Grasbrook bietet 6000 Bewohnern Platz. Ursprünglich war dort das Olympische Dorf vorgesehen. Linke spricht von “Kungelei“.
Hamburg. Hamburg bekommt einen neuen Stadtteil: Grasbrook. Dieser soll gegenüber der östlichen HafenCity entstehen, die Brücke nach Süden auf die Elbinseln schlagen und gleichzeitig den Stadtteil Veddel stärker einbinden. Geplant sind 3000 Wohnungen für rund 6000 Bewohner – junge Familien und Menschen jeglichen Alters und unterschiedlicher Herkunft – sowie 16.000 Arbeitsplätze.
Neben Einkaufsmöglichkeiten sind auch eine Grundschule und Kitas geplant. Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz (SPD), Stadtentwicklungssenatorin Dorothee Stapelfeldt (SPD), Jürgen Bruns-Berentelg, Vorsitzender der Geschäftsführung der HafenCity Hamburg GmbH, und der scheidende Oberbaudirektor Jörn Walter stellten die Pläne zum neuen Stadtteil Grasbrook am Dienstag in der HafenCity Universität vor.
Im Jahr 2019 könnte mit der Freimachung der Flächen und der Entwicklung der Infrastruktur begonnen werden. Doch das ganze Projekt dauere sicher 20 Jahre, sagte Olaf Scholz.
Grüne: Ein historischer Tag für Hamburg
Der Stadtteil soll neben den Wohnungen, davon 1000 Sozialwohnungen, auch Raum für neue Büros, Gewerbegebäude, Forschungsstätten und Labore bieten. "Auch Bestandsgebäude sollen dafür genutzt werden", heißt es in einer aktuellen Mitteilung des Senats. Die Fläche des neuen Stadtteils wird mit 46 Hektar etwa so groß sein wie ein Drittel der HafenCity. "Es werden mehrere Kilometer öffentlich zugängliche, direkt am Wasser gelegene Bereiche geschaffen – kombiniert mit attraktiven Grünanlagen und hochwertigen öffentlichen Stadträumen", teilte der Senat mit.
Anjes Tjarks, Vorsitzender der Grünen-Bürgerschaftsfraktion, ist begeistert von dem Vorhaben. „Wir werden auf der Fläche des Überseezentrums den neuen Stadtteil Grasbrook mitten in der Stadt bauen und damit Hamburgs Entwicklung in den 20er Jahren maßgeblich prägen", sagte er. "Für uns Grüne ist es ein stadtentwicklungspolitisches Kernanliegen, den Sprung über die Elbe zu schaffen und auf diese Weise die Entwicklung und den Wohlstand Hamburgs für Jahrzehnte zu sichern."
CDU befürchtet Nachteile für Hafen
Kritik übte hingegen der CDU-Bürgerschaftsfraktionschef André Trepoll. Er begrüße zwar, dass der Senat "nun endlich seine lange hinter verschlossenen Türen vorbereiteten Pläne" für die Weiterentwicklung des Grasbrooks präsentiert habe. Aber er und seine Fraktionskollegen fragten sich, wie Hafenwirtschaft, Industrie und Wohnen auf engstem Raum ohne Nutzungskonflikte realisiert werden sollen. "Eines steht für mich fest: Der Hafen darf durch die Entwicklung nicht benachteiligt werden", sagte Trépoll.
Zudem fordert der Christdemokrat, dass die Frage nach den Erschließungs- und Planungskosten geklärt werden. Trépoll: "Warum Olaf Scholz noch vor zwei Jahren eine Entwicklung ausgeschlossen hatte und hier auch keine breite stadtentwicklungspolitische Debatte zuließ, wird wie so oft sein Geheimnis bleiben. Am Ende bleibt ein weiteres gebrochenes Versprechen des Bürgermeisters."
Linken-Fraktion spricht von Kungelei
Skeptisch zeigt sich auch die Stadtentwicklungsexpertin der Linken-Fraktion, Heike Sudmann. „Das ist echte Verkündungspolitik à la Scholz“, sagte sie. "Senat, Unternehmensverband Hafen Hamburg und Industrieverband Hamburg kungeln mal eben einen neuen Stadtteil aus." Dabei seien schon bei der Olympiaplanung viele Fragen offen geblieben, wie etwa: Wie soll die Hafenentwicklung aussehen, wenn ein neuer Stadtteil auf dem Grasbrook entsteht? "Antworten gibt es bisher nicht", sagte die Linken-Politikerin. "Kungelei auf dem Grasbrook ersetzt keine Bürgerbeteiligung."
Sudmann vermutet einen Zusammenhang zwischen der überraschenden Verkündung der Planung für den Grasbrook und der morgigen Entscheidung über den Austragungsort der Olympischen Sommerspiele 2024: „Damit Scholz weniger Häme wegen seiner krachenden Niederlage beim Olympia-Volksentscheid einstecken muss, recycelt er heute die oberflächliche Olympia-Planung für den Grasbrook.“
Stadtteil Grasbrook mit drei Quartieren
Hamburg hatte für den Kleinen Grasbrook bei der Bewerbung um die Ausrichtung Olympischer Sommerspiele detaillierte Pläne für einen neuen Wohn- und Bürostandort vorgelegt. Sehr viele technische Aspekte des Vorhabens könnten nun als Erbe der Bewerbung für die weitere Entwicklung der Stadt genutzt werden. Der Stadtteil Grasbrook wird voraussichtlich drei Quartiere umfassen: das Quartier Moldauhafen für Wohnbebauung zwischen Elbe und Moldauhafen, das gemischt-genutzte Freihafenelbquartier, sowie das Hafentorquartier, das ausschließlich gewerblich genutzt werden soll . Dieses Quartier bilde zugleich den Übergang zu den Hafennutzungen, die weiterhin die größte Fläche des Kleinen Grasbrooks einnehmen, heißt es in der Mitteilung des Senats.
Bei der Entwicklung der neuen Stadtquartiere soll es in der ersten Phase einen Schwerpunkt im Quartier Moldauhafen geben. Die Anbindung an die U- und S-Bahnstation Elbbrücken wird zunächst durch Busse gelöst, damit das Gebiet auch zu Anfang bereits gut erreichbar ist.
Am heutigen Dienstagmorgen hatte die Senatspressestelle überraschend für 12.30 Uhr in die Hafencity-Universität zur Landespressekonferenz geladen. Angekündigt war, dass sich Bürgermeister Scholz „zu aktuellen Fragen der Stadtentwicklung“ äußern wolle. Der Ort wurde somit mit Bedacht gewählt, liegt die Universität doch der Elbinsel Kleiner Grasbrook gegenüber.
Kleinen Grasbrook von immenser Bedeutung
Für die Olympiabewerbung 2024 war dort das Olympische Dorf vorgesehen. Auf der Elbinsel sollte ein Vorzeigestadtteil in Sachen Nachhaltigkeit und Inklusion mit 8000 Wohnungen in einer sozial verträglichen Mischung entstehen.
Für die Stadtentwicklung ist die Entwicklung des Kleinen Grasbrooks von immenser Bedeutung, weil er die Veddel und Wilhelmsburg südlich der Norderelbe besser mit der Innenstadt verbindet. Derzeit sind dort noch mehrere Hafenfirmen angesiedelt. Nach dem Aus der Olympia-Bewerbung hatte die Stadt stets betont, für den Kleinen Grasbrook gebe es aus stadtentwicklungspolitischer Sicht zunächst keine weiteren Planungen. Das sei vorerst beendet. Bis jetzt.