Hamburg. Bundestagsabgeordneter Manuel Sarrazin (Grüne) über einen Mann, der Menschen aus dem Mittelmeer rettet.
Vor der Bundestagswahl am 24. September hat das Hamburger Abendblatt die aussichtsreichen Hamburger Kandidaten für ein ungewöhnliches Projekt gewonnen: Sie schreiben jeweils über ein Thema, das sie besonders bewegt, eine Person, die sie beeindruckt, oder eine Institution in ihrem Wahlkreis, die aus ihrer Sicht mehr Aufmerksamkeit verdient. Heute schreibt Manuel Sarrazin (Grüne). Er ist seit 2008 Bundestagsabgeordneter und steht auf Platz zwei der Landesliste seiner Partei.
„Als ich nach unserer ersten Mission auf See mit unserem Schiff in den Hafen von Valetta einfuhr, war ich sehr, sehr traurig, dass wir Hanswürste diese Arbeit machen müssen. Aber es war auch ein schönes Gefühl zu sehen, dass unser Plan, Menschenleben zu retten, funktioniert“, sagt Michael Buschheuer.
Der Regensburger ist der Gründer der Organisation Sea Eye. Sea Eye und rund ein Dutzend andere Organisationen fahren mit meist alten, ausrangierten Booten vor der Küste Libyens auf und ab, um Menschen zu retten. Seit der Einstellung der EU-Seenotrettungsmission Mare Nostrum 2015 sind sie die einzigen, die auch in der Nähe der libyschen Küste nach Schiffbrüchigen suchen. Auf alle, die sie nicht finden, wartet mit hoher Wahrscheinlichkeit der Tod.
Erschreckende Berichte
Michael Buschheuer ist ein ruhiger Mensch. Der zweifache Vater betreibt einen mittelständischen Malerbetrieb. Als Buschheuer im Radio von der Einstellung der Seenotrettung vor Libyen hörte, zweifelte er an der Menschlichkeit unserer Politik. Er sah sich in der Verantwortung, wenigstens zu versuchen, selber etwas zu tun. Gemeinsam mit anderen kaufte er einen alten Fischkutter, ließ ihn reparieren und nach Malta überführen, um in Seenot geratene Flüchtlingsboote zu sichten und zu helfen. Die Marinen der europäischen Länder reagieren zwar auf Notrufe, suchen jedoch nicht nach havarierenden Booten.
Viele Tausend Menschen verdanken der Sea Eye und den anderen Booten von Freiwilligen ihre Rettung. Die Berichte dieser Menschen sind erschreckend. Sie geben uns ein Bild der Lage in Libyen und des Leides der Menschen, die auf ihrer Flucht in Richtung Europa entführt, misshandelt, vergewaltigt, versklavt und ermordet werden.
Schusswunden und Handfesseln
Diese Geschichten, welche die Sea Eye bezeugt, erzählen von Verletzungen durch Schusswunden und Handfesseln, von Schleppern, die die Menschen auf die Boote zwingen, von den „MotorFischern“, die den überfüllten Billigschlauchbooten inzwischen schon kurz nach dem Ablegen die Motoren und damit jede Hoffnung auf ein Überleben auf See stehlen. Sie geben uns einen Eindruck von der menschenverachtenden Professionalität der Schlepper, die mit dem Schicksal dieser Menschen Millionen verdienen.
Wer diese Geschichten hört und keinen Handlungsbedarf sieht, der unterschätzt die moralische Verantwortung Europas in dieser Krise. Macht es die Werte Europas nicht vor allem aus, wenigstens so gut es geht zu versuchen, die Leben der Menschen auf den Schlauchbooten zu retten? Und ist es vor dem Hintergrund der Professionalität der Schlepper nicht naiv zu glauben, diese würden aufhören, Menschen von den Stränden aus in den sicheren Tod zu schicken, weil einige kleine Nichtregierungsorganisationen mit alten Kähnen außerhalb der Zwölf-Meilen-Zone schippern?
Menschenverachtende Logik
Die menschenverachtende Logik der Schlepper rechnet schon lange nicht mehr damit, dass die Migranten, die sie auf See schicken, gerettet werden. Michael Buschheuer und seine Mitstreiter kommen aus unterschiedlichen politischen Lagern. Diese Menschen wollen sich nicht von manchen Innenministern dafür als Helfer von Schleppern denunzieren lassen, dass sie in ihrer Freizeit an Bord schlecht ausgestatteter kleiner Schiffe um das Leben hochschwangerer Frauen kämpfen. Sie wollen, dass Deutschland und die anderen Staaten der EU die Seenotrettung auch in Küstennähe wieder professionell betreiben.
Bis das passiert, verteidigen aus meiner Sicht Menschen wie Michael Buschheuer im wahrsten Sinne des Wortes die Werte Europas an unseren Grenzen. Wir sollten sie dabei unterstützen.
Morgen schreibt Niels Annen (SPD), wie sich ein Bistro-Besitzer in Niendorf um die Integration verdient macht.