Hamburg. CDU-Bundestagsabgeordneter Marcus Weinberg fordert mehr politische Bildung an Schulen. Werteerziehung sollte bereits früh beginnen.

Einmal im Jahr lädt die Bürgerschaft Schülerinnen und Schüler zu „Jugend im Parlament“ ins Rathaus ein. Beim „größten Planspiel für Politik“ beschließen Jugendliche im Plenarsaal Anträge und verfassen Resolutionen, mit denen sich die „echte“ Bürgerschaft später beschäftigt. Regelmäßig vor Bürgerschaftswahlen laden zudem engagierte Lehrer und Schüler Abgeordnete zu Diskussionen in die Schulen ein. Trotz vieler solcher lobenswerter Aktionen stellt sich die Frage, wie es um die historisch-politische Bildung insgesamt bestellt ist – besonders in Zeiten von Fake News und einer anscheinend zunehmenden Attraktivität radikaler Positionen.

„Gerade im schulischen Bereich hat die politische Bildung in den vergangenen Jahren einen Bedeutungsverlust erfahren“, sagt der Altonaer CDU-Bundestagsabgeordnete Marcus Weinberg. Der frühere Geschichts- und Politiklehrer sieht als eine Ursache den Pisa-Schock von 2001 an, in dessen Folge die bildungspolitischen Schwerpunkte verlagert worden seien. „Höhere Anforderungen von Gesellschaft und Wirtschaft in einzelnen Fächern wie Mathematik oder Naturwissenschaften oder die Schaffung neuer Schwerpunktfächer wie Informatik sind verständlich und erklärbar, führen aber in der Wahrnehmung zu diesem Bedeutungsverlust der historisch-politischen Bildung“, schreibt Weinberg in einem achtseitigen Positionspapier mit dem Titel „Für eine Renaissance der historisch-politischen Bildung“.

Weinberg hält den Trend für gefährlich

Und noch etwas kommt aus Weinbergs Sicht hinzu: „Wer das Abitur nach zwölf Jahren will, muss die Gesamtzahl der Unterrichtsstunden reduzieren.“ Traditionelle Fächer wie Geschichte und Politik „wurden unter der Lupe zerhackt und zerkleinert, gekürzt, und irgendwie immer anders, aber im Umfang reduziert, neu erfunden“.

Weinberg hält den Trend für gefährlich. „Die Identitäten des demokratischen Bewusstseins können verloren gehen, wenn die historische Begründung der Entwicklungen der vergangenen 60 Jahre nicht mehr erfasst wird“, schreibt Weinberg. Wenn US-Präsident Donald Trump mit „alternativen Fakten“ arbeitet oder „man in Deutschland Politiker schon selbstverständlich als Volksverräter beschimpfen kann, haben wir ein Problem“. Radikalisierungen und das „Leben mit Unwahrheiten“ würden „mittlerweile unkritisch und unreflektiert hingenommen, ja sogar gesellschaftlich akzeptiert und unterstützt“.

Diesem Trend will der Unions-Politiker nun entgegensteuern. Die Fächer Geschichte und Politik mit Wirtschaft und Recht sollten in der Mittel- und Oberstufe der weiterführenden Schulen wieder aufgewertet werden. „Die Stundentafeln der entsprechenden Fächer sind aufzustocken, die Bildungspläne wieder mit mehr verpflichtenden Inhalten anzureichern“, schreibt Weinberg. Schülern sollten ein auch abzuprüfendes Grundwissen nachweisen. Historisch-politische Bildung könne und müsse aber auch gerade im digitalen Zeitalter „Orientierung ermöglichen, Werte begründen und zum Engagement in der Gesellschaft ermutigen“. Das alles dürfe „keine akademische Trockenübung“ sein.

Schon in der Grundschule mit der Werteerziehung beginnen

Konkrete Anschauung der politischen Praxis und der deutschen Geschichte soll nach Weinbergs Willen ein Besuch in Berlin liefern. „Ich plädiere für einen verpflichtenden Berlinaufenthalt in der Klassenstufe neun oder zehn“, so Weinberg. „Neben dem umfangreichen Angebot an historischen Museen und Gedenkstätten ermöglicht der Besuch einen Einblick in die Arbeit des deutschen Bundestags.“

Werteerziehung sollte bereits früh beginnen. In der Grundschule sei es sinnvoll, „Kindern einfache historische und politische Zusammenhänge nahezubringen und sie zu ermutigen, Konsequenzen für ihr eigenes Handeln daraus zu ziehen“.

Weinberg plädiert für eine differenzierte Betrachtung und macht zwei Entwicklungen aus. Einerseits verfügten die Schüler der gymnasialen Oberstufe, die sich für ein Profil Gesellschaft/Politik entschieden haben, über ein ausgeprägtes fundiertes Wissen der historisch-politischen Bildung. „Zweitens fehlt es aber Schülern, die diesen intensiven Zugang nicht haben, mehr und mehr an grundlegenden Kenntnissen der historischen und politischen Bildung“, sagt der ehemalige Geschichtslehrer. „Es braucht heute einen Aufschrei gegen Radikalisierung, es braucht Zivilcourage gegen Indoktrination und Gefährdung der freiheitlich-demokratischen Substanz.“

Nach Informationen des Abendblatts könnten Teile aus Weinbergs Positionspapier Eingang in das Wahlprogramm der CDU finden.