Hamburg. Arno Münster ist als innenpolitischer Sprecher seiner Fraktion zurückgetreten – das gab es seit dem Regierungswechsel 2011 nicht.

Die Sache hatte für den SPD-Fraktionsvorsitzenden Andreas Dressel keinen guten Anfang, und sie nahm kein gutes Ende: Zu Wochenbeginn war bekannt geworden, dass der SPD-Bürgerschaftsabgeordnete Arno Münster sein Amt als innenpolitischer Sprecher hinwirft. Münster hatte es schlicht satt, bei wichtigen Entscheidungen in seinem Politikbereich übergangen zu werden. Zuletzt war er von Dressel zudem nicht als SPD-Obmann im Sonderausschuss zu den G20-Ereignissen nominiert worden (anders als die innenpolitischen Sprecher der anderen Fraktionen). Und Münster hatte diese Zurückstufung noch dazu von einem Fraktionskollegen gewissermaßen im Nebenbei auf dem Parkplatz am Rathaus erfahren.

Peinlicher Moment in SPD-Fraktionssitzung

Als sich Dressel auf der SPD-Fraktionssitzung am Montagabend bei Münster für seine Arbeit bedanken wollte – er war immerhin seit dem Regierungswechsel 2011 Sprecher für dieses zentrale Politikfeld –, kam es zum Eklat. Der Fraktionschef bahnte sich einen Weg durch den Raum 151 im Rathaus, um Münster einen Blumenstrauß zu überreichen, wie es bei Abschieden üblich ist. „Ne, ich will keinen Blumenstrauß haben“, sagte Münster nur. Dressel versuchte es erneut, doch der Abgeordnete blieb eisern. Auch Dressels Vorschlag, die Blumen für seine Frau mitzunehmen, lehnte Münster ab. Nach peinlichen Momenten zog Dressel ab und legte den verschmähten Blumenstrauß vor sich auf den Tisch.

Münster ist sicher kein Blumentyp

Nun ist Münster, der viele Jahre lang Betriebsratsvorsitzender der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) war und nach seinem Wesen und der Art seines Auftretens ein Mann des Hafens geblieben ist, sicher kein Blumentyp. Doch es geht weniger um die Entgegennahme von ein paar Pflanzen. Die Szene im Rathaus war vielmehr der konsequente Schlusspunkt eines bislang einmaligen Vorgangs: Seit die SPD wieder Senatspartei ist und Olaf Scholz Erster Bürgermeister wurde, hat kein Abgeordneter den Bettel hingeworfen. Man kann auch sagen: Noch nie hat sich ein Sozialdemokrat eine solche Geste des Ungehorsams getraut.

Die SPD-Fraktion ist ein doch recht straff geführter Laden. Es gilt der Satz: „Nach innen offen diskutieren, nach außen geschlossen sein!“ Aber es gibt etliche Abgeordnete, die sagen, dass der erste Teil des Mottos nicht allzu häufig praktiziert werde. Dressel bringt allerdings normalerweise das Kunststück fertig, unterschiedliche Interessen und Gefühlslagen unter einen Hut zu bringen. „Er erkennt die Interessen seines Gegenübers manchmal besser als derjenige selbst“, sagt einer über Dressel, der ihn gut kennt.

„Einräumen – Ausräumen“

Umso erstaunlicher, dass dieses kommunikative und ausgleichende Talent Dressels im Fall Münster versagt hat. Allerdings liegt die Entscheidung, Münster nicht in den G20-Ausschuss zu schicken, schon einige Wochen zurück. So gesehen war der Rücktritt des Innenpolitikers eine Spätzündung. Dennoch: Manche Abgeordnete sehen eine gewisse Überlastung des Vorsitzenden als Ursache, nicht zuletzt auch, weil Dressel immer den Überblick behalten und wenig delegieren will.

Dressels Amtsvorgänger Michael Neumann, bis 2016 Innensenator, hatte für solche innerfraktionellen Problemlagen einst den schlichten Zweiklang „Einräumen – Ausräumen“ erfunden. Doch dass das im Falle von Münster nicht funktionierte, hängt nicht nur mit einer gewissen Sturheit des einstigen Hafenarbeiters zusammen, sondern zudem mit der Vorgeschichte.

Verhältnis zu Andy Grote gilt als belastet

Vor allem das Verhältnis zwischen Münster und Innensenator Andy Grote (SPD) gilt als belastet. Der Abgeordnete war zum Beispiel von der 30-Millionen-Euro-Drucksache, mit der Grote die Polizei vor dem G20-Gipfel besser ausstatten wollte, völlig überrascht worden. Üblicherweise werden die Fachsprecher der Regierungsfraktionen vorab eingebunden, schon weil die Regierungsmehrheit am Ende ja ohnehin stehen muss, um eine solche Ausgabe beschließen zu können. Auch ein weiterer Stellenzuwachs bei der Polizei war an dem Ex-Betriebsratschef vorbeigelaufen, was dessen Einschätzung, er werde nicht mehr gebraucht, noch verstärkt hatte.

Vernehmbares Murren

Hier will Dressel ansetzen. „Es ist meine Verpflichtung, die Kommunikation zwischen Senat und Fraktion einzufordern“, sagt er. „Ich sehe mit Argusaugen darauf, dass sich das an einigen Stellen noch verbessert.“ Es gibt eben Senatoren, denen die Perspektive der Abgeordneten nicht ganz so wichtig ist. Und dass sich da bei Abgeordneten Frust aufbaut, weiß der Fraktionschef auch. „Wir sind keine Jasager und Abnicker“, hatte Dressel bei Amtsantritt 2011 selbstbewusst für die SPD-Fraktion formuliert. Dennoch sehen sich mittlerweile etliche Abgeordnete in genau dieser Rolle. Noch gibt es allenfalls ein vernehmbares Murren, kein Aufmucken – Arno Münster ist da die Ausnahme.

Kommunikation mit Senat soll besser werden

Bei aller Bereitschaft zum Kompromiss und der Fähigkeit zum Ausgleich der Interessen: Dressel hält seine Entscheidung, Münster nicht zum Obmann im G20-Ausschuss zu berufen, nach wie vor für richtig. Die rund 800 Aktenordner, die die Polizei schon im Rathaus abgeladen hat, muss nun die Juristin Martina Friederichs, die SPD-Obfrau, durcharbeiten. Münster gilt nun einmal nicht als „Aktenfresser“.

Manch ein Sozialdemokrat hatte schon befürchtet, der geradlinige Gewerkschafter, der als letzter Arbeiter in der Fraktion der einstigen Arbeiterpartei gilt, würde aus Frust auch gleich sein Mandat niederlegen. Doch ganz im Gegenteil: Münster arbeitet sogar im G20-Ausschuss mit. Und Dressel hat ihn überzeugt, erneut für den Fraktionsvorstand zu kandidieren, wenn denn seine „Landesgruppe“, also die Altonaer SPD, ihn wieder vorschlägt. Da hat der Fraktionschef die Interessen seines Gegenübers offensichtlich wieder einmal richtig erkannt...