Hamburg. Zum Auftakt der Tour „It’s Your Choice“ trafen sich Jugendliche vom Gymnasium Heidberg mit sechs Vertretern Hamburger Parteien.

Die eindringlichste Wortmeldung an diesem Montagvormittag sorgte zunächst für lautes Gelächter im Klassenraum. „Was erwartet ihr von uns?“, hatte die Hamburger SPD-Bundestagskandidatin Dorothee Martin gefragt, stellvertretend auch für ihre fünf Politikerkollegen, die in Langenhorn etwa 100 Zwölftklässlern des Gymnasiums Heidberg gegenübersaßen. „Ich erwarte ein Vision“, rief ein Schüler. Damit meinte er keine Erscheinung im religiösen Sinne, wie er auf Nachfrage erklärte: „Es geht mir um ein Ziel, wo unsere Gesellschaft in 20 Jahren stehen soll, auch was unseren Zusammenhalt angeht. Was ist ihr Ziel?“

Die Entgegnungen der Politiker fielen nicht ganz so konkret aus, wie er und einige andere Schüler es sich gewünscht hätten. „Ich will, dass alle die gleichen Chancen haben“, sagte Dorothee Martin. „Bildung ist der Schlüssel“, sagte Richard Seelmaecker von der CDU. „Wir sehen Vielfalt in der Gesellschaft als Chance und Bereicherung“, sagte Anna Gallina, Vorsitzende der Hamburger Grünen. Deutschland gehe es gut, betonte FDP-Politiker Robert Bläsing. Aber: „Wir müssen unseren Wohlstand täglich neu erarbeiten und in Bildung investieren.“

Wahlbeteiligung bei Erstwählern steigern

Verhaltener Beifall. „Ich dachte mitunter, ich höre immer wieder das Gleiche“, sagte etwa Heidberg-Schüler Finn. Der 18-Jährige darf zum ersten Mal bei einer Bundestagswahl wählen, hat sich aber noch nicht entschieden, für welche Partei er stimmen wird. Dass er und etliche seiner Mitschüler am Ende dennoch auch mit dem
Gefühl aus dem Raum gingen, die Positionen der Parteien zumindest etwas besser greifen zu können, hatte mit den Diskussionen der Politiker über Integration und Flüchtlinge sowie Innere Sicherheit und Terrorismus zu tun.

Die Veranstaltung am Gymnasium Heidberg bildete den Auftakt der diesjährigen „It's Your Choice“-Tour, bei der Hamburger Schüler – und unter ihnen insbesondere Erstwähler – sich über demokratische Prozesse und politische Meinungen informieren können. „Ziel ist es, die Wahlbeteiligung bei Erstwählerinnen und Erstwählern zu steigern und dazu beizutragen, dass junge Menschen das Wählen als wichtigen Beitrag in einem demokratischen System verstehen“, sagt André Mücke, Geschäftsführer der Hamburger Schulmarketing-Agentur DSA youngstar.

Stationen an 24 Schulen

Deren Verein It’s Your Choice e. V. organisiert die Tour mit Stationen an 24 Schulen – ohne damit wirtschaftliche Gewinne anzustreben. Das Abendblatt ist als Medienpartner mit dabei. Die Hamburgische Bürgerschaft unterstützt die Tour mit 7000 Euro. Mitglieder aller Bürgerschaftsfraktionen beteiligen sich an den Gesprächen mit den Schülern. Die Hoffnung: Wer von den jungen Leuten dazu ermutigt wird, an der Bundestagswahl teilzunehmen, der wird künftig vielleicht auch bei der Bürgerschaftswahl seine Stimme abgeben.

Denn viele Bundes-Themen sind auch Hamburg-Themen, zum Beispiel die Aufnahme und Integration von Flüchtlingen. „Wir finden die Einwanderungspolitik katastrophal“, sagte Bernd Baumann, Fraktionsvorsitzender der Hamburger AfD. Er plädierte dafür, „Schutz- und Entwicklungszonen“ in den Herkunftsländern einzurichten, um zu verhindern, dass Flüchtlinge nach Europa kommen. In Hamburg seien enorm hohe Kosten durch die Betreuung von Flüchtlingen entstanden.

FDP gegen Obergrenze für Asylsuchende

„Es geht hier um Menschen“, sagte Rainer Behrens von den Linken. „Es kann nicht darum gehen, Zäune aufzubauen, Wir alle in der EU tragen die Verantwortung dafür, Lösungen zu finden.“ FDP-Politiker Robert Bläsing wandte sich gegen eine Obergrenze für Asylsuchende, erklärte aber, es müsse möglich sein, Asylsuchende in ein Herkunftsland wie Syrien zurückzu-schicken, wenn sich die Lage dort beruhigt habe.

Ob es nicht unrealistisch sei, angesichts der schlimmen Zustände in Syrien daran zu denken, asylsuchende Bewerber wieder in das Land zurückzusenden, wollte eine Schülerin wissen. Es sei „natürlich Quatsch“, all jene zurückzuschicken, die sich gut integriert hätten, sagte Bläsing. „Aber wer sich nicht integrieren will, muss zurück.“ Wie genau er eine nicht gelungene Integration definiert, ließ der FDP-Politiker allerdings offen. „Deutschland kann nicht alles alleine schultern“, sagte SPD-Politikerin Dorothee Martin. Länder, die von EU-Subventionen profitierten, müssten auch Flüchtlinge aufnehmen.

Zwei gleich große Lager

Auf Wunsch der Schüler positionierten die Politiker sich auch zum Thema Cannabis-Legalisierung. Anna Gallina (Grüne), Rainer Behrens (Linke) und Robert Bläsing (FDP) sprachen sich für eine Legalisierung aus. Ihr gemeinsames Argument: Dadurch lasse sich die mit dem Rauschmittel verbundene Kriminalität beenden. Dagegen wandten sich SPD-Politikerin Dorothe Martin, Richard Seelmaecker von der CDU und AfD-Vize Bernd Baumann. Ihre Haltung: Cannabis sei eine Einstiegsdroge, die der Gesundheit schaden könne.

Und die Schüler? Die teilten sich bei dieser Frage am Montag ebenfalls in zwei gleich große Lager von Befürwortern und Gegnern auf – sicherlich Anlass für weitere Diskussionen.