Hamburg. Johannes Kahrs schreibt im Hamburger Abendblatt über zwei Ehrenamtliche, die ein soziales Projekt gerettet haben.

Vor der Bundestagswahl am 24. September hat das Hamburger Abendblatt die aussichtsreichen Hamburger Kandidaten für ein ungewöhnliches Projekt gewonnen: Sie schreiben jeweils über ein Thema, das sie besonders bewegt, eine Person, die sie beeindruckt, oder eine Institution in ihrem Wahlkreis, die aus ihrer Sicht mehr Aufmerksamkeit verdient. Den Auftakt macht Johannes Kahrs (SPD), langjähriger Bundestagsabgeordneter und Direktkandidat in Hamburg-Mitte.

Als Hamburger ist es schon ein besonderes Gefühl, wenn man das Ledigenheim in der Neustadt das erste Mal betritt. Es ist ein Haus, an dem man die Geschichte unserer Hansestadt und des Hafens bis heute ablesen kann. Für die Arbeiter, die mit ihrer Hände Arbeit im Hafen den Wohlstand der Stadt erwirtschafteten, wurde hier ein würdiger Ort im Zentrum der Gesellschaft geschaffen.

Stadtteilzentrum für jedermann

In mehr als 100 kleinen Zimmern von jeweils acht Quadratmetern, mit Gemeinschaftsküchen und -waschräumen auf dem Gang, wurde ihnen ein Zuhause und Familienersatz in der Ferne geschaffen, das neben Unterkunft auch Zusammenhalt und Kultur bietet.

Es ist aber weit mehr als das. Es ist auch heute Stadtteilzentrum und Wohnheim im Herzen Hamburgs für jedermann, generations- und milieuübergreifend – und nicht zuletzt ein modernes Märchen mitten in unserer Stadt:

Integrativer und kultureller Ort

Das Wohnheim für alleinstehende Männer – überwiegend ehemalige Seeleute, Hafenarbeiter und Menschen in schwierigen Lebenslagen – wurde 2009 an einen Immobilienfonds verkauft. Antje Block (36) und Jade Jacobs (39) wollten nicht hinnehmen, dass ihre Nachbarn, die zum Teil schon seit 50 Jahren im Ledigenheim lebten, einfach ausziehen sollten.

Sie begannen sich gemeinsam mit anderen für den Erhalt einzusetzen und öffentlich für die Idee der Einrichtung zu werben. Insbesondere die ursprüngliche Idee eines integrativen und kulturellen Ortes im Quartier begeisterte die beiden.

Viele kleine Initiativen

Hier knüpften sie an und begannen die ehemaligen Gemeinschaftsräume im Erdgeschoss wieder für kulturelle Veranstaltungen wie Lesungen und Vorträge, Nachbarschaftsessen, Skatabende und Spielenachmittage zu öffnen. Zudem entstanden viele kleine Initiativen wie der Venusgarten, ein Urban-Gardening-Projekt und Aktivitäten mit Schülern und Studierenden, die sich mit dem Haus, dem Projekt und seiner Geschichte beschäftigen.

Mit ihrer Offenheit und Gesprächsbereitschaft schafften es die beiden Idealisten, sehr viele Menschen für das Thema zu begeistern. Sogar den Eigentümer überzeugten sie 2012, dass das Haus im Sinne der ursprünglichen Idee erhalten bleiben sollte und nur einen passenden Eigentümer bräuchte.

Bodenständige Hanseaten

Da sie niemanden fanden, der gleichermaßen am Erhalt der sozialen Institution als auch am Erhalt des Kulturdenkmals interessiert war, entschieden sie sich kurzerhand, die Sache selbst in die Hand zu nehmen. Antje Block und Jade Jacobs arbeiteten sich in alle wichtigen Themen ein und gründeten eine kleine Stiftung, begannen Spenden zu sammeln, und führten das Gebäude wieder in die Gemeinnützigkeit. Viele Hamburger quer durch alle gesellschaftlichen Schichten unterstützten die beiden dabei mit Rat und Tat ebenso wie als Spender.

All das machen die beiden seit Jahren völlig ehrenamtlich – also ohne Geld, aber fast im Umfang eines vollen Jobs. Wer sie einmal erlebt hat, weiß: Beide sind bodenständige Hanseaten mit dem Herz am rechten Fleck und einer gehörigen Portion Energie.

Haus ist stark sanierungsbedürftig

Seit 2017 gehört das Haus nun der gemeinnützigen Stiftung Ros und ermöglicht langfristig kulturelles Leben und Wohnen in der Innenstadt, auch für Menschen mit geringem Einkommen. Doch die beiden planen schon weiter. Das Haus ist stark sanierungsbedürftig. Eine hohe Summe ist bereits durch die Stiftung aufgebracht worden, für die übrigen Kosten konnte ich einen Anteil von fast zehn Millionen Euro vom Bund in Berlin durchsetzen; in der Stadt wird nun noch die Co-Finanzierung geklärt.

Das Projekt Ledigenwohnheim ist in einer wachsenden Metropole eine nach wie vor zeitlose stadtentwicklungspolitische Idee. Sie vereint solidarisches Zusammenleben, günstigen Wohnraum und soziale Angebote.

Antje Block und Jade Jacobs sind ein großartiges Beispiel dafür, wie Menschen in dieser Stadt gemeinsam etwas bewegen können. Als Bundestagsabgeordneter sage ich Danke – und werde mit unterstützen, dass das Projekt vorangeht. Ich bin ein riesiger Fan dieses Projekts. Es lässt mich wieder an Märchen glauben!

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