Hamburg . Im Gymnasium Osterbek stellen sich Politiker den Fragen der Jugendlichen. Teil 2 der „It’s Your Choice“-Tour.
Der Mann von der AfD war nicht zu beneiden. Zwischenzeitlich hatte es den Anschein, als habe Dietmar Wagner, Wandsbeker Direktkandidat der Alternativdeutschen, das gesamte Gymnasium Osterbek gegen sich. Ob er denn Hunderttausende Menschen in Kriegsgebiete zurückschicken und „sterben lassen“ wolle, fragte ein junger Mann den AfD-Politiker am Dienstag während der nächsten Diskussionsrunde der „It’s Your Choice“-Tour, bei der Hamburger Schüler mit Politikern über die Themen der Bundestagswahl diskutieren.
Nein, antwortete Wagner unter abfälligem Gebrummel des Saals, diese Menschen sollte ja gar nicht erst kommen. Man müsse ein Einwanderungsgesetz wie in Kanada beschließen, und per Punktesystem nur Menschen einwandern lassen, die genügend Qualifikationen aufwiesen. „Aber was nützt ein Punktesystem, wer kommen will, kommt“, konterte eine Schülerin. Eine andere fragte, wie man Flucht definiere. Sei es nicht auch Flucht, wenn Menschen Hunger entgehen wollten?
Flucht und Zuwanderung großes Thema
Kein anderes Thema beschäftigte die rund 250 Schüler in der Aula des Gymnasiums Osterbek an diesem Vormittag so sehr wie Flucht und Zuwanderung. Dabei zeigten sich bald Unterschiede zwischen den Parteivertretern. Nikolaus Haufler (CDU) berichtete, wie er 1995 mit seinen Eltern aus Russland gekommen sei und schnell Deutsch gelernt habe. „Wer zu uns kommt, muss sich für das Land entscheiden und die Sprache lernen“, so Haufler. „Wer in seinem Land schon nicht über die Runden kommt, wie soll er denn hier über die Runden kommen?“ Man müsse trennen zwischen Menschen, die hier arbeiten wollten, „und denen, die ihr Land verlassen, weil ihr Leben bedroht ist“.
SPD-Vertreter Jan Misselwitz sagte, man müsse Fluchtursachen in den Herkunftsländern bekämpfen und brauche ein Einwanderungsgesetz. Die Linken-Vertreterin Sarah Rambatz („Ich engagiere mich in antifaschistischen Kontexten und bin Veganerin“) betonte, auch die sexuelle Orientierung sei ein Fluchtgrund – wenn Homosexuelle etwa aus Russland fliehen müssten. Wieland Schinnenburg (FDP) lehnte eine Obergrenze für Flüchtlinge ab: „Wer Fassbomben abbekommt, kann nicht drei Monate warten.“
„Europa ist unsere Zukunft“
Als es um Europa ging, forderte der FDP-Mann: „Lassen Sie uns für die EU kämpfen – sie ist es wert.“ Genauso sah es Grünen-Vertreter Dennis Paustian-Döscher: „Europa ist unsere Zukunft – wir haben keine andere.“ Beim Thema Türkei warnte der Grünen-Politiker vor einem radikalen Abbruch der EU-Aufnahmeverhandlungen. Man dürfe nicht vergessen, dass fast die Hälfte der Türken gegen Erdogan sei.
Die Osterbeker Schüler der zehnten bis zwölften Klassen beteiligten sich so engagiert an der Debatte, dass nicht alle zu Wort kommen konnten. Sie stellten Fragen zu EU und Integration oder danach, wie Fehler bei der Terrorbekämpfung vermeidbar seien, etwa im Fall Amri und beim Barmbeker Attentäter. „Haben Sie schon in einem Land gelebt, in dem es einem richtig schlecht geht?“, fragte ein Schülerin irgendwann AfD-Mann Wagner. „Warum sollen Menschen von dort eigentlich kein Recht haben, zu uns zu kommen?“ Das sei ungerecht, fand die Schülerin.