“ stöhnend, ergattert Szenenapplaus. Indes: Würde die beeindruckende und technisch aufwendige Kulisse mit Videoprojektionen der Landschaft, mit fahr- und drehbarem zweigeschossigen Wirtshaus sowie Schnee- und Nebelmaschinen vor und hinter dem Gaze-Vorhang nicht eine Art Dreidimensionalität erzeugen – es herrschte vor der Pause eher Gähnen denn Gänsehaut. Sogar Ober-Vampir Graf von Krolock (Mathias Edenborn) leidet unter Beißhemmung, hinterlässt mit seiner „Einladung zum Ball“ aber nicht nur bei seinem nächsten Opfer, der süßen Sarah, Eindruck – und eine erste musikalische Duftmarke.

Vom parodistischen Aspekt aufs Grusel-Genre, der Polanskis Kinofilm von 1967 kennzeichnete, ist im Theater leider wenig zu erkennen. Stattdessen scheint die eine oder andere alberne Verfolgungsjagd entbehrlich. Mag das Vampir-Thema zeitlos sein, eine Blutauffrischung täte der Regie gut.

„Totale Finsternis“ ist ein wiederkehrendes Liedthema

Es obliegt Edenborn, einen großen Teil der Last zu tragen. Mit stets leicht herablassender Geste gibt er den Grafen und Schlossherrn, ohne komplett böse zu wirken. Er sei ein echter „Nachtvogel, nutzlos bei Tag“, sagt er von sich. Mit seinem sonoren Bariton bringt Edenborn den zweiten Akt im Duett mit Maureen Mac Gillavry schaurig-schön in Schwung: „Totale Finsternis“ ist ein wiederkehrendes Thema dieses Grusicals. Es gleicht der deutschen Version des ehemaligen Bonnie-Tyler-Hits „Total Eclipse Of The Heart“. Auch haben sich Steinman und Kunze wie für des Grafen „Unstillbare Gier“ Songs des früheren Rock-Schwergewichts Meat Loaf bedient. Eigene Lieder hat das Musical „Der Tanz der Vampire“ bis heute kaum.

Sei’s drum: Der zweite Teil entschädigt für vieles, wenn auch nicht alles. Musikalisch, optisch und tänzerisch entfaltet sich Wirkung und Biss. Da hebt und senkt sich eine Grabwand mit tonnenschweren Särgen inklusive der Holzklasse für Sarahs längst zum Vampir gewordenen Vater Chagal (Nicolas Tenerani). Und beim Mitternachtsball verwandelt sich die Bühne in einen fantastischen Tanzsaal: Eine sechs Meter hohe Wendeltreppe und gleich mehrere Säulen schweben von der Decke. Fluchtgedanken hegen hier nur der Professor und Alfred, vom schwulen Grafen-Sohn Herbert (Christian Funk) beim Walzer auf dem Parkett umklammert, mitsamt Sarah.

Wenn die Vampire und die fast 30 Mitwirkenden – das Orchester noch nicht mitgezählt – zum finalen Tanz bitten, hat das fast Dimensionen einer Rock-Oper. Und das ist auch gut.

„Draußen ist Freiheit“ lautet der Titel eines weiteren Songs. Bei der Rückfahrt über die Elbe beschleicht einen das Gefühl auch ohne Musik.

„Tanz der Vampire“ bis 28.1.2018, Stage Theater an der Elbe (U/S Landungsbrücken + Schiffs-Shuttle), Norderelbstr. 8, Karten zu 49,90 bis 145,90 in der HA-Geschäftsstelle, Großer Burstah 18–32, T. 30 30 98 98; www.musicals.de